In Tschechien laufen Wehr- und Zivildienst zum Jahresende aus

Der Countdown läuft: Noch genau drei Wochen verbleiben, in denen die Tschechische Armee auf die Dienste von Wehrpflichtigen und der öffentlich-soziale Bereich auf die Unterstützung von Zivildienstleistenden zurückgreifen kann. Warum das so ist, dazu mehr im folgenden Beitrag von Lothar Martin.

Stellen Sie sich vor: Sie sind jung, möchten ein Studium beginnen und haben einen lukrativen Job vor Augen. Doch dann flattert Ihnen die Nachricht mit dem Einberufungsbefehl ins Haus. Dann haben Sie mitunter zu tun, um all Ihre Pläne und Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. Eine Sorge, die junge Tschechen inzwischen nicht mehr haben. Denn kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember, werden hierzulande die letzten Wehrdienstleistenden entlassen, um einer Berufsarmee zu weichen, die am 1. Januar 2005 offiziell gegründet wird. Anhand einer im Herbst vom tschechischen Parlament verabschiedeten Regierungsvorlage wird damit nach fast 140 Jahren die Wehrpflicht in den böhmischen Ländern aufgehoben.

"Die personelle Auffrischung der Streitkräfte in Friedenszeiten wird nur auf freiwilliger Grundlage von nachrückenden Berufssoldaten oder von Soldaten aus der so genannten aktiven Reserve erfolgen. Die Aufstockung der Streitkräfte aufgrund der Verpflichtung zur Landesverteidigung, die als solche erhalten bleibt, ist vom Gesetz nur dann vorgesehen, wenn es zu einer Bedrohung des Staates oder zum Kriegszustand kommt."

Mit diesen Worten hat Verteidigungsminister Karel Kühnl Anfang November im Prager Senat deutlich gemacht, worin die neue Qualität der Landesverteidigung nach Abschaffung der Wehrpflicht und Einführung einer vollständigen Berufsarmee zu sehen sei. Nach abgeschlossener Professionalisierung wird diese Armee aus 35.000 Männern und Frauen bestehen - aus 26.200 Soldaten und aus 8800 Zivilangestellten. Bereits im vergangenen Jahr wurde die personelle Stärke der Tschechischen Armee von 61.316 Mann auf 44.100 abgespeckt. Darunter befanden sich bereits 20.000 Berufssoldaten.

Bei der dem Beschluss zur Abschaffung der Wehrpflicht vorausgegangenen Parlamentsdebatte hat Senator Jirí Pospisíl unter anderem erwähnt, dass die Armee der damaligen Tschechoslowakei Anfang der 90er Jahre aus 200.000 Soldaten und mehreren tausend Panzern bestanden habe, mehr als Frankreich und Deutschland zusammengenommen. Die von Abgeordnetenhaus und Senat getroffene Entscheidung nannte er daher einen historischen Augenblick bei der Gewährleistung der Landesverteidigung. Zwölf Monate betrug zuletzt die ungeliebte Wehrpflicht. An ihre Stelle tritt die neue Berufsgruppe des Militärs, der im In- und Ausland Frieden stiften und die Einhaltung von Ordnung und Sicherheit durchsetzen soll.

Nach dem 22. Dezember wird es auch keinen Zivildienstleistenden mehr in Tschechien geben. Die entstandene Lücke, die durch die gleichzeitige Abschaffung des Wehrersatzdienstes entstehen wird, soll Arbeits- und Sozialminister Zdenek Skromach zufolge aus dem Heer der über 500.000 Arbeitslosen geschlossen werden.