Der Staat bin ich die Stiftung NROS gibt jungen Menschen Platz für ihre Ideen

Foto: www.klub-net.org

"L'etat c'est moi" - der Staat bin ich. Einst eine absolutistische Vermessenheit, heute eine Wahrheit, die aber viele nicht erkennen wollen: Der Staat, das bin auch ich. Und so fehlt es oft an dem für eine Gesellschaft lebenswichtigen Engagement des Einzelnen für die Belange der Allgemeinheit. Das Problem betrifft alle europäischen Länder, in den ehemals kommunistischen Staaten hat es aber eine besondere Note, denn hier waren die Menschen über Jahrzehnte daran gewöhnt, dass der Staat alles für sie macht - und sie nichts ohne den Staat machen können. In Tschechien will die Stiftung zur Entwicklung der Bürgergesellschaft daher vor allem junge Menschen an gesellschaftliches Engagement heranführen. Eines der Instrumente ist das Programm Klub-net. Thomas Kirschner sprach mit Organisatoren und Teilnehmern.

Gesellschaftliches Engagement - das ist anstrengend, langweilig, sinnlos und hat mit meinem Leben nichts zu tun. Die Prager Stiftung NROS möchte zeigen, dass diese verbreitete Haltung nicht stimmt und dass man nur davon profitieren kann, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. NROS-Mitarbeiterin Vera Zemanova stellt die Stiftung vor:

"NROS ist die Abkürzung der Stiftung zur Entwicklung der Bürgergesellschaft (Nadace rozvoj obcanske spolecnosti). Die Stiftung existiert seit 1993. Im Zentrum der Arbeit steht der Bürger und man versucht, die Verantwortung des Bürgers gegenüber der Gesellschaft zu stärken und auch die Partizipation der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten zu unterstützen. Es werden dabei nicht einzelne Personen unterstützt, sondern nichtstaatliche Organisationen, die sich gerade für solche Angelegenheiten einsetzen."

Die Stiftungsarbeit wendet sich nicht zuletzt an junge Leute, denen damit so früh wie möglich Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu engagieren und eigene Ideen zu verwirklichen.

"Das ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von NROS. Eines der wichtigsten Ziele ist die Unterstützung der Partizipation von Jugendlichen. NROS organisiert zurzeit zwei große Programme für Jugendliche - das Programm ´Make a connection´ und ´Klub-net´, das trinationale Schülerklubprogramm."

Während "Make a connection" Initiativen junger Leute unterstützt, die darauf gerichtet sind, ihr Lebensumfeld selbst zu gestalten und Mitmenschen zu helfen, ist das Klub-net Programm auf Schüler und Schulen zugeschnitten. Hier sollen Jugendklubs gegründet und gefördert werden, um damit den Schülern eine Plattform für eigene Aktivitäten zu geben. Wie solch ein Klub konkret aussehen kann, erklärt die Schülerin Irena Smetanova vom Klub SPIRALA in Moravske Budejovice / Mährisch Budweis.

"Das ist ein Ort, an dem sich die Schüler in ihrer Freizeit treffen können und an dem verschiedenen Aktivitäten stattfinden. Wir haben zum Beispiel einen Debattierklub, einen Filmzirkel und eine Geschichtswerkstatt - eben einfach ein Klub, der sich nach den Interessen der Schüler richtet und für sie interessante Aktivitäten organisiert."

Die Stiftung NROS bietet den Klubs Hilfe bei der Organisation, eine Kommunikationsplattform im Internet und nicht zuletzt finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von Ideen. Inhaltlich sind dabei keine Grenzen gesetzt, erläutert die Sozialpädagogik-Studentin Lucie Bilderova, die einen Jugendklub in Usti nad Labem / Aussig geleitet hat.

"Es ist wichtig, was die Schüler in dem Klub machen wollen. Unser Klub war stark auf Soziales orientiert, da er an eine Fachschule für das Sozialwesen angegliedert war. Wir haben zum Beispiel Nachhilfeunterricht in Tschechisch für Kinder aus der Ukraine organisiert, die in Usti nad Labem wohnen, und dann gab es noch viele andere Aktivitäten."

So früh wie möglich sollen die Jugendlichen damit lernen, dass ihre Ideen wichtig sind und dass auch sie in ihrem Umfeld etwas gestalten und bewegen können. Das Programm Klub-net, das es in gleicher Form auch in Deutschland und Polen gibt, hat aber noch eine weitere Komponente: Jugendklubs aus verschiedenen Orten und verschiedenen Ländern sollen zusammengebracht werden, um gemeinsame Aktivitäten und Projekte zu organisieren. Einmal im Jahr gibt es zu diesem Zweck ein gemeinsames Treffen. Im Vordergrund steht dabei der Kontakt zu Jugendlichen aus den Nachbarländern, zugleich sind aber bei der Umsetzung eines Vorhabens auch komplexe organisatorische Aufgaben zu bewältigen. Die 17jährige Irena Smetanova aus Moravske Budejovice hat mit ihrem Klub SPIRALA bereits mehrere Projekte gemeinsam mit deutschen und polnischen Klubs durchgeführt.

"Unser erstes internationales Projekt war eine Fotoausstellung, die wir in Zusammenarbeit mit einem polnischen Jugendklub Anfang Juni bei uns in Moravske Budejovice im Städtischen Kulturzentrum veranstaltet haben. Unser letztes Projekt war "ALF - Aqua Life Free", an dem sich noch zwei polnische und eine deutsche Schule beteiligt haben. Ziel war es, das Wasser von allen Seiten kennen zu lernen - die Art, wie man mit Wasser arbeitet, sein Gebrauch und so weiter. An diesem Projekt haben sich fünfzehn Schüler von unserer Schule beteiligt."

Nicht nur die Schüler, auch Schulen und Lehrer lernen bei solchen Projekten dazu, denn nicht selten müssen sie erkennen, dass in den Schülern weit mehr steckt, als im normalen Schulalltag zum Vorschein kommt. Die Effekte, die eine solche Förderung hat, sind vielfältig, betont die Leiterin des Klub-net-Programms bei der Stiftung NROS, Vera Zemanova.

"Ziel des Programms ist es, ein Netzwerk von Schülerklubs zu schaffen, die zusammenarbeiten. Andererseits werden die Jugendlichen damit in ihrer Freizeitgestaltung unterstützt und erhalten die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen zu verwirklichen - das ist die Hauptidee. Eines der weiteren Ziele des Programms ist auch, die Öffnung der Schule gegenüber der Kommune zu erreichen sowie die Zusammenarbeit der Schule - und das heißt auch der Jugendlichen - mit anderen Institutionen in der Stadt zu fördern. Und schließlich will man auch das Verhältnis zwischen den Lehrern und den Jugendlichen verbessern."

Während die Stiftung NROS das Programm Klub-net in Tschechien betreibt, werden die finanziellen Mittel von der Robert Bosch Stiftung aus Deutschland bereitgestellt, die sich u.a. für Völkerverständigung und Demokratieförderung in den Ländern Mittel- und Osteuropas einsetzt, aber auch für die Förderung der deutschen Sprache und Kultur. Nebeneffekt ist daher, dass die Lingua franca in den internationalen Projekten von Klub-net Deutsch ist, wenngleich sich die Jugendlichen untereinander natürlich auch auf Tschechisch, Polnisch oder Englisch verständigen. Immerhin bietet Klub-net somit eine Möglichkeit, die deutsche Sprache in Tschechien aus dem Käfig des Schulunterrichts herauszulösen, findet auch die Programmleiterin Vera Zemanova.

"Es existieren nicht viele Programme für Jugendliche, die auf Deutsch laufen, und wir denken daher, es ist eine gute Gelegenheit für Schüler, die an Deutsch interessiert sind, auch etwas in dieser Sprache zu machen."

Klub-net, das bedeutet neue Freunde dies- und jenseits der Grenzen, vielfältige Eindrücke und vor allem die Erfahrung, dass es Spaß macht, gemeinsam mit Partnern etwas zu gestalten und dass man mit seinem Engagement viel erreichen kann. Das gilt für die internationalen Projekte genauso wie für die alltäglichen Aktivitäten in den einzelnen Klubs.

"Schon diese lokale Arbeit der Klubs ist eine sehr gute Sache, und wenn man es schaffen würde, dass an mehr Schulen in der Tschechischen Republik solche Schülerklubs entstehen, würde uns das wirklich freuen."

Nicht zuletzt, weil diese Klubs noch mehr jungen Menschen in Tschechien Mut machen würden, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung zu beteiligen, so dass bald noch mehr Jugendliche ganz im Positiven sagen können: Der Staat, das bin (auch) ich.

LINKS

www.klub-net.org

www.nros.cz