Konferenz: Erstes "FMedia"-Forum in Prag

Medienexperten und Vertreter nicht-kommerzieller Medien aus ganz Europa sind vergangene Woche zu einer zweitägigen Konferenz in Prag zusammengetroffen. Über dieses erste "FMedia"-Forum, zu dem über 100 Teilnehmer angereist waren berichtet Daniel Satra in unserer Senderreihe "Im Spiegel der Medien".

Freie unabhängige Medieninitiativen - ob als Radio, Internetradio oder Internetzeitung. Allen gemeinsam ist: Sie gehören weder zu den Privaten noch zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aus ganz Europa sind vergangene Woche unabhängige Radiomacher und Webberichterstatter auf Einladung des Verbands Freier Radios Österreich nach Prag gereist. Gemeinsam ging es am Samstag mit dem Zug ins österreichische Freistadt. Helmut Peissl vom Europäischen BürgerInnenforum in Österreich über den Stellenwert dieser Konferenz:

"Das ist das erste Treffen dieser Art seit langem beziehungsweise überhaupt das erste Treffen in diesem Ausmaß. Hier sollen nicht nur freie Radios oder Netzinitiativen zusammengebracht werden. Wir wollen auch den ganzen Sektor zusammensetzen und diskutieren: Welche Gemeinsamkeiten gibt es, welche gemeinsamen Ziele, welche gemeinsamen Aufgaben sehen wir?"

Hilfreich ist ein solches Treffen vor allem für tschechische Initiativen, meint Milos Vojtechovský. Er gehörte mit seinem Prager "Center for Contemporary Art" zu den Mitveranstaltern des "FMedia"-Forums. Zwar gibt es laut Vojtechovský mit Internet-Portalen wie "Infoservis" (www.infoservis.net) und "Econnect" (www.ecn.cz) unabhängige Mediendienste auch in der Tschechischen Republik, aber:

"Ihre Zusammenarbeit ist noch nicht sehr optimal. Daher war ein Grund für diese Konferenz, Informationen über Möglichkeiten zusammen zu tragen, und zwar quer zu den thematischen Schwerpunkten einzelner Initiativen. Es ging darum, nach passenden Modellen zu suchen, um den medialen Auftritt von Bürgerinitiativen zu stärken."

Konferenzteilnehmer
Beispiele für gute Zusammenarbeit und eine starke Präsenz freier Medien und Bürgerinitiativen sieht Vojtechovský vor allem in Großbritannien und in Frankreich. Was Hörfunk angehe, liegen Deutschland und Österreich in der Fraktion der Bürgerfunker vorn. Von westeuropäischen Nachbarn lernen, so also auch Idee des Forums. Denn - warnen die Veranstalter: Trotz EU-Erweiterung sind der interkulturelle Austausch und die grenzüberschreitende Kommunikation zwischen Bürgern Europas in benachbarten Regionen gering. In Prag und Freistadt wollten sie daher ein Überlebenspaket für unabhängige Medien europaweit schnüren. Ohne dabei die breite Themenvielfalt der Medienmacher einzuschnüren, wie der Österreicher Peissl betont. Denn Schwerpunkte wie Menschenrechte, Umweltschutz, Feminismus, regionale und lokale Kulturförderung oder Minderheitenradio lassen sich unter einer gemeinsamen Definition vereinigen, sagt er:

"Es geht darum, dass dies Medien sind, die nicht profit-orientiert sind. Es geht darum, dass die Medien aus den Communities heraus entstehen, mit denen sie arbeiten beziehungsweise mit diesen ganz eng zusammenarbeiten. Es geht darum, den offen Zugang zu diesen Medien zu garantieren - jeder soll dieses Medium nutzen können. Und es geht darum, dass freie Medieninitiativen eine ganz wichtige Rolle in der Medienpädagogik spielen und Medienkompetenz vermitteln."

Aus Arbeitsgruppen, die im Mittelpunkt des Forums standen, sollen nun nach und nach Vorschläge für Kooperationen kommen. Radiomacher wollen gegenseitig Programmblöcke austauchen, erfolgreiche Initiativen Neulingen helfen Fördermittel für Projekte zu beantragen. Und auch inhaltlich suchten die Teilnehmer nach Einheit. Milos Vojtechovský:

Konferenzteilnehmer
"Wir Organisatoren haben versucht eine Deklaration zusammen zu stellen, die jedoch bisher noch nicht verabschiedet wurde. Im Grundsatz geht es in dem Text um einen Aufruf an Institutionen des Europäischen Parlaments und der einzelnen Regierungen, mit dem Ziel Bürgerinitiativen im Medienbereich anzuerkennen."

Im Unterschied zu Privaten, sind die freien nicht-kommerziell, frei von Werbung und frei vom Bestreben Geld zu verdienen. Wo aber sehen freie Medienmacher den Unterschied zum gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Mediensektor? Denn immerhin schreiben sich Rundfunkanstalten wie der Tschechische Rundfunk die Verbreitung von Information, Bildung und Kultur auf ihre Fahnen - unter Wahrung der Interessen aller gesellschaftlichen Gruppen. Peissls Antwort:

"Die Öffentlich-rechtlichen - das muss man explizit sagen - stehen einfach in einem ganz harten Konkurrenzkampf um Marktanteile mit den kommerziellen Medien. Das Aufkommen der kommerziellen Fernsehsender und Radios hat die Situation sehr stark verändert. Einerseits stehen die öffentlich-rechtlichen unter Zugzwang auf die Einschaltquote zu achten und andererseits seine Finanzierung aus Gebühren sicher zu stellen, an dieser Stelle werden sie angegriffen. Als Folge kommen Programme unter die Räder, die als Minderheitenprogramme deklariert sind."

Nicht verkürzten Mainstream produzieren, sondern Themen in ihrer Breite und Tiefe aufbereiten, sei eine zentrale Aufgabe freier Medien, sagt er.

Konferenzteilnehmer
"Es ist so, dass es eine zunehmende Gleichschaltung zwischen dem gibt, was von kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Medien vermittelt wird."

Milos Vojtechovský sieht - wie Peissl auch - die politische Dimension von Medienberichterstattung - und: in freien Medieninitiativen die Chance eines gesellschaftlichen Gegengewichts:

"Die Tendenzen kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, sehen wir nicht nur in den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Sondern wir beobachten zum Beispiel in Italien eine sehr ähnliche Tendenz, und dort wehrt sich die Bürgergesellschaft sehr stark dagegen."

Ein Bürgerengagement, das sich Gehör verschaffen will, das eine Meinung vertritt. Das hat Auswirkungen auf Arbeitsweise und Produkt einer Medieninitiative. Die oft politische Nähe der Medieninitiativen und ihrer Journalisten zu ihren Themen sieht Peissl jedoch nicht zwangsläufig als Gefahr. Peissl beobachtet,

"dass die Journalisten aus dem Bereich der freien Medien meistens sehr stark in die Themen involviert sind. Sie bringen also auch sehr viel eigenen Hintergrund mit. Das kann positiv oder negativ sein. Dies bringt einfach andere Sichtweisen ein. Bei uns wird dies unter dem Begriff Komplementär-Medien verstanden. Es ist also einfach ein wichtiger Beitrag zum Meinungsspektrum."

Ein Meinungsspektrum, das weder kommerzielle Medienmacher noch die Öffentlich-rechtlichen abdecken, meint Peissl. Tschechien hat in den vergangenen 15 Jahren seit der politischen Wende erst die Grundlagen für unabhängige Medieninitiativen wie Bürgerfunk geschaffen. Vor allem fehle es an Ausbildungsmöglichkeiten im so genannten dritten Mediensektor, sagt Vojtechovský, der mit seinem Projekt "Radio Jeleni" eine Lern-Plattform bieten will. Ob Jugendliche oder Obdachlose, sie alle lernen hier mit den neuen, den elektronischen Medien moderner Informationsvermittlung umzugehen. Mit Mikrophon, am Schnittpult oder am Rechner. Freie Medienmacher wie der Österreicher Peissl und der Tscheche Vojtechovský arbeiten meist im Kleinen, im lokalen Kontext mit dem Blick fürs Detail. Mit dem "FMedia"-Forum haben sie sich über den Tellerrand hinausgewagt, in eine Welt internationaler Vernetzung. Und das alles mit einem Ziel, sagt Vojtechovský:

"Je größer die internationale Solidarität in diesem Bereich ist, desto größer ist die Hoffnung, dass jemand der politischen Entscheidungsträger helfen wird, diesen Aktivitäten Präsenz zu verschaffen. Meiner Meinung nach hängen die Aktivitäten freier Medieninitiativen sehr eng mit Demokratie und einer pluralistischen Gesellschaft zusammen".