Elektronische Datenbank gegen das Vergessen deutscher Künstler

Deutsche und tschechische Kunsthistoriker wollen gemeinsam eine Internetdatenbank deutscher bildender Künstler erstellen, die im 19. und 20. Jahrhundert in Böhmen und Mähren wirkten, aus politischen Gründen verfolgt wurden und heute weitgehend vergessen sind. Darauf einigte sich die Gesellschaft für deutsche und tschechische Kunst und Kunstgeschichte in Cheb/Eger, die im Rahmen des Festivals Mitte Europa im August dieses Jahres tagte. Mehr dazu von unserer freien Mitarbeiterin Karin Rolle.

Ungewohnt klingen sie, die Namen der deutschstämmigen Künstler, die Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jh.s auf dem Gebiet von Böhmen und Mähren wirkten und 1945 die Tschechoslowakei mehrheitlich aus politischen und gesellschaftlichen Gründen verlassen mussten. Maxim Kopf, August Bremse, oder auch Emil Orlík gehören zu den bildenden Künstlern, die heute weder im tschechischen noch im deutschen kulturellen Gedächtnis verankert sind. Aus der alten Heimat verdrängt und in der neuen Heimat nur schwer fußfassend, sind die Künstler in Vergessenheit geraten, und ihr Werk verschwindet zumeist in den Depots kunsthistorischer Museen.

Dem will die Gesellschaft für deutsche und tschechische Kunst und Kunstgeschichte mit einer Aufarbeitung und Dokumentation der Geschichte entgegenwirken, wie Ivana Thomaschke-Vondráková berichtet:

"Uns interessiert besonders, was mit den deutschstämmigen Künstlern nach 1945 passierte. Manche, wenn sie deutsch-jüdischer Abstammung waren, emigrierten schon in den 30er Jahren, sie gingen ins Ausland: nach Frankreich oder Amerika, wie zum Beispiel Maxim Kopf, der allerdings kein Jude war. Andere verließen die Tschechoslowakei schon früher. Aber eine ganze Menge an Künstlern gehörte zu dem Teil, der die Tschechoslowakei nach 1945 verlassen musste."

Auf die Frage, wie sich die Beziehung zwischen deutschstämmigen und tschechischen Künstlern vor 1945 gestaltete, antwortete Ivana Thomaschke-Vondráková:

"Natürlich wirkten im 19. bzw. Anfang des 20. Jh.s die deutschen neben den tschechischen Künstlern in relativ getrennten Bereichen. Es gab Vereine und Aktivitäten, die die deutschen Künstler vor allem unter sich wahrnahmen. Im Zuge des wachsenden Nationalbewusstseins der Tschechen formierten sich dann tschechische Künstler in tschechischen Vereinen oder Vereinigungen. Aber dennoch beeinflussten sich die Künstler Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jh.s gegenseitig. Sie wirkten an den Akademien der Bildenden Kunst als Professoren. Erst im Zuge von 1945 wurden sie aus dem gemeinsamen Bewusstsein nach und nach verdrängt."

Gegen dieses Vergessen arbeitet die im Jahre 2002 in Cheb/Eger gegründete Gesellschaft für deutsche und tschechische Kunst und Kunstgeschichte an. Bei der diesjährigen Tagung erfolgte der Beschluss, eine elektronische Datenbank zu errichten, die eben jene Künstler verzeichnen wird, die mehrheitlich von den Benesdekreten betroffen waren und die Tschechoslowakei 1945 verlassen mussten. Die Datenbank befindet sich noch im Aufbau. Zunächst werden die entsprechenden Daten gesammelt und Konzepte für ihre Gestaltung erarbeitet. Anfangs wird die Datenbank nur einem Fachpublikum zugänglich sein. Was sich später daraus entwickelt, wird sich zeigen, so Ivana Thomaschke-Vondráková.

Die Gesellschaft für deutsche und tschechische Kunst und Kunstgeschichte reflektiert das heikle Thema der Vertreibung aus ihrer spezifisch kunsthistorischen Perspektive. Sie ist Teil des neueren wissenschaftlichen Interesses an marginalisierten Positionen, die vermehrt zum Sprechen gebracht werden sollen, wie es Michel Foucault umschrieb. Der Gesellschaft für deutsche und tschechische Kunst und Kunstgeschichte gelingt dieses Zum-Sprechen-Bringen in einer Sprache, die nicht ungehört verhallt. Die sich im Aufbau befindliche elektronische Datenbank ist Zeuge davon.