"Verstummte Töne" - Ausstellung über Gideon Klein und Egon Ledec in der Robert Guttman-Galerie
"Verstummte Töne" heißt die Ausstellung über das Leben und Werk von zwei namhaften tschechischen jüdischen Virtuosen und Komponisten, Gideon Klein und Egon Ledec, die zur Zeit in Prag zu sehen ist. Im folgenden Spaziergang durch Prag laden Sie Martina Schneibergová und Gerald Schubert in die Robert-Guttman-Galerie ein.
Das Leben und das Schaffen von Gideon Klein und Egon Ledec näher vorzustellen, ist das Ziel der Ausstellung, die vom Prager Jüdischen Museum veranstaltet wird. Die Kuratorinnen der Ausstellung haben versucht, der breiteren Öffentlichkeit vor allem die weniger bekannte Zeitetappe vor dem Zweiten Weltkrieg bzw. vor der Deportation der beiden Künstler in das Ghetto in Terezín/Theresienstadt zu beschreiben. Dabei werden in beiden Fällen einzigartige Dokumente gezeigt, die bisher noch nie ausgestellt wurden. Bekannter ist von den beiden Künstlern für die Öffentlichkeit Gideon Klein. Er hatte zweifelsohne eine vielversprechende Karriere vor sich - sowohl als Pianist als auch als Komponist, bzw. Dirigent. Mit 22 Jahren wurde er nach Terezín deportiert, im Januar 1945 wurde Gideon Klein im Konzentrationslager Fürstengrube ermordet.
Die überhaupt erste Partitur Gideon Kleins ist gleich am Anfang der Ausstellung zu sehen. Er schenkte sie als 10-Jähriger seiner Mutter. Gideon Klein wurde am 6. Dezember 1919 im mährischen Prerov geboren. Schon früh war bei ihm seine außerordentliche musikalische Begabung zu erkennen. Deswegen verließ er mit elf Jahren seine Heimatstadt und zog zu seiner älteren Schwester Eliska nach Prag um, um Musik studieren zu können. Neben dem Gymnasium studierte er Klavierspiel am Prager Konservatorium, nach erfolgreichem Studienabschluss besuchte er die Meisterschule und danach auch die Kompositionsklasse des Konservatoriums. Die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Anita Franková, machte auf die folgende Tatsache aufmerksam:
"Am Tag der Abiturprüfung wurde im Mai 1938 die erste Mobilmachung ausgerufen. Klein meldete sich nach dem Abitur zum Studium der Musikwissenschaften an der Karlsuniversität. Hier ist die Liste der Vorlesungen zu sehen. Auf dem Foto von zu Hause ist er mit seiner Schwester Eliska abgebildet. Die überlebte als die einzige von der Familie den Krieg und kehrte nach Hause zurück. Sie versuchte während ihres verhältnismäßig langen Lebens, den Nachlass ihres Bruders zusammen zu tragen und ihn auf den Konzertpodien der Welt bekannt zu machen. Sie schenkte unserem Museum fast alle diese Dokumente."
Gideon Klein gelang es, die Meisterschule binnen eines Jahres zu absolvieren - normalerweise dauerte das Studium dort mindestens zwei Jahre. Das Diplom sowie lobende Rezensionen über seine Interpretationskunst zeugen davon, dass er ein hervorragender Schüler war. Der namhafte Kunsthistoriker Zdenek Wirth, der damals im Außenministerium tätig war, schrieb für Klein eine Empfehlung zum Studium an der Königlichen Akademie in London. Damit sollte der junge Musiker gerettet werden, doch leider klappte dies nicht mehr. Mit 22 Jahren wurde Gideon Klein in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dokumente aus dieser Zeit stammen aus der Gedenkstätte Terezín. Neben einem Konzertprogramm findet man hier auch einen Aufsatz über die Kultur aus der Feder von Gideon Klein. Das letzte Zeugnis von Gideon Klein ist ein illegaler Brief von ihm aus dem KZ Fürstengrube. Der Brief stellt einen traurigen Schlusspunkt unter die Beschreibung des Lebens und Schaffens des hochbegabten Musikers dar, der im Alter von 25 Jahren ermordet wurde.
War Gideon Klein als Musiker schon zu seinen Lebzeiten bekannt? Und wann hat man ihn als Komponisten entdeckt bzw. wieder entdeckt? Dr. Anita Franková dazu:
"Als Pianist war er schon damals relativ bekannt. Zum erstenmal hatte er mit 14 Jahren ein Konzert, dann trat er öfter auf. Er wurde sehr positiv bewertet. Er war wirklich außerordentlich begabt und intelligent - nicht nur, was den musikalischen Bereich anbelangt. Er hatte die Karriere eines berühmten Klaviervirtuosen, Komponisten und Dirigenten vor sich. Was seine Komponistentätigkeit betrifft, so war diese damals wahrscheinlich nicht bekannt. Denn die ersten Kompositionen waren noch nicht so gelungen. Als er ein reifer Komponist war, durften seine Kompositionen als Werke eines Juden nicht mehr aufgeführt werden. Er packte sie alle in einen Koffer, den er bei seinem Freund, dem Musikkritiker Herzog versteckte. Dort wurde er erst Anfang der neunziger Jahre gefunden. Die Werke, die in Terezín entstanden sind, wurden gerettet und standen nach dem Krieg zur Verfügung. Die Werke aber, die vor Kleins Deportation entstanden, kennt man erst seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts."
Der zweite Künstler, mit dessen Leben und Schaffen sich die Ausstellung "Verstummte Töne" befasst, ist Egon Ledec. Der Violinist, der 1889 geboren wurde, ist der Öffentlichkeit heute nur wenig bekannt. Die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Jana Splíchalová, begründet dies mit den Worten:
"Egon Ledec kann heute für die Öffentlichkeit, aber auch für Fachkreise kaum bekannter sein als Gideon Klein. Denn er war ein Interpret. Er komponierte zwar auch, aber die Grundlage seiner musikalischen Arbeit bestand in seiner Tätigkeit in der Tschechischen Philharmonie. Vorher war er Mitglied einer Regimentskapelle, er spielte auch in der Slowakei - im Orchester des Slowakischen Nationaltheaters. Die Interpreten stehen immer im Schatten der Komponisten. Egon Ledecs Tätigkeit ist weniger bekannt. Es sind nur ein oder zwei Originalaufnahmen mit ihm erhalten geblieben."
Egon Ledec stammte aus dem ostböhmischen Kostelec nad Orlicí, er absolvierte das Prager Konservatorium und verzeichnete seinen ersten Erfolg, als er als 19-Jähriger das Violinkonzert von Jean Sibelius mit der Tschechischen Philharmonie spielte. Ledec besuchte dann die Meisterschule des Konservatoriums bei den Professoren Otakar Sevcík, Jaroslav Kocian und Karel Hoffmann. 1926 wurde er Mitglied der Tschechischen Philharmonie, die damals von Václav Talich geleitet wurde. Mit den Philharmonikern trat er 13 Jahre lang auf. Zu dieser Zeitetappe gibt es in der Ausstellung mehrer Dokumente, Fotos, Briefe usw. Ledec komponierte auch, mit seinen Kompositionen wollte er den Menschen vor allem Freude machen. Eine Ausnahme unter diesen Werken stellt ein Melodrama dar, dessen Partitur in der Ausstellung zu sehen ist. Dr. Splíchalová dazu:
"Die Komposition mit dem Titel "Morgendämmerung" ist ein Melodrama nach dem Gedicht "Vecný voják" (Der ewige Soldat) von Frána Srámek. Der Komponist wurde dazu zum erstenmal wahrscheinlich während des Ersten Weltkriegs angeregt. Als er später sah, was in Europa geschieht, fühlte er, dass etwas passiert, was den ganzen tschechoslowakischen Staat und ihn selbst betreffen wird. Er bearbeitete dieses Thema einige Jahre lang."
Das Melodrama stellt ein Vorzeichen der nicht mehr verwirklichten Pläne des Musikers dar. Die Jahre im Ghetto von Terezín charakterisieren Egon Ledec als einen weisen reifen Menschen. Jana Splíchalová dazu:
"Am Ende der Ausstellung wird die Tätigkeit von Egon Ledec im Ghetto von Terezín dokumentiert. Er engagierte sich dort sehr, er war damals einerseits ein reifer Künstler und andererseits wusste er offensichtlich, dass sein Leben im künstlerischen und auch im menschlichen Sinne abgeschlossen ist. Ledec bemühte sich, den anderen zu helfen. Ich meine, dass er in Terezín eine bedeutende Rolle spielte. Er wurde dort oft von bekannten Malern porträtiert. Auf den Bildern spürt man auch die Begeisterung, mit der er spielte, als ob er immer wieder versucht hätte, die Welt nicht zur Kenntnis zu nehmen, um auch den anderen die Möglichkeit zu bieten, wenigstens für eine Weile zu vergessen..."
Egon Ledec wurde 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet.
In der heutigen Sendung hörten Sie Ausschnitte aus den Werken von Gideon Klein. Die Ausstellung "Verstummte Töne" ist in der Robert-Guttman-Galerie in Prag bis zum 15. Juni geöffnet.