Aus Leipzig über Hongkong und Moskau nach Prag: Pfarrer Lothar Vierhock
Lothar Vierhock ist vor einigen Monaten Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Prag geworden. Zuvor war der Priester in Moskau und in Hongkong tätig. Martina Schneibergová hat mit Lothar Vierhock gesprochen.
Herr Vierhock, Sie sind im September nach Prag gekommen, um sich als Seelsorger um die deutschsprachige katholische Gemeinde zu kümmern. Mit welchen Erwartungen kamen Sie nach Tschechien?
„Ich bin sehr gerne hierhergekommen, denn Prag kannte ich schon seit einiger Zeit. Ich war zu DDR-Zeiten oft in Prag, denn das war eine der wenigen Möglichkeiten, außer Landes zu kommen. Deswegen liebe ich die Stadt wirklich sehr, und es war eine große Wiedersehensfreude, in Prag zu sein und nun auch drei Jahre hier leben zu dürfen. Ich habe bisher keine großen Erwartungen gehabt, bin aber immer positiv überrascht gewesen: Zum einen über die Freundlichkeit der Menschen, die ich hier vorfand. Zum anderen über die kulturellen Angebote. Und aber auch generell über die wunderbare Stadt. Das bunte Leben hier, all das gefällt mir wirklich riesig. Und auch die Gemeinde selbst, in der ich tätig sein darf, ist sehr schön, ich bin dort sehr gut aufgenommen worden und habe eine große Hilfsbereitschaft erleben dürfen. Ich bin hier also rundherum glücklich.“
Welche Impulse wollen Sie während Ihrer Arbeit in Prag setzen?
„Mein Schwerpunkt wird natürlich das Gemeindeleben sein, dass wir weiterhin gut führen wollen. Die Gemeinde selbst ist sehr aktiv. Wir haben uns vorgenommen, das Spirituelle zu vertiefen, die gerade kommende Fastenzeit gut zu nutzen, und auch die Feiertage schön miteinander zu feiern. Wir wollen uns aber auch im privaten Leben gut vernetzen und einander wirklich helfen können, dadurch, dass wir uns gegenseitig kennenlernen. Das ist ein Punkt, den ich sehr gerne in meine Agenda aufnehmen würde. Ein zweiter Punkt: Ich arbeite auch in der Deutschen Schule in Prag und unterrichte dort mit meiner evangelischen Kollegin gemeinsam Religionsunterricht. Diesen Unterricht würde ich sehr gerne interessant und abwechslungsreich gestalten, mit Exkursionen oder etwa Möglichkeiten, Leute einzuladen, die kompetent über verschiedene Fragen des Glaubens und des Lebens generell berichten können.“
Neben den ständigen Mitgliedern der Gemeinde gibt es vermutlich auch viele Touristen, die vorbeikommen…
„Ja, sicher. Das wundert mich sehr, dass fast die Hälfte der Gottesdienstbesucher am Sonntag – das sind ungefähr 80 bis 90 Menschen – Touristen sind. In der Praxis bedeutet das aber eine gute Gottesdienstgestaltung, eine tolle musikalische Ausgestaltung und anschließend auch das Gespräch, bei dem man sich kennenlernen kann.“
Haben Sie Ihren Vorgänger im Amt kennengelernt?
„Ich habe ihn nur ganz kurz erlebt, als ich hier war, um die Gemeinde und die Stadt etwas kennenzulernen. Das war leider nur eine sehr kurze Begegnung.“
Vor Prag waren Sie in Moskau, wo Sie die dortige deutschsprachige St. Elisabeth-Gemeinde betreuten. Seit wann waren Sie in Russland?
„Ich bin 2017 nach Moskau gekommen, Ende Juli 2023 bin ich ausgereist, mein Visum ist abgelaufen. Es war eine zum Teil schöne Zeit – zumindest die ersten drei Jahre lang. Dann kamen Corona und der Krieg gegen die Ukraine, der unheimlich viel an Vertrauen, Beziehungen und Kontakten zerschlagen hat. Das ist eine sehr traurige Angelegenheit. Die Gemeinde selbst ist sehr klein geworden, viele Diplomaten wurden ausgewiesen, manche Firmen haben zugemacht und ihre Mitarbeiterschaft nach Deutschland oder Österreich zurückbeordert. Manche sind auch aus privaten Gründen aus Russland weggegangen, sodass wir am Ende nur noch eine sehr kleine Community waren.“
Vor Moskau waren Sie als Seelsorger in Hongkong tätig. War das damals Ihre erste Auslandsstelle?
„Ja, das war meine erste Auslandsstelle. 2015 bin ich dorthin gekommen. Das war sozusagen ein weiter Sprung von Leipzig bis nach Hongkong. Es war eine schöne Zeit, natürlich kann man das alles aber gar nicht miteinander vergleichen, denn Deutschland, Hongkong, Moskau und Prag sind ganz anders. Aber es waren immer sehr gute Erfahrungen. Durch die Bank weg bin ich sehr dankbar für die Zeit, die ich in Hongkong verbringen konnte. Auch da hatte ich sozusagen zwei Standbeine: Eines in der deutschsprachigen Gemeinde selbst und das zweite in der German Swiss International School, in der ich unterrichtet habe. Es war eine sehr schöne Zeit. Man stellt sich Hongkong ja immer als Moloch mit großen Hochhäusern vor, aber man höre und staune, dass etwa 50 Prozent der Fläche Hongkongs Grünflächen sind.“
Wie ist es mit der katholischen Kirche in Hongkong? Hatten Sie Kontakte zu deren Vertretern?
„Ja, natürlich. Hongkong war früher britische Kolonie, sodass das katholische Leben in Hongkong sehr gut floriert hat. Es gibt dort katholische Schulen, Kirchen, Krankenhäuser – viele soziale Einrichtungen, die wir auch haben. Zu meiner Zeit war das Leben dort sehr freiheitlich und freizügig. Und natürlich habe ich Kontakte zur katholischen Kirche in Hongkong gehabt.“
Haben Sie die Sprache auch ein wenig gelernt?
„Ja, das ist so mein Fable, die Muttersprache des Gastlandes zu lernen. Ich habe ein wenig Kantonesisch gelernt, aber es ist ein Baby-Kantonesisch…“
Wie war es in Russland mit der Sprache?
„Ich komme aus der ehemaligen DDR, da haben wir Russisch in der Schule gehabt. Das war auch ein Argument meines Vorgesetzten gewesen. Er sagte: ,Du kannst besser russisch als kantonesisch und wir brauchen in Moskau einen Pfarrer.‘ Dann war das ein Überzeugungsargument, doch nach Moskau zu gehen. Aber auch in Moskau habe ich regelmäßig Russisch-Unterricht genommen.“
Und in Prag lernen Sie vermutlich wiederum Tschechisch oder?
„Ich komme gerade vom Tschechisch-Unterricht. Zu einem Small-Talk auf Tschechisch sollte es reichen.“
Arbeiten Sie mit Ihrer Kollegin von der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Prag enger zusammen?
„Ja. Wir kennen uns seit meiner Ankunft in Prag. Sie ist schon länger in Prag gewesen. Wir unterrichten gemeinsam Religionsunterricht an der Schule. Die beiden Gemeinden – die evangelische und die katholische – arbeiten ganz gut zusammen. Wir haben gemeinsame Projekte, ökumenische Gottesdienste, es läuft ganz gut. Der Vertrauensausschuss der evangelischen Gemeinde und unser Pfarrgemeinderat treffen sich regelmäßig, der Austausch funktioniert. Wir planen in diesem Jahr eine gemeinsame Wallfahrt nach Svatá Hora bei Příbram.“
Bereiten Sie sich schon auf die Fastenzeit und das Osterfest vor?
„Noch nicht so ganz. Wir wollen ja die Karnevalszeit nicht ganz vergessen, die ist noch vor Aschermittwoch. Erst dann beginnt die Fastenzeit, da soll es dann etwas spärlicher werden. Wir wollen uns darauf besinnen, was im Leben wichtig ist und nachschauen, wo unsere Abhängigkeiten liegen und worauf wir hingegen gut verzichten können. Dadurch gewinnt das Leben mehr an Tiefe.“