Von Kühen und Vandalen

Foto: Jana Sustova

Die Stadt als Kunstraum. Die Stadt als Freilichtgalerie. Auch in Tschechiens Hauptstadt gibt es bis Ende September interessante künstlerische Ein- und Ansichten. Allerdings hat diese durchaus gut gemeinte, interessante Aktion ihre Schattenseiten. Dazu der folgende Beitrag von Alexander Schneller.

Foto: Jana Sustova
Wissen Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, was Prag und die Schweiz zur Zeit gemeinsam haben? Nun, Sie werden es kaum glauben: Kühe. In der Tat wimmelt Prag derzeit nur so von den urigen Rindviechern. 205 an der Zahl bevölkern sie Altstadt, Neustadt und Kleinseite, ja einzelne Exemplare wurden in Smíchov gesichtet, und sogar auf dem ehrwürdigen Hradschin-Platz weiden sie. Natürlich handelt es sich nicht um richtige Kühe, die Gras fressen und Milch geben. Es sind Kühe aus Kunststoff, bunt bemalt, in verschiedenen Stellungen posierend.

Die Idee, die ursprünglich aus Zürich in der Schweiz stammt, ist inzwischen in 18 verschiedenen Städten realisiert worden. Neben Prag weiden die Viecher in diesem Jahr auch noch in Stockholm, Manchester und Harrisburg (USA). Die Zürcher übrigens ärgern sich heute grün und blau, denn sie haben damals vergessen, ihre Idee zu patentieren. Schon erstaunlich bei einem so finanzbewussten Völklein wie den Schweizern. Neben den Kühen in bunter, manchmal witziger, oft auch skurriler Aufmachung dient auch der Wenzelsplatz zur Zeit als grosses Freilichtmuseum. "Sculpture grande" heisst die Ausstellung unter dem Patronat der Stadt Prag. Auch diese Plastiken und Installationen bereichern momentan die Prager Innenstadt und verleiten die geschäftigen Pragerinnen und Prager oder die kulturbeflissenen Touristen dazu, für einen Moment innezuhalten, sich mit Ungewohntem auseinanderzusetzen oder ganz einfach mit einem Schmunzeln oder Kopfschütteln weiter zu ziehen. Die an sich schöne Idee, Kunst oder was man dafür hält, nicht einfach in geschlossenen Räumen, sprich Museen und Galerien, zu lagern, sondern sie für möglichst viele sichtbar zu machen, gerade auch für jene, die mit der Kunst sonst nichts am Hut haben, diese Idee findet leider hierzulande offenbar nicht überall Beifall. Es geht beileibe nicht darum, dass alle alles wunderschön finden sollen. Aber kürzlich tauchten Plakate auf, auf denen beschädigte und zerstörte Kühe zu sehen waren. Und inzwischen heisst es, dass etwa ein Drittel der Rindviecher in irgend einer Form beschädigt oder ganz zerstört, sozusagen geschlachtet worden sind. Und, das ist besonders bedauerlich, dass das zum ersten Mal überhaupt in einer Stadt passiert ist. Ein zweifelhafter Ruhm für Prag.

Foto: Jana Sustova
Der Schluss, dass die Prager offenbar ein Volk von Kunstbanausen und Vandalen sind, ist allerdings nicht zulässig. Ich denke, dass gerade in dieser Stadt ein ausgeprägtes Kulturbewusstsein herrscht. Leider liegt der Verdacht nahe, dass eher Touristen dafür verantwortlich sind. Aufgepasst: Nicht die Touristen, sondern Touristen. Einige wenige von ihnen, die keinen Respekt und Anstand kennen, die, oft auch alkoholisiert, die Folgen ihres Tuns nicht abschätzen können. Und die denken, dass in einer Stadt des ehemaligen Ostblocks manches erlaubt ist, was man sich zum Beispiel in London oder Brüssel nicht getrauen würde. Solche Beobachtungen macht man leider auch in anderen Zusammenhängen.

Sie aber, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, die Sie noch bis Ende September nach Prag zu reisen gedenken, können die vielfältigen, witzigen und gemütlichen Tiere im Zentrum unserer Stadt weiden sehen. Und das lohnt sich.