Die unendliche Affäre Koristka - Reaktionen auf die Wahlen in Weißrussland

Proteste weißrussischer Exulanten in Prag (Foto: Asya Tchekanova)

Mit zwei aktuellen Themen beschäftigt sich unsere heutige Ausgabe der Sendereihe "Im Spiegel der Medien". Oliver Engelhardt hat für Sie die tschechischen Zeitungen beobachtet.

Liebe Hörerinnen und Hörer! Es ist eine endlose Geschichte: der Bestechungsskandal um den Abgeordneten der mitregierenden liberalen Freiheitsunion Zdenek Koristka. Dieser hatte behauptet, er sei von Lobbyisten der oppositionellen demokratischen Bürgerpartei ODS bestochen worden. Etwa 300 000 Euro seien ihm angeboten worden, wenn er bei der Vertrauensabstimmung Ende August gegen die neue Regierung stimmt. Koristka stimmte für die Regierung. Ein paar Wochen später trat er mit seinen Korruptionsanschuldigungen an die Öffentlichkeit. Damit beschäftigen sich seither Polizei und Staatsanwaltschaft. Doch dieser Hintergrund ist längst nicht mehr Thema, sondern allenfalls Anlass. Ist er nun bestochen worden oder nicht, das ist längst nicht mehr die Frage. Stattdessen werden in den Medien die Details der polizeilichen Untersuchungen erörtert: die Aussagen Koristkas auf dem Lügendetektor, die Rechtmäßigkeit verschiedener Fahndungsmaßnahmen, das Beziehungsgeflecht von Koristka, den Beschuldigten und den Zeuginnen und die Reaktionen der Politiker. Die nämlich führen hoch emotionale Wortgefechte, kündigen persönliche Konsequenzen an, sollte sich die eine oder andere Behauptung als wahr erweisen.

Die Medien sind in einer unglücklichen Situation: sie sollen Klarheit in die Flut der Informationen bringen, die sie doch selbst mitproduzieren. Die auflagenstarke Tageszeitung Mladá fronta DNES druckte eine Graphik mit Photos von allen Beteiligten der Causa Koristka um die Freundschaften, Arbeitsverhältnisse und ehemaligen Freundschaften zu veranschaulichen. Andererseits heißt es in einem Kommentar der gleichen Zeitung:

"Der Fall Koristka hat eine ähnliche Struktur wie der Planet Jupiter: irgendwo im Inneren ist vielleicht ein sachlicher Kern, aber er wird von einer dicken Schicht klumpigen Nebels verdeckt, so dass es praktisch unmöglich ist, zu ihm vorzudringen"

Das klingt ein bisschen nach Resignation. Aber auch andere Zeitungen kämpfen mit dem Fall. Wenn das Pendel der aktuellen Ereignisse gerade in eine Richtung neigt, beteiligt man sich gerne selbst an dem Spielchen, Schuldige zu suchen. So schreibt die Zeitung Lidové novinyüber den Polizeipräsidenten Jirí Kolár:

"Als er im Fall Koristka eine lehrlingshafte Unkenntnis des Strafrechts an den Tag legte und meint, der Staatsanwalt sei nicht dazu da, die Beweise zu bewerten, lieferte er uns ein hervorragendes Beispiel, mit welchem Rechtsverständnis Ministerpräsident Dr. jur. Gross Leute in wichtige Positionen beruft."

Wenn das nur nicht etwas zu einfach ist, nach dem Motto: im Zweifelsfall liegt die Schuld ganz oben. Aber der Ansatz führt in eine interessante Richtung. Die intellektuelle Wochenzeitung RESPEKT titelt: "Wende im Fall Koristka: jetzt geht es um die Unabhängigkeit der Justiz". Auch hier steht das Vorgehen der Polizei im Vordergrund. RESPEKT schreibt

"Die Tschechische Republik ist immer noch ein Rechtsstaat, in dem Sicherungsmechanismen und die Kontrolle der Polizei funktionieren. Denn wenn in dem Fall eine Warnung steckt, dann ist es der Hinweis auf die Willkür der Ermittler".

Wegen Aussagen des Polizeipräsidenten Kolár, in denen er das Abhören von Telefongesprächen als gängige Praxis bezeichnet, die man sich, so man ein reines Gewissen hat als Bürger gefallen lassen müsse, hat am Freitag Präsident Klaus den Innenminister auf die Burg zitiert. Ein Ende des Falls Koristka ist also noch lange nicht in Sicht.

Proteste weißrussischer Exulanten in Prag  (Foto: Asya Tchekanova)
Ein weiteres großes Thema war in den tschechischen Zeitungen Weißrussland. Dort hatten am vergangenen Wochenende Wahlen und zugleich ein Verfassungsreferendum über eine dritte Amtszeit des autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko stattgefunden. Aktuell wurde dies in Tschechien durch Proteste weißrussischer Exulanten in Prag sowie durch scharfe Proteste von Ex-Präsident Václav Havel im Rahmendes Forums 2000, das dem Thema Bürgergesellschaft gewidmet war.

In der Wochenendausgabe der Zeitung Lidové noviny, also gewissermaßen parallel zu den Wahlen in Weißrussland, schreibt die Korrespondentin Petruska Sustrová aus Minsk:

Proteste weißrussischer Exulanten in Prag  (Foto: Asya Tchekanova)
"Ursprünglich sind über hundert oppositionelle Kandidaten zu den Wahlen angetreten, aber wie viele es jetzt sind, weiß niemand, weil die Behörden jeden Tag die Kandidatur von einigen streicht, zum Beispiel weil er durch ein zugestecktes Flugblatt Wahlagitation betrieben habe. Wenn Sie sich fragen, wie es möglich ist einen Kandidaten gegen seinen Willen während der Wahl von der Liste zu streichen, bekommen Sie zwei Antworten: Die behördliche heißt: Er hat das Wahlgesetz verletzt. Aber die Leute aus der bürgerlichen Opposition sagen Ihnen einstimmig: unter Lukaschenko ist in Weißrusland alles möglich."

Am Tag nach der Wahl in Weißrussland erschien in der Wirtschaftszeitung Hospodárské noviny ein Kommentar aus dem deutlich der Zynismus spricht:

"Man merkt einen Unterschied bei den Reaktionen der Weißrussen, wenn das Staatsoberhaupt genannt wird. Einst haben sie ängstlich den Kopf eingezogen. Das war fast wie wenn man von 'du weißt schon wem' spricht. Dann haben sie gelernt seinen Namen auszusprechen. Für viele ist er kein Diktator mehr, sondern ein Wohltäter. Der Staat (und Lukaschenko) gibt Euch alles: Arbeit, Waren, Essen. Der Staat (und Lukaschenko) kümmert sich um Bildung, Zuzahlungen, Renten. Der Staat (und Lukaschenko) gibt Euch Unterhaltung - zum Beispiel Fernsehen mit Wahlprogramm. Fast eine Utopie. Wenn da nur nicht diese Gedanken aufkämen ..."

Die linksgerichtete Tageszeitung Právo schreibt am vergangenen Dienstag in einem Kommentar:

Proteste weißrussischer Exulanten in Prag  (Foto: Asya Tchekanova)
"Wenn die Weltpresse die Wahlen in Weißrussland sozusagen einmütig als 'Parodie' bezeichnet, ist das nicht ganz korrekt. Die manipulierte Erneuerung des dortigen Marionettenparlaments und das so genannte Referendum über eine faktische Verewigung des Autokraten Lukaschenko an der Macht sind doch eher zum Weinen. Aber die westliche Zivilisation, zu der die regimetreuen weißrussischen Dörfer noch nicht gehören, hat auch vor ihrer eigenen Haustüre zu kehren. [...] Das Desinteresse an der bürgerlichen Partizipation bei der Wahl von Senatoren oder Abgeordneten oder Europa-Parlamentariern einfach gesagt irgendwelchen Vertretern, verbreitetet sich wie ein Schimmelpilz und wir gewöhnen und daran."