CDU-Vorsitzende zu Besuch in Prag

Angela Merkel (Foto: CTK)

Die Präsidentenwahl in den USA ist weltweit das Thema Nummer Eins, das manch anderes Ereignis in dem einem oder anderen Land überschattet oder gar in den Hintergrund rücken ließ. Dies galt am Mittwoch zumindest für die Tschechische Republik und den Besuch der deutschen CDU-Chefin Angela Merkel. Am Donnerstag sind in der Berichterstattung der tschechischen Medien kaum Informationen über ihren Pragaufenthalt zu finden. Mag sein, dass man auf dieses Thema, das normalerweise Pressekommentare zumindest in den größten Zeitungen hierzulande wert wäre, mit etwas Verspätung eingehen wird. Immerhin, Radio Prag hat Merkels Visite in Prag nicht außer Acht gelassen. Jitka Mladkova berichtet:

Angela Merkel  (Foto: CTK)
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, "die potentielle Kanzlerkandidatin für die nächsten Wahlen in Deutschland", was ihr hierzulande im Vorfeld ihrer Visite fast immer als Attribut angehängt wurde, hatte ein reichhaltiges Programm in Prag. Außer den Treffen mit Premier Stanislav Gross, Außenminister Cyril Svoboda und den Parteichefs der Christdemokraten (KDU-CSL) sowie der Bürgerdemokraten (ODS), Miroslav Kalousek und Mirek Topolanek, absolvierte Frau Merkel auch eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete Begegnung mit tschechischen und deutschen Diplomaten, Politikern, Journalisten und anderen geladenen Gästen. Bei dieser Gelegenheit hielt sie eine Grundsatzrede zum Thema "Die Zukunft in der Europäischen Union". In dieser ging sie auf viele Themen ein, die derzeit sowohl in Deutschland als auch in Tschechien mehr oder weniger kontrovers diskutiert werden. In Bezug auf das zentrale Motto ihres Vortrags wie auch im Hinblick auf die jüngst von 15 auf 25 Länder erweiterte EU formulierte Angela Merkel die Hauptdevise des Vereinigungsprozesses: Europa müsse eine Wertegemeinschaft werden. Man dürfe jedoch nicht bei Werten wie z.B. beim Euro, also im fiskalischen Bereich, bleiben. Es gehöre auch dazu, einen Teil der eigenen Souveränität abzugeben. Gerade dieser Punkt stößt in Tschechien auf mangelnde Zustimmung und nicht selten auch Unmut bei oppositionellen Politikern. Angela Merkel ist diesbezüglich auf dem Laufenden, war aber nicht konkret in ihren Äußerungen:

"Ich plädiere für ein klares Grundgerüst, über das wir uns einig sind, und da gibt es natürlich Spannungen. Wenn ich z.B. mit unseren Freunden von der ODS diskutiere, dann ist sozusagen die Frage, was national verankert werden soll, stärker ausgeprägt, als manchmal vielleicht die Frage der Zweckmäßigkeit. Man gibt im Prinzip ungern etwas ab, weil man Sorge hat, dass man, wenn man es einmal weggibt, es nicht wieder so gut wieder bekommt. Und über solche Sorgen müssen wir, finde ich, sprechen. Sonst kriegen wir Europa nicht voran."

Die EU als eine Gemeinschaft, die auf gemeinsamen, auch ideellen Werten aufgebaut ist, gilt als ihr langfristiges Ziel. So der Tenor von Merkels Rede. In diesem Sinne reagierte sie auch in der anschließenden Diskussion auf die Anfrage: Sind wir dann nicht zu alt, wenn Europa vereint ist?

Stanislav Gross und Angela Merkel  (Foto: CTK)
"Wir sind dann bestimmt schon alt. Das Ziel definiert sich immer neu. Ich glaube, dass Europa nicht die Auflösung der Nationalstaaten als Ziel haben kann. Das ist für mich kein Ziel. Es wird immer Nationalstaaten geben. So wenig, wie ich daran geglaubt habe, dass sich alle Klassen in einer Gesellschaft auflösen werden, dass irgendwann auf wundersame Weise der Bauer zusammen mit der Arbeiterklasse verschwindet, und sich alles im wissenschaftlichen Kommunismus sozusagen auflöst. Das haben wir alle mitgekriegt, dass daraus nichts wird. Deshalb glaube ich, dass der Nationalstaat weiter bestehen wird, die EU wird bestehen, doch die Welt wird sich verändern, und wir müssen immer so darauf reagieren, dass wir gemeinsam erfolgreich sind. Also der Weg ist schon auch ein Stück das Ziel. Wir dürfen nicht erwarten, dass mit dem Ende unseres Lebens auch dieser Weg beendet ist."

In der Diskussion mit Angela Merkel kamen auch andere Themen zur Sprache, darunter das in einigen alten EU-Ländern kritisierte Steuer- und Lohngefälle in Richtung der neuen EU-Mitglieder. Merkel hat die EU-weite Steuerharmonisierung abgelehnt, für die einen Tag zuvor der französische Finanzminister bei seinem Besuch in Prag plädierte. "Allgemein muss doch Interesse bestehen", so die CDU-Chefin wörtlich, "dass Tschechien oder die Slowakei schnell auf die Beine kommen und nicht auf Transferleistungen angewiesen sind." Angela Merkel sprach sich in Prag für das Weiterbestehen des Tschechisch-Deutschen Diskussionsforums auch nach dem Jahr 2006 aus, das auf der Grundlage der 1997 unterzeichneten Tschechisch-Deutschen Deklaration zustande kam. Ihre Partei unterstütze den gemeinsamen Blick in die Zukunft, sagte sie.