Ein Jahr nach dem Hochwasser: Kommentare zur Greenpeace-Kritik am Chemiewerk Spolana / Strafanzeige gegen das Projekt "Internet in die Schulen"
Das Thema, das die tschechische Presse in der zurückliegenden Woche am meisten beschäftigte, war zweifelsohne die Hochwasserkatastrophe, die vor genau einem Jahr über Tschechien hereinbrach. In Extra-Beilagen blickten nahezu alle Zeitungen auf dieses Ereignis zurück, stellten Fotos von damals und heute gegenüber und bilanzierten die Ergebnisse der Schadensbekämpfung.
"Mit der Frage, ob und wie viel Gift in den vergangenen Jahren möglicherweise aus der Fabrik entwichen ist und welche Schäden dadurch entstanden sind, beschäftigen sich die Umweltaktivisten nicht. Ebenso wenig damit, Beweise hierfür vorzulegen. Dabei ist die Tschechische Republik trotz aller Zweifel an der hiesigen Justiz ein Rechtsstaat, und deshalb sollten sich die Umweltschützer zu den Gerichten bequemen und das Chemiewerk mittels Beweisen zu den gewünschten Schritten zwingen. Nur wäre dieser Weg natürlich bei weitem nicht so medienwirksam."
Und der Kommentator kommt zu dem Schluss:
"Wenn Greenpeace mit seiner Aktion wirklich auf die Risiken hinweisen will, die mit der Herstellung chemischer Produkte am Elbeufer verbunden sind, dann hat die Organisation einen unglücklichen Anfang gewählt. Auch einem weniger aufmerksamen Zuschauer kann nicht die Selbstpropaganda und mangelnde Sachlichkeit der Kampagne entgangen sein. Weniger bombastische, aber konkretere Ziele hätten den Menschen in der Umgebung des Chemiewerks sicherlich mehr geholfen."Die Zeitschrift Respekt macht sich Gedanken über die Reaktionen der tschechischen Öffentlichkeit auf die Greenpeace-Aktion:
"Bei dem Blick auf das riesige Transparent auf dem 200m hohen Schornstein von Spolana teilten sich die Fernsehzuschauer am Sonntagabend wahrscheinlich in drei Gruppen: Zum einen in die, die genug haben von Possenreißern. Weiter in diejenigen, die nichts gegen Greenpeace haben, denen es aber lieber wäre, wenn die Umweltaktivisten tatsächlich die Natur schützen würden und etwas Nützliches machen würden, statt sich fortlaufend um Publikumseffekte zu bemühen."
Weiter gibt der Kommentator seine persönliche Haltung preis: "Ich selber gehöre zur dritten Gruppe derer, die solche theatralischen Aktionen als einzige reale Möglichkeit begreifen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Themen zu lenken, die die staatlichen Organe gerne unter den Tisch kehren würden."
Die Zeitung Mlada fronta dnes hingegen schwankt zwischen den beiden zitierten Positionen und überlegt in ihrer Ausgabe vom 11. August:
"Mit wem sollen wir sympathisieren? Spolana ist ein unsympathischer Koloss. Es ist genau ein Jahr her, seit die Firma zynisch die Menschen belogen hat. Die Grünen sind jung und sympathisch. Aber sie dringen ein, wo sie nicht eindringen sollen und verletzen zynisch die Rechte Anderer. Sie könnten demonstrieren, schreiben, Lärm machen, Tschechien ist schließlich ein freies Land. Aber natürlich hat es einen größeren medialen Effekt, wenn man auf einen Schornstein klettert. Also, eigentlich sind die Grünen auch nicht sympathisch. Obwohl...vielleicht gibt es ja keinen anderen Weg, um solche Spolanas zu ordentlichen Verhandlungen zu bringen als auf einen Schornstein zu klettern."
Themenwechsel: Das Oberste Kontrollamt Tschechiens will gegen das von Ex-Schulminister Eduard Zeman ins Leben gerufene Projekt "Internet in die Schulen" Strafanzeige erstatten. Die Polizei soll untersuchen, wer verantwortlich dafür ist, dass rund 29 Millionen Euro unwirtschaftlich verwendet worden seien, informierte Anfang der Woche eine Sprecherin der Kontrollbehörde. Die Zeitung Lidove noviny wundert sich in ihrem Leitkommentar vom 13. August nicht über die entstandene Situation:
"Wer den Fall Internet in die Schulen' von Anfang an verfolgt hat, fühlte sich mehr als einmal an den volkstümlich formulierten Grundsatz erinnert: Fresst, aber schmatzt dabei nicht. Hier wurde geschmatzt, dass einem die Ohren dröhnten, und noch dazu erstaunlicherweise vor den Augen der Öffentlichkeit. Die beteiligten Akteure waren sich offensichtlich einer hervorragenden Deckung sicher. Sobald erstmals Einzelheiten des Projektes öffentlich bekannt wurden, kam qualifizierte Kritik an dem Projekt auf, die jedoch kein Echo bekam."
Weiter erinnern Lidove noviny an die Vorbildfunktion, die dem Projekt von seinem Initiator ursprünglich zugedacht war:
"'Internet in die Schulen' sollte ein Pilotprojekt werden für die definitive Gestalt des staatlichen Informationssystems. Wenn dieses nach ähnlichen Grundsätzen entwickelt würde wie Internet in die Schulen', würde es ein solches Fressen werden, dass wir von dem Schmatzen taub werden würden. Es ist gut, dass dies im Keim erstickt wurde."
Die Zeitschrift Tyden fasst in ihrer jüngsten Ausgabe die Folgen der beanstandeten Fehlinvestitionen in das Projekt "Internet in die Schulen" zusammen und macht sich Gedanken über die weitere Zukunft des Projektes:
"Es sollte ein gottgefälliges Projekt sein, das die Klassenzimmer mit modernster Technik und Kinderlachen füllt. Anlass zur Freude haben die Kinder und ihre Lehrer jedoch nicht. Die Hälfte von ihnen hat letztlich überhaupt nichts erhalten. Der zweite Teil der Schulen hat jetzt in den Klassen die einfachsten Rechner und Drucker, die ihnen nicht gehören, Software, die sie nicht brauchen und vor sich die Aussicht, dass sie im Jahr 2005 vielleicht noch nicht einmal mehr das haben werden."
Für Schulministerin Petra Buzkova, die nach ihrem Amtsantritt einige der von ihrem Vorgänger Eduard Zeman abgeschlossene Verträge kündigen ließ und personelle Wechsel vornahm, gibt es nun nach Meinung von tyden drei Möglichkeiten, weiter mit dem unglücklichen Erbe zu verfahren:
"Entweder das Ministerium von Petra Buzkova versucht, die abgeschlossenen Verträge gerichtlich anzufechten und sich aus ihnen auszuklinken. Oder es versucht, Druck auf die Auftragnehmer auszuüben, damit sie die Preise senken. Oder aber es lässt die unprofitablen Verträge auslaufen. Diese letzte Variante scheint gegenwärtig die wahrscheinlichste zu sein."