"Gesichter der Geschichte" - Robert Capas, der große Pionier der Reportagephotographie zeigt in Prag die Tiefen der menschlichen Seele
Wann immer der Name Robert Capa in Verbindung mit der Photographie gebracht geworden war, hielten die Betrachter den Atem an. Erst den spanischen Bürgerkrieg und den Bürgerkrieg in China, später den Zweiten Weltkrieg in Europa. - Der amerikanische Photograph, ungarischer Abstammung hatte immer und immer wieder den Schrecken mit seiner Kamera eingefangen. Doch was die Ausstellungsmacher für die große Capa Photoschau auf den Punkt gebracht haben, ist nicht der Schauplatz der Kriege, sondern die MENSCHEN die ihn erlebten. Zum 50. Todestag Robert Capas in diesem Jahr, zeigt die Stadthalle, Obecni dum in Prag, Capa's großartiges Porträtwerk: "Gesichter der Geschichte". Für den Kultursalon hat sich unsere freie Mitarbeiterin Kristin Schneider die Ausstellung angesehen.
"Wenn deine Aufnahme nicht gut ist, warst du nicht nah genug dran am Geschehen." Mit diesem Satz hatte Robert Capa immer wieder jene Photographenkollegen provoziert, die Kriegseinsätze scheuten. Robert Capa gehörte seit den 30er Jahren zu den Prototypen für mutige Reportagephotographie. Ein aufgeschlossener Boheme, der nicht ein Land, sondern die Welt sein zu Hause nannte. Capa riss seine Motive aus dem Fluss der Geschichte. Selten hatte er den Tod aufgenommen. Ihn interessierte das Leben. Richard Whelan, Capas Biograph aus New York, beschreibt seine Bilder:
"Capa hat nur wenige Photos von Leichen oder Toten im Krieg aufgenommen. Das wichtigste Thema in seiner Arbeit war, die absurden Lebensumstände zu zeigen, in denen die Menschen im Krieg lebten. Diese Nähe zum Individuum hat Capa berühmt gemacht. Die Betrachter haben sich nicht nur für die historischen Ereignisse interessiert. Das war mehr. Capa hat seinen Bildern solche starken Emotionen verliehen, die man als universell bezeichnen kann. Diese Bilder haben einen transzendenten Charakter und sprechen jeden von uns an."
Robert Capa, das war der junge Ungar, der erst für das amerikanische Lifemagazine photographierte und später in New York mit seinen Freunden Henri Cartier Bresson und David Seymor, die berühmte Magnum Photoagentur gründete. Capa liebte das Risiko. Er wurde Kriegsphotograph. Er nahm teil am Bürgerkrieg in Spanien und China, später am Zweiten Weltkrieg in Europa und an Kriegen, die nach ihm folgten. Seine Furchtlosigkeit machte ihm Mut. Doch kostete sie ihm schon in jungen Jahren das eigene Leben, als Capa Mitte der 50er Jahre in Indochina auf eine Miene trat und dabei starb.
Aus über 7000 Photos, die heute Capas Gesamtoeuvre bilden, ist noch bis Anfang Juli in einer verdichteten Auswahl, die Ausstellung mit dem Titel "Gesichter der Geschichte" zu sehen. Sie konzentriert sich auf das Porträtwerk des Photographen. Marta Daho von Magnum Photos Paris erläutert das Konzept:
"Diese Ausstellung 'Gesichter der Geschichte' erzählt das Leben Capas durch seine Bilder. Sie ist chronologisch aufgebaut und beginnt mit Capas allererstem veröffentlichen Photo, ein Porträt von Trotzki in Kopenhagen, über die Massendemonstration der Linken in Paris, den Spanischen Bürgerkrieg, bis hin zu den brodelnden Kriegsschauplätzen in Europa. Die Ausstellung zeigt aber auch Porträts seiner berühmten Freunde und schließt mit Capas letzten Porträts aus Israel und Indochina.
Hunderte von dicht aneinander gereihten schwarz-weiß-Prints führen den Betrachter in einer großartigen Szenographie durch das Photographenleben Robert Capas. Da sind die Porträts von Soldaten vor der Abreise an die Front, Flüchtlingen, Verwundeten, Tätern und Opfern aus allen Teilen der Welt. Es scheint eine kaum messbare Distanz zwischen Photographen und Abgebildeten zu geben, beklemmend nah kommt der Betrachter den Porträtierten. Wie etwa auf dem Photo, wo ein spanischer Kriegsflüchtling kraftlos, abgemagert und traurig Halt an seinem Kontrabass sucht oder ein junger Soldat verängstigt seiner Geliebten in die Augen schaut, immer mit der Furcht, es könnte das letzte Mal sein. Richard Whelan:
"Wir sehen keine Aufnahmen die in einem Studio gemacht werden, wie traditionelle Porträts. Wir sehen Gesichter, wie sie das Leben gekennzeichnet hat. Capa hat diese im Krieg und im Frieden, in vielen verschiedenen Ländern aufgenommen. Er hat die Emotionen der Menschen so nah und eindeutig photographiert, dass uns durch den Anblick dieser Gesichter die geschichtlichen Ereignisse sofort bewusst werden."
Capas Passion war es zu zeigen, wie die Menschen trotz ihrer Angst, immer wieder den Willen entwickelt haben, den Schrecken von Kriegen zu überstehen. Und worüber denken wir nach, wenn wir heute diese Kriegsbilder sehen? Wir denken zuerst an Schock, Mord und Verwüstung von geographischen Landschaften. Haben Kriegsbilder bislang nicht immer als Beweismaterial für Sieg oder Niederlage gedient? Doch wie wir jüngst durch die visuelle Berichterstattung aus dem Irak vor Augen geführt bekamen, fragen nur wenige Berichterstatter nach den Menschen, die diesen Krieg erlebten. Sie werden in den Nachrichten oft nur in Form von Todesziffern erwähnt. Robert Capa hat in seinen Bildern eine sehr persönliche Form der Berichterstattung gewählt: Er dringt in die Tiefe der menschlichen Seele vor.
"Man spürt, dass Capa immer wieder persönlichen Kontakt zu den Menschen gesucht hat. Er hat sich inmitten in die Geschehnisse gemischt, mit den Menschen gesprochen und ihre Gefühle aufgenommen. Er photographierte wenig aus der Distanz."
In der Ausstellung werden neben Hunderten von Capas Gesichtern der Geschichte auch die Magazine gezeigt, in denen Capas Gesichter abgedruckt waren. Was Robert Capas Biograph Richard Whelan und die Pariser Photoagentur Magnum besonders erstaunte, war die profunde Recherche und wissenschaftliche Analyse zu Capas publizistischen Werk, welche die berühmte tschechische Kunsthistorikerin Anna Farova in den 70er Jahren, als erste Robert Capa Biographie in Prag veröffentlichte. Vanda Skalova vom Obecni dum in Prag erläutert:
"Ein sehr wichtiges Detail in der Capa Ausstellung ist, dass er unser Land, die Tschechische Republik besucht hat. Hier hat er seinen Kollegen und Freund Jindrich Marko getroffen und hier ist auch eines der ersten Bücher über Capa im Odeon Verlag erschien. Es schrieb damals die bedeutendste Fotohistorikerin Anna Farova, die mit ihrem Wissen über Capa hier auch in der Ausstellung mitgewirkt hat."
Lange war den Publizisten in Westeuropa und Amerika im Verborgenen geblieben, dass auch die Tschechische Republik, durch Anna Farova, an der Erschließung von Capas Leben und Werk mitgewirkt hatte. Um so mehr hatten, zahlreiche tschechische Kulturschaffende gemeinsam alle Kräfte in Bewegung gesetzt, um Capa, den großen Pionier der Reportagephotographie und Mitbegründer der berühmten New Yorker Photoagentur Magnum für eine Ausstellung in Prag zu gewinnen. Marta Daho, von Magnum Photos Paris nennt diese erste Zusammenarbeit nur den ersten Schritt für gemeinsame zukünftige Ausstellungsprojekte zwischen Prag - Paris - und New York:
"Wir denken, dass es sehr interessant ist, dass dieses Land in die EU eintritt, weil es für uns eine Öffnung und damit die Möglichkeit darstellt, gemeinsame Ausstellungen und Publikationen zu realisieren und das wird nun einfacher sein als vorher."
"Zeige den Menschen, dass du sie magst", sagte Capa immer wieder. Er suchte den Kontakt zu den Menschen und erlebte sie auf eine ganz natürliche Weise. Und so kam er den Menschen nahe, bevor er sie photographiere. In Prag ist Capas Nähe trotz seiner Abwesenheit magisch zu spüren.
Robert Capa. Faces of History - Gesichter der Geschichte. Bis zum 11. Juli 2004. Eine Kooperation zwischen Magnum Photos Paris und der Stadt Prag, organisiert von Artlink und Obecni dum Prag. Ort: Obecni dum. Namesti Republiky 5. Prag 1. Informationen unter : www.obecnidum.cz