70 deutsche Politiker und Intellektuelle sagen: Schluss mit der Aufrechnung

Die Aussiedlung der Deutschen, 1945

Die deutsche Geste guten Willens - so titelt an diesem Dienstag die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Bezug auf das einen Tag zuvor veröffentlichte Schreiben der deutschen Journalistin Helga Hirsch, das mittlerweile 70 deutsche Politiker, Intellektuelle und, wie die Zeitung schreibt, einfache Deutsche unterschrieben haben. Mehr dazu von Jitka Mladkova:

Vertreibung der Sudetendeutschen
Alle haben etwas gemeinsam: sie stammen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und wollen auf jegliche Klagen verzichten, mit deren Hilfe ein anderer Teil der Vertriebenen eine Entschädigung erreichen will. Dass die, wie es heißt, private Initiative von Helga Hirsch nicht erst als eine Reaktion auf die jüngst artikulierten Reparationsforderungen des polnischen Parlaments zustande kam, hat die Journalistin selbst in einem Telefongespräch mit Radio Prag bestätigt. Ihre Erklärung soll u.a. auch eine Antwort auf die Vertriebenen-Organisation Preußische Treuhand sein, die Klagen in Sachen Entschädigung angekündigt hat. Helga Hirsch wollte sich aber nicht nur an ihre Landsleute wenden:

"Die Erklärung ist vor allem, also in meiner Intention, an die Nachbarn gerichtet. Sie sollen sehen, dass es in Deutschland andere Kräfte gibt als die, die man in Deutschland üblicherweise vermutet und die mit dem angeblichen Wiederaufleben von Revisionismus in verbindung gebracht werden."

Helga Hirsch wünscht sich in diesem Zusammenhang eine breit angelegte grenzüberschreitende Diskussion, die von vornherein den Verzicht auf materielle Forderungen beinhaltet. Sie selbst ist aber auch Mitglied des Kuratoriums des umstrittenen Zentrums gegen Vertreibungen gemeinsam mit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Letztere aber vertritt eine völlig unterschiedliche Position in Fragen der Entschädigung. Worauf sind die krassen Meinungsunterschiede innerhalb eines Gremiums zurückzuführen? Helga Hirsch sagte uns dazu:

"Man kann generell feststellen, dass Frau Steinbach eigentlich nicht die Rolle im BdV spielt, die ihr von Polen und Tschechen zugeschrieben wird. Ich habe es besonders in Polen erfahren. Ich weiß nicht, ob es seinerzeit auch in der Tschechoslowakei so war, aber in Polen waren Czaja und Hubka Symbol des Bösen. Sie wurden in jeder Fernsehnachricht, wenn es um Vertriebenenbelange ging, gezeigt. Diese Tradition, die damals von der kommunistischen Macht aufgebaut wurde, ist auf Frau Steinbach im Gefühl der Menschen übergegangen. Deswegen konnte Polen nicht wahrnehmen, dass Frau Steinbach als Präsidentin des BdV eine Veranstaltung zum 60.Jahrestag des Warschauer Aufstands gemacht hat. Das war sozusagen ein Versuch, das leidende Polen in Deutschland mehr ins Bewusstsein zu bringen. Auch das gehört dazu, dass wir von unseren phantasierten Ängsten, die mit Geschichtsbildern zusammenhängen und deswegen verständlich sind, zu einer realen Beurteilung der Lage kommen."

Soweit Helga Hirsch. Das ganze Gespräch mit ihr hören Sie am Donnerstag in der Sendereihe Begegnungen.