Wann kommt der Euro? Die Tschechische Wirtschaft plant voraus
Eine kürzlich in Prag abgehaltene Wirtschaftskonferenz hatte vor allem zum Ziel, in einer Gruppe von Experten aus Theorie und Praxis den Fahrplan zur Übernahme der europäischen Gemeinschaftswährung zu thematisieren. Gerald Schubert war dort und hat zur Euro-Problematik folgenden Schauplatz gestaltet:
Nun steht den Tschechen auf dem Weg nach Europa eigentlich nur noch ein einziger Schritt bevor, nämlich das Mitte Juni stattfindende EU-Referendum. Und angesichts der relativ stabilen Umfragewerte geht man allgemein davon aus, dass sich die Tschechen für einen Beitritt aussprechen werden.
Dementsprechend ist mittlerweile aus der Sprache der Politiker und aus der Berichterstattung im Bezug auf die Europäische Union der Konjunktiv weitgehend verschwunden. Aus den früher oft gehörten hypothetischen Überlegungen darüber, was die EU bringen würde und welche Fallen in Brüssel lauern könnten, wurde an vielen Stellen ein meist selbstbewusst vorgetragenes "als EU-Mitglied werden wir...". Und in der Tat: Sollten die Meinungsforschungsinstitute sich nicht massiv irren, dann gibt es eigentlich nichts, was diese Zuversicht als allzu offensichtlichen Zweckoptimismus enttarnen würde.
Hinter all dieser Rhetorik darf man aber freilich keine übertriebene und alleinige Fixierung auf das voraussichtliche Beitrittsdatum 1. Mai 2004 vermuten. Denn, wie es in einer anderen beliebten Formulierung des europapolitischen Diskurses so schön heißt: Die EU-Erweiterung ist nicht das Ende der Geschichte. Am Beispiel der unterschiedlichen Positionen zum Irak-Konflikt wurde das allen Beteiligten nur allzu klar vor Augen geführt. Und auch in anderen Bereichen beginnen in den Beitrittsländern, also auch in Tschechien, bereits jetzt die Diskussionen über diverse und sehr konkrete Aspekte, welche eine EU-Mitgliedschaft langfristig mit sich bringen wird. Etwa im Bereich der ökonomischen Entwicklung, die sich besonders schwer vorhersagen lässt; und wo die Volkswirtschaften schon unter dem Einfluss der nächsten geplanten Erweiterung stehen: nämlich der Erweiterung der europäischen Währungsunion.
Wenn auch die Einführung des Euro in Tschechien noch in recht weiter Ferne liegt, so stellt sie als ein Aspekt des geplanten EU-Beitritts dennoch einen wesentlichen Diskussionsgegenstand dar. Und zwar sowohl was die allseits bekannten Sorgen vieler Menschen um ihre "nationale Identität" betrifft, als deren Bestandteil manchen eben auch die eigene Währung gilt, als auch im Bereich der Fachdiskurse über die makroökonomische Entwicklung oder die Erfüllung wirtschaftlicher Stabilitätskriterien. Dieser Tage fand im Prager Kaiserstein-Palais eine Konferenz mit dem Namen "Hospodarstvi 2003" (Wirtschaft 2003) statt, die ebenfalls weitgehend im Zeichen der langfristig geplanten Euro-Einführung stand. An jener alljährlich abgehaltenen Wirtschaftskonferenz beteiligen sich traditionell Unternehmer, Ökonomen und Politiker, um auf Basis wirtschaftlicher Eckdaten des Vorjahres einen Ausblick auf die demnächst zu erwartenden Entwicklungen zu formulieren und Vorschläge zu deren Gestaltung einzubringen. Finanzminister Bohuslav Sobotka, der als Hauptredner der Tagung auftrat, äußerte sich dabei zum Euro grundsätzlich positiv, mahnte jedoch auf dem Weg zu dessen Übernahme auch die Verantwortung der eigenen Regierung ein:
"Es ist offensichtlich, dass die Tschechische Republik mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Verpflichtung eingeht, irgendwann in der Zukunft auch die gemeinsame Europäische Währung zu übernehmen. Die Frage ist jedoch nach wie vor wann. Es ist auch klar, dass die Tschechische Republik eine Strategie für den Übergang zum Euro braucht, damit es künftig beispielsweise möglich wird, das unternehmerische Umfeld besser zu definieren. Und es ist ebenfalls klar, dass die Festlegung dieser Strategie und letztlich auch die Festlegung eines Termins, zu dem wir uns um den Übergang zur Europäischen Währung bemühen sollten, von der Konzeption der Reform der öffentlichen Finanzen abhängig ist."
Daher, so Sobotka, werde die Regierung versuchen, in Zusammenarbeit mit der Nationalbank noch im September oder Oktober eine definitive Strategie für die Übernahme des Euro festzulegen. Als optimistischstes Datum dafür hält Sobotka übrigens den 1. Januar 2009. Zu optimistisch, wie manche meinen. So etwa Ivo Nejdl, der Chefanalytiker der tschechischen Raiffeisenbank:
"Ich würde sagen: Wenn es der Regierung gelingt, das Defizit der öffentlichen Finanzen zu senken, wenn es ihr gelingt, den öffentlichen Haushalt zu reformieren, damit sie die Hände für eine aktive und reaktionsbereite Fiskalpolitik frei bekommt, dann werden wir glaube ich froh sein, wenn es noch vor dem Jahr 2010 zur Festlegung irgendeiner Kursparität kommt."
Finanzminister Sobotka will die Schwierigkeiten in diesem Bereich auch gar nicht in Abrede stellen:
"Das Hauptproblem, das die Tschechische Republik heute aus der Perspektive der Maastrichtkriterien hat, ist gerade das Defizit der öffentlichen Finanzen. Wenn wir der nächsten Regierung einen Handlungsspielraum dafür schaffen wollen, über ein Datum des Übergangs zur gemeinsamen europäischen Währung zu entscheiden, dann ist klar, dass wir mit der Reform der öffentlichen Finanzen bald beginnen müssen. So, dass wir mit einem Zeithorizont von etwa 2007 / 2008 mit unserer Fiskalpolitik schon jetzt die Voraussetzungen zur Einführung des Euro schaffen. Wenn diese Regierung ihre Rolle hinsichtlich der notwendigen Finanzreformen nicht erfüllt, dann bedroht sie letztlich auch die Möglichkeit des Übergangs zur europäischen Währung vor dem Jahr 2010 - gerade auf dem Gebiet der nominellen Maastrichtkriterien."
Diese sehen ja unter anderem eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor, und erfordern daher auch von den neuen EU-Mitgliedern die entsprechende Haushaltsdisziplin. Freilich kann man aber gerade vom Finanzminister nicht erwarten, das er die gesamte Verantwortung in diesem Bereich auf sich selbst und der Regierung lasten sehen will. Und so hat Sobotka auch gleich dazu gesagt, dass man, wo legislative Maßnahmen nötig sind, im Parlament auf Schwierigkeiten stoßen könnte. Denn dort sei, angesichts der momentan knappen Mehrheitsverhältnisse, die Reformbereitschaft möglicherweise nicht groß genug, so Sobotka.
Übrigens: Der Grund, warum gerade dieses Mal der Fahrplan zum Euro im Mittelpunkt der alljährlichen Ökonomiekonferenz stand, hat nicht nur mit der unmittelbar bevorstehenden EU-Erweiterung zu tun. Denn gerade die tschechische Währung war im Jahr 2002 ein Sorgenkind der tschechischen Wirtschaft: Die Krone war sehr stark geworden und unterlag zudem beträchtlichen Kursschwankungen. So war etwa Anfang Juli 2002 ein Euro nur noch 29 Kronen wert - etwa eineinhalb Monate zuvor waren es noch 31 gewesen. Für die Exportwirtschaft des Landes schlug sich das bereits spürbar negativ zu Buche. Und so meinte auch der Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank, Oldrich Dedek, auf der Konferenz:
"Das vergangene Jahr können wir als einen gemeinsam mit der Regierung geführten Kampf der Zentralbank gegen die starke Krone bezeichnen."
Die Gründe für jene Kursentwicklung trennt Dedek in rationale und irrationale Ursachen. Und überhaupt sei in der Wirtschaft letztlich oft doch alles ganz anders als geplant. Wie sonst im Leben auch. Doch gerade bei so vielen Unabwägbarkeiten und Irrationalitäten ist es nötig zu planen, und Finanzminister Sobotka hat zu verstehen gegeben, dass diese Planung im Interesse aller Beteiligten möglichst transparent vor sich gehen sollte.
Wem übrigens alle diese Aussichten bis in das Jahr 2010 und darüber hinaus als zu abstrakt erscheinen, der kann auf die nächsten, nicht minder wichtigen Schritte der Tschechischen Republik auf dem Weg in die Europäische Union gespannt sein: Das Referendum im Juni, und dann den voraussichtlichen Beitritt in einem Jahr. Von Hürden spricht hier, wie gesagt, kaum noch jemand.