"Kommt mit, wir wollen die Sozialdemokratie gründen" - mittels einer so formulierten Zeitungsanzeige hat der heutige CSSD-Chef Vladimir Spidla die Gleichgesinnten im Dezember 1989 auf den Plan gerufen, um in Ceske Budejovice /Budweis die regionale sozialdemokratische Parteiorganisation aus der Taufe zu heben. Ein paar Jahre später avancierte er zum Vorsitzenden der ganzen CSSD, mit der er auch im Juni 2002 als Wahlsieger hervorging und als Premier eine neue Regierung bilden konnte. Neun Monate danach steht er an der Spitze einer gespaltenen und somit geschwächten Partei. Über sein Verbleiben in der Funktion des CSSD -Vorsitzenden werden an diesem Wochenende rund 600 Delegierte des sozialdemokratischen Parteitages im Prager Kongresspalast entscheiden. Unser Kollege Gerald Schubert ist vor Ort und nahm sich diese Veranstaltung zum Anlass, einen Lagebericht zu schicken:
Der an diesem Wochenende stattfindende 31.Parteitag der tschechischen Sozialdemokraten steht zweifellos im Zeichen tiefer innerparteilicher Konflikte. Diese wurden in letzter Zeit vor allem mit dem Scheitern der Sozialdemokratie bei der Präsidentschaftswahl in Zusammenhang gebracht, aus der ja letztlich der konservative Oppositionskandidat Vaclav Klaus als Sieger hervorgegangen war. Um die momentanen Grabenkämpfe innerhalb der CSSD, also der Sozialdemokratischen Partei, zu verstehen, lohnt es sich jedoch auch, einen Blick in die etwas weiter zurückliegende Vergangenheit zu machen, denn die Konflikte wurzeln bereits in der Zeit der politischen Wende des Jahres 1989, als nach dem Sturz des kommunistischen Regimes die Partei in der damaligen Tschechoslowakei ihre Tätigkeit wieder aufnahm. Damals ging es etwa um die Frag ob und wie man mit ehemaligen Kommunisten zusammenarbeiten soll. Mitglieder der Exil-CSSD, die vor allem in London aktiv gewesen war, lehnten dies naturgemäß eher ab. Andere Strömungen in der Partei, die den sich abzeichnenden radikalen Privatisierungskurs der damals konservativen Regierung auch mithilfe der Kommunisten verhindern wollten, sahen dies jedoch anders. Die parteiinterne Versöhnung und die Vereinigung der verschiedenen Interessensgruppen brachte schließlich der Auftritt eines starken Mannes - Milos Zeman, der im Februar 1993 an die Parteispitze gewählt wurde, schaffte es, die Konflikte in der Sozialdemokratie durch einen oft als autoritär bezeichneten Führungsstil vorerst einzudämmen. Doch, wie sich jetzt zeigt, konnte er die in der Partei verlaufenden ideologischen Gräben dabei wirklich nicht überbrücken. Fast könnte man sagen, im Gegenteil! Denn während des fast vierjährigen Vorsitzes von Zeman, bildeten sich unter dem Deckmantel der starken Führung, die die Partei zur stärksten des Landes gemacht hatte, die verschiedensten Interessensgruppen heraus, die nur ein knapp Jahr nach dem Abtritt Zemans von der Parteispitze offenbar voll zum Ausbruch kommen. Die Atmosphäre im Prager Kongresszentrum, wo nun der Parteitag abgehalten wird, ist also einigermaßen angespannt. Und bei den knappen Mehrheitsverhältnissen im tschechische Parlament kann man auf jeden Fall davon ausgehen, dass die Ergebnisse des Parteitags, dessen wichtigster Punkt wohl die Wahl des neuen oder auch alten Vorsitzenden ist, nicht nur für die CSSD, sondern auch für die gesamte Regierungskoalition der Tschechischen Republik entscheidend sein wird.