"Modernisierung des Sozialstaates in Europa": Vladimír Spidla und Gerhard Schröder präsentierten ihre Vorstellungen
Als der deutsche Kanzler Gerhard Schröder am Montag in Prag zu Gast war, da standen nicht nur Gespräche mit Regierungschef Stanislav Gross und Präsident Václav Klaus auf dem Programm. Denn: Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung und das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum hatten zu einer Konferenz in das Prager Palais Zofín geladen. Thema: Die Modernisierung des Sozialstaates in Europa. Hauptredner der Veranstaltung waren Gerhard Schröder und der tschechische Expremier Vladimír Spidla, designierter EU-Kommissar für Sozial- und Beschäftigungspolitik. Gerald Schubert war vor Ort:
"Das was hinter uns liegt, sind Katastrophen, Revolutionen, schicksalhafte historische Ereignisse. Das, was aber vor uns liegt, kann über die Existenz und die Zukunft der Menschheit als Ganzes entscheiden."
Die europäische Integration sieht der künftige Kommissar als Überwindung der Katastrophen des Zweiten Weltkriegs.
"Das europäische Sozialmodell ist eine Antwort auf die Torheit der damaligen Macht und ist zum Bestandteil unserer Kultur sowie unserer wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit geworden. Es wäre ein grober Fehler zu glauben, dass wir wie durch ein Wunder auf einen Schlag unsere Konkurrenzfähigkeit noch steigern können, wenn wir dieses Sozialmodell verlassen. Das Gegenteil ist wahr."
Spidla ist Sozialdemokrat, die Bedeutung, die er dem gesellschaftlichen Zusammenhalt beimisst, ist daher zunächst kaum verwunderlich. Doch war es gerade er, der sich als Regierungschef immer wieder Vorwürfe aus der eigenen Partei gefallen lassen musste: Er mache zu viele Konzessionen an die konservativen Regierungspartner und verlasse die sozialdemokratischen Ideale, hieß es. Spidlas Antwort: Der Sozialstaat muss reformiert werden. Gerade mit dem Ziel, ihn zu erhalten. Eine Argumentation, die etwa in Deutschland nicht ganz unbekannt sein dürfte. Gerhard Schröder am Montag in Prag:"Wenn wir jenen Teil der europäischen Kultur retten wollen, dann müssen wir ihn verändern. Es geht dabei darum, die sozialen Sicherungssysteme, die in unterschiedlicher Art und Weise aufgebaut worden sind, zu erhalten. Und das wird nur gehen, wenn wir sie an die veränderten ökonomischen Bedingungen anpassen."
Kein leichtes Unterfangen, weiß auch Schröder:
"Wenn Sie Veränderungsprozesse in unseren reichen und wohlhabenden Gesellschaften in Gang setzen, dann werden Sie schnell eine Mehrheit dafür finden, wenn die Veränderungen selber abstrakt bleiben und möglichst Wenige konkret betroffen sind. Aber das geht nicht."
Inhaltlich gab es in den Ansprachen von Spidla und Schröder also nicht viel Neues. Eher ging es um eine gemeinsame und auffallend parallele Positionsbestimmung. Deren Besonderheit mag darin gelegen haben, dass beide Politiker zwar im historischen Kontext sprachen, jedoch nur im Hinblick auf die Zukunft der Sozialpolitik in der Europäischen Union.