Tschechien fordert Öffnung der Arbeitsmärkte

Foto: Europäische Kommission

Die tschechische Regierung fordert die alten EU-Länder auf, ihre Arbeitsmärkte für tschechische Arbeitskräfte ab dem 1. Mai, also mit der EU-Erweiterung, zu öffnen. Dies ist eines der Themen, mit denen sich Dagmar Keberlova in der folgenden Ausgabe des Eurodominos beschäftigt.

Foto: Europäische Kommission
Ein Land nach dem anderen zieht sich in den vergangenen Tagen von seinem Versprechen zurück, seinen Arbeitsmarkt für die ab Mai neu hinzukommenden EU-Bürger zu öffnen. Während vor einem Monat nur 4 EU-Länder ankündigten, ihren Arbeitsmarkt vor den Bürgern aus den Beitrittsländern mit Übergangsfristen schützen zu wollen, sind es heute fast alle 15. Derzeit hätte Tschechien Zusagen für einen freien Arbeitsmarktzugang nur aus Großbritannien und Irland. Tschechien wehrt sich und fordert jetzt alle EU-Länder auf, die Situation neu zu bewerten. Dies teilte der stellvertretende Außenminister Jan Kohout den Botschaftern aller Länder in der vergangenen Woche mit. Näheres zu dieser Initiative von Ivan Jancarek vom tschechischen Außenministerium:

"Die Tschechische Republik will die alten EU-Länder darauf aufmerksam machen, dass sie während der Beitrittsverhandlungen gewisse Verpflichtungen eingegangen sind, und dass wir froh wären, wenn diese Verpflichtungen auch erfüllt würden. Einige Länder versprachen, sich sofort nach dem Beitritt Tschechiens für unsere Arbeitskräfte zu öffnen. In letzter Zeit sieht es aber nicht nach Erfüllung dieses politischen Versprechens aus. Einige EU-Länder berufen sich auf Schwierigkeiten, die sie zu der Zeit, in der sie diese politischen Versprechen gegeben hatten, nicht vorausgesehen hatten. Die Situation hat sich unserer Meinung nach aber nicht bedeutend geändert. Seitens der Tschechischen Republik auch nicht, im Gegenteil. Die wirtschaftliche Situation hierzulande hat sich verbessert und daher droht nicht, dass es zu einer erhöhten Migration kommt. Wenn die Menschen höhere Lebensqualität genießen, werden sie bestimmt dort weiter leben wollen, wo sie jetzt leben, was bei einer drohenden wirtschaftlichen Krise nicht der Fall wäre. Wir sehen daher keinen Grund, warum die politischen Zusagen nun nicht erfüllt werden."

Hat das tschechische Außenministerium also erwartet, dass die meisten EU-Länder sich gegen eine Anwendung der Übergangsfristen entscheiden würden? Ivan Jancarek weiter:

"Wir haben vorausgesetzt, dass sich jenen Ländern, die den freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Tschechen versprochen haben, weitere anschließen werden, dass dies also es einen positiven Effekt haben wird. Derzeit sind wir aber Zeugen der genau umgekehrten Situation, dass nämlich ein Land Befürchtungen äußert, und die anderen schließen sich an. Denn sie haben Angst, dass sie es wären, die von dem Zustrom der so genannten Emigranten betroffen wären."

Handelt es sich bei der nunmehrigen Aufforderung um eine Solo-Aktion der Tschechischen Republik oder wurde die Vorgangsweise mit weiteren Beitrittsländern konsultiert, die von den Übergangsfristen ebenfalls betroffen sind?

"Nein, hier handelt es sich um eine Aktivität der Tschechischen Republik. Wir haben immer gesagt, dass seitens unseres Staates keine Gefahr für die bestehenden EU-Mitglieder drohe. Daher vertritt die Tschechische Republik vor allem die Interessen ihrer Bürger. Wir informieren natürlich die anderen Beitrittsländern über unsere Schritte, aber vor allem geht es uns um unsere Interessen."

Nach wie vor wollen Großbritannien und Irland Arbeitskräfte aus Tschechien begrüßen, wenn sie in ihren Ländern arbeiten wollen und das soziale System nicht missbrauchen. Bis zum EU-Beitritt Tschechiens werde noch weiter verhandelt. Sollten danach Tschechen im Bereich des Sozialsystems in den verschiedenen Ländern diskriminiert sowie die Bedingungen des Beitrittsvertrages verletzt werden, wolle sich das Land sowohl an die Europäische Kommission als auch an den Europäischen Gerichtshof wenden.

Nun wollen wir uns einem Thema zuwenden, das mit den Europawahlen zusammenhängt. Die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament, die Europäische Volkspartei /Europäische Christdemokraten, hat vor kurzem eine Resolution verabschiedet, in der sie den kommunistischen Totalitarismus verurteilt. Die Fraktion forderte alle, die eine politische Funktion in der EU bekleiden wollen, auf, ihre Vergangenheit offiziell darzulegen. Sollte jemand Teil eines repressiven Apparats gewesen sein oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, so sollte er sich von jedweder Kandidatur fernhalten. Die Resolution wurde von der Europäischen Kommission nicht angenommen, mit dem Hinweis, dass die europäischen Institutionen kein Recht hätten, die Vertreter aus den neuen Ländern zu durchleuchten. In den Beitrittsländern hat dies auch kontroverse Reaktionen hervorgerufen, weil die ehemaligen kommunistischen Funktionäre dort heute oft hohe Posten bekleiden. Ich rief hierzu den Politologen Rudolf Kucera an und bat ihn um seine Stellungsnahme. Die Europaabgeordneten hätten leider zu spät verstanden, dass Leute, die mit den ehemaligen kommunistischen Regimes verbunden waren - früher waren das nur die aus der DDR - jetzt ihre Kollegen werden und nach Brüssel umsiedeln. Die Bemühung, den Kommunismus als solches zu verurteilen, sei bestimmt gut, komme aber auch zu spät.

"Man muss es positiv einschätzen, dass sich diese Abgeordneten dessen bewusst wurden, aber für die Verurteilung des Kommunismus ist es jetzt schon zu spät. Das hätte man früher machen sollen, aber die Wirklichkeit sah anders aus. Die alten und neuen Strukturen versuchten, friedlich zusammen zu leben. In keinem Land kam es zu einer Verurteilung. In Europa beginnt man jetzt zu verstehen, dass das tatsächliche Problem in der Distanz zum Kommunismus und in der Überwindung des kommunistischen Systems liegt. Dabei handelt es sich nicht nur um die Strukturen, sondern um die Denkweise, um die politische Kultur. Das ist ein breites Problem, das im Rahmen der EU bewältigt werden muss. Die Chance zur Verurteilung haben wir vor Jahren verpasst. Heute haben die reformierten ehemaligen kommunistischen Parteien - unsere ist die einzige, die sich nach wie vor im Sinne der Vergangenheit äußert - große Wahlerfolge."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt