Karl Heinz Schommer von der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Prag

In unserer Sendereihe "Heute am Mikrophon" wenden wir uns diesmal einem kirchlichen Thema zu. Gerald Schubert hat sich mit Pfarrer Karl Heinz Schommer unterhalten, der sich in Prag um die deutschsprachige katholische Gemeinde kümmert.

Die deutschsprachige katholische Gemeinde in Prag definiert sich zunächst wahrscheinlich einfach über ihre Mitglieder. Aber welche organisatorischen Strukturen stecken denn da dahinter, und welche organisatorischen Strukturen sind dafür verantwortlich, dass Sie als deutschsprachiger Pfarrer überhaupt hier in Prag sind?

Die Bibel - bible
"Wir sind hier in Prag eine Gemeinde, die keine strenge rechtliche Form hat, sondern eine Personalgemeinde, so wie es das Kirchenrecht formuliert. Sie besteht aus den Katholiken hier in Prag, die Deutsch als ihre Muttersprache sehen. Und so ist diese Gemeinde hier durch Deutsche, Österreicher, Schweizer und andere hier im Lande lebende Deutschsprachige umschrieben. Sie ist wie jede andere Gemeinde - ob es nun eine territoriale Gemeinde ist, die sich mit den Stadt- oder Ortsgrenzen deckt, oder eben eine Personalgemeinde, die aus einer Personengruppe besteht - zunächst einmal eine Gemeinde, die durch den Ortsbischof errichtet wurde. Und so wurde auch ich durch den Erzbischof von Prag, Kardinal Vlk ernannt. Wir erfahren auch Unterstützung durch die tschechische Kirche. Denn als deutschsprachige Gemeinde sind wir eine unter den vielen Gemeinden in der Erzdiözese Prag."

Kommen wir zu den konkreten Aufgaben, die Sie hier zu erfüllen haben. Ich nehme an, es handelt sich um Seelsorge im weitesten Sinne. Aber was tun Sie hier genau? Inwieweit unterscheidet sich Ihre Tätigkeit hier von der Seelsorge in einer Gemeinde in Deutschland oder Österreich?

"Es geht im weitesten Sinne um die Heilssorge für die Menschen. Diesen Auftrag will die Kirche auch bei Menschen wahrnehmen, die im Ausland leben. Ich bin als Pfarrer für diese Gemeinde da. Die alltäglichen Dinge wie Taufe, Erstkommunion, Firmung, Firmvorbereitung, Eheschließung, der Unterricht an der Deutschen Schule, und - besonders an den Wochenenden - die Gottesdienste: Das sind die zentralen Aufgaben. Dazu kommen noch andere spezielle Aufgaben, wie etwa das Pflegen der Kontakte zur tschechischen Kirche. Oder auch hier, in einem Umfeld mit einer Vergangenheit, die auf beiden Seiten Wunden hervorgerufen hat, bei manchen Anlässen die Kirche zu repräsentieren - und darüber hinaus auch noch ein Stück Deutschland."

Sie haben vorher von Leuten gesprochen, die beruflich in Prag sind. Ist das vielleicht ein Punkt, in dem sich Ihre Tätigkeit hier von der in Deutschland unterscheidet? Ich meine damit, dass Sie vielleicht gar nicht so viel Zeit haben, zu den Mitgliedern der Gemeinde eine tiefere Beziehung aufzubauen, weil diese oft nur für ein oder zwei Jahre hier sind und dann wieder nach Deutschland gehen.

"Diese Fluktuation ist ein Faktum, das das Leben des Alltags in unserer Gemeinde prägt. In nur zwei oder drei Jahren bleibt kaum Zeit, um sich angemessen in eine solche Gemeinde zu integrieren. Man ist sozusagen nur auf der Durchreise hier. Aber andererseits ist das auch die Chance für unsere Gemeinde, vielen Menschen ein Stück Heimat zu geben. In einem Alltag, der durch ständigen Wechsel von Sprache, Land und Kultur geprägt ist. Und so bleibt die deutschsprachige Gemeinde, die ja nicht nur hier in Prag präsent ist, für die Menschen oftmals ein Stück Heimat - so wie sie vielleicht schon am vorigen Wohnort ein Stück Heimat war."

Sie haben hier zwar mit Deutschsprachigen zu tun, aber wenn Sie einen Blick auf die tschechische Kirche werfen und auf das, was Sie bis jetzt von ihr kennen lernen konnten: Wie beurteilen Sie denn die Situation Ihrer tschechischen Kollegen hier in Prag?

"Ich glaube, die Kirche hier in Tschechien ist in einer Zeit des Umbruchs. Die Kirche in den westlichen Ländern gewiss auch, aber die hier in einer besonderen Art und Weise: Hier hat die Kirche viele Jahrzehnte lang als starke Kirche im Verborgenen gelebt. Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn mir besonders ältere Menschen von der Lebendigkeit der Kirche erzählen, die unter kolossal schwierigen Bedingungen leben musste. Da gab es etwa Priester, die oftmals im Verborgenen Gottesdienste abhielten. Geheim geweihte Priester, die nach außen hin gar nicht ins Blickfeld treten durften. Heute ist die Kirche in einer anderen Situation. Sie lebt heute in Freiheit und muss sich auch neu definieren. Es ist nicht dazu gekommen, dass sie wieder eine große, starke Kirche geworden ist, die die Mehrheit der Menschen dieses Landes als Mitglieder zählen darf. Aber die Strukturen der Kirche werden sich verändern. Es wird eine Kirche sein, die stark von Überzeugung geprägt ist und in der wirklich nur jene Menschen Mitglieder sind, die auch zu dieser Kirche stehen."

Verraten wir zum Abschluss unseren Hörerinnen und Hörern, wie sie die deutschsprachige Gemeinde in Prag kontaktieren können, sollte sie das Schicksal oder der Wille einmal nach Prag verschlagen. In welchen Kirchen lesen Sie die Messe?

"Unsere Gottesdienste sind in der Regel am Samstagabend um 17 Uhr in der St.-Franziskus-Kirche bei der Karlsbrücke und am Sonntagmorgen um 11 Uhr in der Kirche St. Nepomuk auf dem Felsen. Der Eingang befindet sich an der Ecke Vysehradská - Karlovo námestí."