Der Adalbert Stifter Verein: Aufmerksamkeit für das tschechisch-deutsche Miteinander
In der nun folgenden Ausgabe der Sendereihe "Heute am Mikrophon" wollen wir uns einem Verein widmen, der schon seit vielen Jahren einen Knotenpunkt im tschechisch-deutschen Beziehungsgeflecht darstellt. Die Rede ist vom Münchner Adalbert Stifter Verein. Gerald Schubert hat mit seinem Geschäftsführer Peter Becher und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Anna Knechtel gesprochen und beide gebeten, den Verein etwas näher vorzustellen.
"Der Adalbert Stifter Verein ist eine Gründung von vertriebenen Deutschen aus Prag und den Sudetenländern und hat sich nach dem Krieg in München formiert. Er ist, das muss man betonen, eine Kultureinrichtung und keine politisch tätige Einrichtung. Was die Mitgliedschaft anbelangt, so ist er ganz offen. Er ist nicht etwa auf Sudetendeutsche beschränkt, sondern er vereint einfach Personen, die im deutsch-tschechischen Kulturaustausch tätig sind. Der Stifter Verein hat ein sehr weites Spektrum. Er ist also nicht im engeren Sinne eine Einrichtung, die das Andenken an den Schriftsteller Stifter wahrt. Das tut er zwar auch - vor allem im nächsten Jahr, wo wir dessen 200. Geburtstag feiern werden - aber im eigentlichen Sinn ist er wie gesagt eine Kultureinrichtung. Das heißt, wir bereiten kulturgeschichtliche Ausstellungen vor oder geben Bände zur Kulturgeschichte Böhmens heraus. Und wir verstehen uns auch als einen Organisator des Kulturaustausches: Wir haben auch Schriftsteller zusammengebracht oder gemeinsame Ausstellungen von Malern organisiert."
Die Ausstellungen des Vereins sind aber nicht nur Kunstausstellungen von tschechischen und deutschen Malern. Sehr oft sind es auch historische Expositionen, sagt Anna Knechtel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Adalbert Stifter Vereins:"Die Ausstellungen, die wir zeigen, die haben wir nicht von anderen Organisationen, sondern wir stellen sie wirklich selbst her. Wir hatten etwa eine über Kunst und Kultur in Theresienstadt - ein sehr trauriges Thema. Momentan haben wir eine Ausstellung, die heißt 'Musen an die Front'. Dabei geht es um die Beteiligung von Künstlern und Schriftstellern an der Kriegspropaganda während des Ersten Weltkrieges. Sie läuft gerade in Tschechien. Momentan ist sie noch in Brünn, dann geht sie nach Austerlitz / Slavkov, und für nächstes Jahr haben wir schon eine Vormerkung in Slowenien. Dann gab es eine wunderschöne Ausstellung über Karikaturen: 'Gleiche Bilder, gleiche Worte.' Da ging es darum, wie Tschechen Deutsche gesehen haben und Deutsche Tschechen. Und natürlich spielen stets auch die Österreicher eine Rolle, denn das kann man ja nicht immer so leicht trennen. Es gibt noch eine Ausstellung, die glaube ich einzigartig ist, nämlich über deutschsprachige jüdische Schriftsteller aus Mähren. Es geht dabei um 26 Personen, von denen die meisten kaum bekannt sind. Die Ausstellung wurde mit viel Erfolg an verschiedensten Orten in Tschechien und Deutschland gezeigt."
Ein wichtiges und prestigeträchtiges Projekt ist schließlich der "Kunstpreis zur deutsch-tschechischen Verständigung", sagt Anna Knechtel. Dieses Jahr, konkret vor etwa zwei Wochen, wurde er zum zehnten Mal vergeben. Radio Prag hat von der Preisverleihung berichtet, Anna Knechtel erklärt nochmals die Hintergründe:
"Dieser Kunstpreis wurde geschaffen, um die Aufmerksamkeit auf das deutsch-tschechische Miteinander zu lenken. Aber eben auf das Gute an diesem Miteinander, und nicht, wie es oft in der Presse passiert, auf die Skandale. Es werden meistens aus einem Bereich zwei Personen ausgewählt: Von der deutschen Jury ein Tscheche und umgekehrt. Diese erhalten, weil uns kein Geld zur Verfügung steht, als Preis ein Kunstwerk. Deswegen der Name Kunstpreis. Dieses Jahr sind das die beiden ehemaligen Außenminister Dienstbier und Genscher, die ja 1989 in Rozvadov / Waidhaus symbolisch den Grenzzaun durchgeschnitten haben. Wir hoffen, damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Viele zu lenken, was gemeinsam getan wird und zum Guten gereicht. Der Preis wurde schon an zwei Schriftsteller verliehen, an zwei Schuldirektoren, an zwei Männer der Kirche, oder an zwei Manager von VW-Skoda für die gute Zusammenarbeit. Ich glaube, da gibt es sehr viele Beispiele, die natürlich immer nur stellvertretend stehen können für ganz viele Andere."
Finanziert wird der Adalbert Stifter Verein zu 100 Prozent von der deutschen Bundesregierung. Ihr ist der Verein auch Rechenschaft schuldig, die Ausgaben werden regelmäßig kontrolliert. In der nun schon fast sechzig Jahre alten Nachkriegsgeschichte der tschechisch-deutschen Beziehungen hat sich gerade in jüngster Zeit vieles zum Positiven geändert. Viel mehr, als die meisten vor dem Fall des Eisernen Vorhangs zu träumen gewagt hätten. Doch gibt es nach wie vor Enttäuschungen, findet Peter Becher, Geschäftsführer des Adalbert Stifter Vereins:
"Ich denke, es gibt durchaus Bereiche, die noch nicht zufriedenstellend gelöst worden sind. Sie kennen ja den Spruch, dass die 'Beziehungen noch nie so gut waren wie jemals zuvor'. In den Beziehungen ist aber immer ein kleiner schwarzer Fleck. Und dieser schwarze Fleck betrifft den Umgang mit der Vergangenheit, oder genauer gesagt, das tschechisch-sudetendeutsche Problem. Ich denke, auf dieser Ebene ist einfach noch ein gewisser Gesprächsbedarf vorhanden, auch die deutsche Minderheit in Tschechien selbst betreffend. Ich bedauere es, dass man eigentlich bis heute keine gemeinsame Sprache gefunden hat, um diese neuralgischen Punkte zu thematisieren. Das ist für mich einfach noch ein Defizit, aber ich habe große Hoffnung, dass wir das in den nächsten Jahren noch irgendwie schaffen werden."
Im sensiblen Beziehungsgefüge zwischen Tschechen und Deutschen versucht der Adalbert Stifter Verein, sich durch seine konkreten Aktivitäten vorschnellen Einordnungen in irgendwelche Schubladen zu entziehen. Immer gelingt das jedoch nicht, sagt Anna Knechtel:
"Also, es ist nicht so, dass wir grundsätzlich in irgendwelche Ecken gestellt werden. Aber sobald wir sagen, dass der Adalbert Stifter Verein 1947 von sudetendeutschen Künstlern, Schriftstellern, Wissenschaftlern und Historikern gegründet wurde, gibt es halt Leute, bei denen die Klappe runterfällt. Einfach aufgrund des Wortes 'sudetendeutsch'. Insofern werden wir da politisiert, wo eigentlich überhaupt keine Politik ist. Es ist nicht unser Metier, Einfluss zu nehmen auf irgendwelche politischen Angelegenheiten. Natürlich sind wir darüber informiert, was in Tschechien über Deutschland oder auch über Sudetendeutsche gesagt wird, und auch darüber, was in Deutschland geschrieben, gesagt und gemacht wird. Aber unsere Aktivitäten betreffen die Kultur, die Geschichte, das Leben der Deutschen in den böhmischen Ländern. Und das natürlich immer im Zusammenspiel mit den Tschechen. Denn beide Kulturen haben sich ja stark überschnitten."