Kontroverse Kunst: Leni-Riefenstahl-Ausstellung in Prag eröffnet
Unpolitisch bis zur Schmerzgrenze, stets nur am Schönen interessiert: Bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 hat die Fotografin und Dokumentarfilmerin Leni Riefenstahl einen Mythos um ihre Person gestrickt. Daher der Name "Mythos" für eine Ausstellung, die am Freitag in Prag eröffnet wurde. Mit über 400 teilweise bislang unveröffentlichten Fotos will sich die Schau in der Leica-Gallerie der Person Leni Riefenstahl und der Ästhetik ihrer umstrittenen Kunstwerke annähern. Anne Lemhöfer und Menno van Riesen haben für Radio Prag die Vernissage besucht.
Es ist die erste Ausstellung über Leni Riefenstahl, nachdem sie 2002 im Alter von 101 Jahren verstarb. Zum ersten Mal bietet sich dem Besucher daher eine unverzerrte Sichtweise auf ihr lebenslanges künstlerisches Schaffen. Denn zuvor konnte sie mit darüber entscheiden, was ausgestellt werden durfte und was nicht. Als einer der ersten Besucher sah sich Michael Libal, deutscher Botschafter in Prag, die Schau an.
"Die Ausstellung erscheint mir ganz hochinteressant, weil auch vieles offensichtlich bis jetzt nicht bekanntes Material dort enthalten ist, und eben nicht nur, was sie geschaffen hat, sondern auch Dinge, die sie als Person und letztendlich doch auch als politische Person betreffen."
Chronologisch reihen sich die Aufnahmen, originalen Schriftstücke und Zeichnungen. Stets sind die Arbeiten von Leni Riefenstahl in den historischen Kontext gestellt. Ihre Laufbahn beginnt sie als Tänzerin. Es folgen Ausschnitte von ihr als Werkfilmstar. Die Ausstellungs-Kuratoren Peter Reichelt und Ina Brockmann wollen aber auch Riefenstahls Rolle als Propagandafilmerin der Nationalsozialisten schonungslos dokumentieren. Dazu Jana Bömer, die Direktorin der Leica-Gallerie:
"Was ich ganz wichtig finde, ist das Dritte Reich, die Bilder von ihr, die nie veröffentlicht wurden von ihr, die sie nie freigegeben hat, das sind Bilder, wo man genau sieht, wie nah sie Hitler stand, wie mitten im Geschehen sie war, dass sie bei ihm zu Hause war, auf der Terrasse, mit Göbbels, mit wichtigen Leuten, und das, was sie in ihren Memoiren immer bestritten hat.""Realität interessiert mich nicht". Gewiss mag dieser Ausspruch von Leni Riefenstahl zu ihrer eigenen Legendenbildung beigetragen haben. Mit ihren spektakulären Aufnahmen bei den olympischen Spielen 1936 setzt sie bis heute in der Sportberichterstattung einen Meilenstein. Bis ins hohe Alter blieb sie künstlerisch aktiv. So machte sie unter anderem drei Reisen nach Afrika. Mit ihren anmutigen Fotografien des legendären Nuba-Stammes schaffte sie es 1969 auf das Titelblatt des Stern-Magazins. Am eigenen Mythos strickte sie vom Beginn ihrer Karriere an. Jana Bömer:
"Gerade hier stehen wir in der Olympia-Sektion, und bis heute werden diese Bilder gehandelt als Leni-Riefenstahl-Bilder, und z. B. diese Bilder sind gar nicht von ihr gemacht worden, das sind alles andere Fotografen, nur nicht sie. Und deswegen Mythos, weil sie ihn aufrechterhalten hat, eine Lüge, ein Bild von sich selbst. Diese Bilder werden heute in teuren Galerien verkauft mit ihrer Unterschrift, die sie selbst angeblich nur eingescannt hat von Büchern, weil sie nicht mal Negative davon hat."
Die Wanderausstellung "Mythos Leni Riefenstahl" ist noch bis zum 6. Februar 2005 in der Leica-Gallerie Prag, Narodni Trida 20, zu sehen. Im September hatte sie in Wedel bei Hamburg Premiere. Die nächsten Stationen sind Ljubljana, Wien, Erfurt, Koblenz und Berlin.