Tschechien als Weinproduzent

Dass das Bier in Tschechien als Getränk Nummer Eins gilt und dass dieses Land mit dem jährlichen Pro-Kopf-Bierkonsum an der Weltspitze liegt, ist wohl notorisch bekannt. Wesentlich weniger bekannt ist allerdings die Tatsache, dass hierzulande auch der Wein angebaut bzw. produziert wird. Mit sechzehneinhalb Liter Weinkonsum Pro-Kopf im Jahr sind die Tschechen zwar keine Weltmeister, doch in den zurückliegenden 15 Jahren hat sich auch in diesem Bereich vieles verändert. Viel Neues ist auch mit dem EU-Beitritt Tschechiens zu erwarten. Was auf die tschechischen Winzer nach dem 1. Mai zukommt, ist das Thema des nun folgenden Wirtschaftsmagazins. Am Mikrophon ist Jitka Mladkova.

Dass sich Tschechien zu den Wein produzierenden Ländern zählen darf, verdankt es vor allem der Region Südmährens. Die Weinanbaugebiete in Mittel- und Nordböhmen sind eher als kleine Inseln zu sehen, die nur noch an die längst vergangene Blütezeit der landestypischen Weine erinnern. Nach Südmähren gelangte die Weinrebe durch die alten Römer, die im 3. Jahrhundert n. Chr. mit ihren Legionen bis in dieses Gebiet hinaus expandiert sind und ihre Lager aufgeschlagen hatten. Nach diesen Impulsen aus dem Südland ging es mit der Weinproduktion im Laufe der Zeit zunächst Jahrhunderte lang bergauf. Vor dem 30-jährigen Krieg erreichte das Flächenausmaß der Weinberge mit 30 000 Hektar den absoluten Rekord in der Geschichte der Weinproduktion in den Böhmischen Ländern. Im 19. Jahrhundert hat das Metier seine Renaissance erlebt. Im 20. Jahrhundert hingegen haben sich vor allem die politischen Verhältnisse auf die Entwicklung der Weinbaubranche negativ ausgewirkt. In der Zeit des kommunistischen Regimes hierzulande war es dann soweit, dass man - nur leicht übertrieben gesagt - zwischen Rot- und Weißwein unterscheiden konnte, und das war´s! Die Palette des Tafelweinangebots mit ein paar Weinmarken war nämlich leicht überschaubar.

Nach der Wende 1989 kam es zwar zu einem enormen Ausbau der Weinberge in Tschechien, doch auch trotz dieser Tatsache wird der jetzige Anteil des tschechischen Weines an der Weltproduktion auch künftig kaum mehr als die heutigen 0,002 Prozent betragen. Am 1. Mai, dem EU-Beitrittstag, wird Tschechien über ungefähr 16 000 Hektar Weinberge verfügen. Noch bis Ende April haben tschechische Winzer die letzte Chance, ihre Weinberge registrieren zu lassen bzw. deren Ausmaß zu vergrößern. Nach dem 1. Mai ist es damit aus. Zu diesem Stichtag wird Tschechien über rund 16 000 Hektar Weinberge verfügen. Von da an wird schon das gültige Weingesetz der EU auch für den tschechischen Weinbau den juristischen Rahmen bilden und die gesamtfläche der Weinberge darf nicht mehr ausgebaut werden. Was der EU-Beitritt für die hiesigen Winzer bedeutet, danach fragte ich den Vorsitzenden des Böhmisch-Mährischen Weinbauer- und Winzerunion, Jiri Sedlo:

"Das Positive sehe ich darin, dass es einen großen Markt geben wird. Auf der anderen Seite jedoch ist dies im Hinblick auf die Tatsache, dass es hierzulande keine Überschüsse gibt, nicht unbedingt ausschlaggebend. Unsere Winzer decken nur rund 40 bis 50 Prozent des Marktbedarfs ab. Das Negative besteht wiederum darin, dass wir uns, um es ganz hart zu sagen, dem Diktat der Europäischen Union unterwerfen müssen, also den Vorschriften, die wir uns nicht ausgedacht haben."

Wie Jiri Sedlo moderat hinzufügt, handele es sich gleichzeitig um Vorschriften und Regeln, die faktisch ein ganzes Jahrhundert lang geschaffen wurden und für ganz Europa verbindlich waren. In Tschechien sei halt in den Jahren 1948 bis 1989 diese Kontinuität unterbrochen worden, sagt Sedlo wörtlich. Die neue Situation nimmt er keineswegs als diskriminierend für Tschechien wahr. Auch dem durchaus nicht seltenen Vorwand aus den eigenen Reihen, Tschechien hätte im Vergleich zu anderen EU-Ländern nicht so viel Zeit, die Weinanbauflächen auszubauen, stellt Sedlo entgegen:

"Es stimmt nicht ganz. Man kann davon ausgehen, dass wir am Tag unseres EU-Beitritts mit der Gesamtfläche der tschechischen Weinberge jenes Niveau wieder erreichen werden, über welches man hierzulande im vergangenen Jahrhundert nur für eine kurze Zeit verfügt hatte. Es ist uns im Prinzip gelungen das zu erreichen, was wir wollten."

Jedoch nicht alle Winzer in Tschechien sprechen so moderat. Ein Teil von ihnen drängte darauf, eine Übergangsfrist bei den Beitrittsgesprächen in Brüssel aushandeln, während der die Anbaufläche der Weinreben noch wesentlich erweitert werden sollte. Dies ist aber nicht gelungen.

Mit dem bevorstehenden EU-Beitritt sind nach Sedlos Meinung die Würfel bereits ausgeworfen. Entweder passe man sich den festgelegten Regeln an, oder aber nicht, doch in diesem Falle sind dann die Chancen für einen Winzer-Einzelgänger sehr gering. Den Weinbau kann er nur noch als Hobby und faktisch nur für den eigenen Bedarf betreiben. Nun welche sind die Regeln? Was Sedlo befürchtet, ist, wie er sagt, die Papierbürokratie. Also viele Berichte, die termingemäß an eine zuständige Behörde in Tschechien und von dort wiederum nach Brüssel zu übersenden sein werden, wo alles für die ganze EU summiert und addiert wird.

"Unseren Möglichkeiten nach, was die Qualität und die Preise anbelangt, ist der tschechische Wein mit dem aus Österreich und Deutschland oder aus anderen EU-Ländern vergleichbar, aber es ist nicht unser Ziel zu exportieren. Viel mehr geht es uns um die Eingliederung in das auf dem EU-Binnenmarkt übliche System in dem Sinne, dass hierzulande ein breites Angebot einschließlich ausländischer Weine vorhanden und umgekehrt der tschechische Wein wiederum z.B. in Frankreich oder Belgien und anderswo erhältlich ist."

Die Preise der bis Dato nach Tschechien importierten Weine und damit auch ihr Angebot werden derzeit mehr oder weniger durch die 30-prozentige Zollgebühr limitiert. Nach dem EU-Beitritt fällt jedoch diese Zollbarriere weg und die nachfolgend zu erwartende Preissenkung bei Importwein wird nach Meinung von Finanzexperten einen ähnlichen Effekt bei heimischen Weinproduzenten hervorrufen. Die Preise der inländischen Qualitätsweine dürften um 10 bis 20 Prozent sinken, sagen sie.

Vor kurzem fand im südmährischen Brno/Brünn die traditionelle Messe Vinex statt, auf der sich Weinproduzenten aus dem In- und Ausland vorstellen. Nicht zu übersehen und zu überhören war, dass ausländische Weinproduzenten bereits seit einiger Zeit zu einer Expansion auf die Märkte der Beitrittsländer rüsten. Sie veranstalten Degustierungen und Präsentationen direkt in tschechischen Hotels und Restaurants, denn - da sind sie im Bilde - in Tschechien ist immer noch ein freier Raum für die Weinexpansion. Die tschechische Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny zitierte kürzlich in diesem Zusammenhang Marion Reinberger, Managerin des österreichischen Marketingfonds für Weinanbau:

"Aus unserer Sicht ist der tschechische Markt enorm perspektivreich. Für unsere Weinproduzenten haben wir alle nützlichen Unterlagen vorbereitet, damit sie sich durchsetzen können. Mittlerweile haben wir auch Verhandlungen über Lieferungen für die Gastronomie aufgenommen." Zitat Ende.

Der härteste Konkurrenzkampf wird sich nach Einschätzung von Experten im Bereich der Weine mittlerer Qualität abspielen. Hierbei kommt den großen Handelsketten bedeutende Rolle zu. Nach dem 1. Mai werden sie den Wein direkt von westeuropäischen Produzenten zu wesentlich niedrigeren Preisen beziehen können, und nicht wie jetzt von den Weinimporteuren, die über eine Lizenz verfügen. Jiri Sedlo sagt aber trotzdem:

"Dass unser Wein in der Konkurrenz im Rahmen der EU nicht bestehen kann, das befürchte ich also gar nicht!"