Die Armee als Lebensretter? Oberste NATO-Sanitäter tagten in Prag
Ranghohe Generäle aus den NATO-Staaten sowie aus Ländern, die in der so genannten NATO-Partnerschaft für den Frieden zusammengeschlossen sind, trafen vorige Woche in Prag zusammen. Ziel der viertägigen Konferenz war - wenig verwunderlich - die Vereinheitlichung von Strukturen zwecks besserer Zusammenarbeit. Das Fachvokabular war jedoch eher medizinischer als militärischer Natur. Denn es tagte der oberste NATO-Sanitäterstab. Und weil zum Konferieren auch das Repräsentieren gehört, zeigten sich besonders die tschechischen Gastgeber von ihrer besten Seite. Ärzte in Uniformen als Musterknaben in der militärischen Imagepflege? Gerald Schubert war vor Ort und hat folgenden Schauplatz gestaltet:
"Wir befinden uns hier auf der Intensivstation des tschechischen Feldlazaretts. Sie wurde bisher in zwei Missionen eingesetzt, und zwar im Rahmen der ISAF, also der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan, und im Irak, in der Mission Iraqui freedom. Es ist unsere Standardintensivstation, ausgestattet mit vier Betten. Wir sind mit der Ausstattung hier in der Lage, eine vollwertige intensivmedizinische Pflege für vier Patienten zu gewährleisten. Ich wage also zu sagen: Im Wesentlichen haben wir hier einen Standard wie in jedem anderen tschechischen Krankenhaus auch", erklärt Michal Onderka.
Normalerweise arbeitet Onderka im Militärkrankenhaus im mährischen Olomouc / Olmütz. Vorige Woche ist er nach Prag gekommen, um den Chefsanitätern der NATO-Streitkräfte und jenen aus sieben Ländern der NATO-Partnerschaft für den Frieden den Stand der Tschechischen Armeemedizin zu demonstrieren. Anlass des hochrangig besetzten Treffens: Die Tagung des Committee of the Chiefs of Military Services, kurz COMEDS genannt. So lautet die offizielle Bezeichnung des obersten NATO-Sanitäterkomitees, das zweimal jährlich zusammentritt. Der belgische COMEDS-Vorsitzende Roger Van Hoof zur Bedeutung dieser Konferenzen:"Das wichtigste Ziel ist es, Ideen auszutauschen und vor allem unsere Methoden zu standardisieren. So, dass wir während der einzelnen Militäroperationen sofort zusammenarbeiten können, und nicht erst dann alles ändern müssen, wenn diese Operationen bereits beginnen."
Auf diesbezügliche Versäumnisse in der Vergangenheit deutet das nicht hin, sagt Van Hoof. Denn:"Das Komitee existiert schon seit zehn Jahren, und es wurde bereits eine Menge Arbeit bewältigt. Aber die Medizin entwickelt sich weiter - also müssen auch wir unsere Methoden ständig verändern und adaptieren."
Gibt es zwischen den einzelnen NATO-Staaten, insbesondere zwischen älteren und neueren Mitgliedern, noch nennenswerte Niveauunterschiede, die einer reibungslosen Zusammenarbeit im Wege stehen? Dazu der Inspektor des Sanitätsdienstes der Deutschen Bundeswehr, Karsten Ocker:
"Eigentlich nicht, denn die Medizin ist in der NATO grundsätzlich schon weitgehend standardisiert. Aber wenn Sie so etwas Komplexes wie ein gemeinsames Hospital aufbauen: Jedes Land hat seine eigenen Medikamenten- oder Gerätevorschriften und ähnliches mehr. Da gibt es schon eine Menge zu koordinieren. Aber die Hauptsache bei der ganzen Sache ist, dass wir, die 26 Chiefs of Medical Services, also die Inspekteure der Sanitätsdienste, uns kennen lernen und schnell zum Telefonhörer greifen können, wenn Koordinationen oder Absprachen nötig sind. Wir können das dann sehr schnell persönlich regeln, weil wir uns eben auf diesen Treffen eben sehr gut kennen lernen."
Die Tschechische Republik gehört unter den NATO-Staaten mittlerweile nicht mehr zu den Neulingen: Ende März wurden ja sieben neue Mitglieder in das Bündnis aufgenommen, Tschechien ist - gemeinsam mit Polen und Ungarn - bereits vor fünf Jahren beigetreten und hat sich seither auf manchen Gebieten durchaus einen guten Ruf erarbeitet. Karsten Ocker, Inspektor des Sanitätsdienstes der Deutschen Bundeswehr:
"Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung mit dem tschechischen Feldlazarett in Afghanistan und später mit den tschechischen Ärzten, die in unserem Lazarett mitgearbeitet haben, sagen: Wir hatten eine hervorragende Zusammenarbeit! Die Qualität, mit der wir mit den tschechischen Kollegen medizinisch kooperiert haben, war beispielhaft, und wir würden das zu jeder Zeit gerne fortführen."
Dabei fällt die wirkliche Lieblingsrolle der Tschechen gar nicht so sehr in den allgemein medizinischen Bereich, sondern besteht konkret in der Bekämpfung der Folgen eines Angriffs mit chemischen Kampfstoffen. So bilden etwa Spezialisten aus dem nordböhmischen Liberec / Reichenberg das Herzstück einer Anti-ABC-Waffeneinheit der NATO, die sich im August voraussichtlich am Schutz der olympischen Spiele in Athen beteiligen wird. Das Land hat also sehr gute Voraussetzungen, wenn es darum geht, dringend benötigte Dienste anzubieten, denen noch dazu das positive Image lebensrettender Einsätze anhaftet. Kämpfende Truppen in den Irak? Nur mit einem UN-Mandat oder falls Saddam Hussein Chemiewaffen anwendet. So lautete etwa voriges Jahr die tschechische Linie im Irak-Krieg. Die Tschechen gehörten damit nicht zur so genannten "Koalition der Willigen", und sie wollten auch nicht so recht in irgendein "altes" oder "neues" Europa passen. Dafür betrieben sie ein Krankenhaus im südirakischen Basra, das auch von der einheimischen Zivilbevölkerung dankbar in Anspruch genommen wurde.
In Basra stationiert war auch der Kinderarzt Milos Bohonek. Nun, zurück in Prag, im Militärkrankenhaus Stresovice, erklärt er:
"Jedes Feldlazarett ist aus Zeltmodulen und Containermodulen zusammengesetzt. Die Basis sind die Zeltmodule. Sie bilden den zentralen Korridor, von dem dann die einzelnen Abteilungen abzweigen: Bettenstation, Chirurgie, Ambulanz und so weiter. Die tschechische Armee versucht natürlich, die Ausstattung dieser Krankenhäuser permanent zu verbessern. Daher werden gegenwärtig verschiedene neue Zelte getestet - hinsichtlich ihrer Stabilität und auch hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der man sie auf- und abbauen kann. Und natürlich kommt es auch darauf an, wie pflegeleicht sie sind, wie die Klimatisierung funktioniert, und so weiter."
Gleich daneben, in dem Container mit der Intensivstation, hat inzwischen Michal Onderka der US-Delegation stolz die Ausstattung präsentiert. Imagepflege gehört eben dazu. Auch wenn Image nicht alles ist. Und eine Armee kein Sanitätsdienst.