Tschechische Regierungskrise: Premier Gross gerät weiter unter Druck
Ein gutes halbes Jahr amtiert der Parteivorsitzende der hiesigen Sozialdemokaten, Stanislav Gross, als tschechischer Ministerpräsident. Mit seinen 35 Jahren ist er der jüngste Regierungschef unter den 25 EU-Mitgliedsstaaten. Doch auf Grund der Affären, die mit seiner Person in Verbindung gebracht werden, drängt sich immer mehr die Frage auf: Wird er es auch noch am Ende dieser Woche sein? Über die neuesten Entwicklungen in der anhaltenden Koalitionskrise informiert Sie Lothar Martin.
Auch der bekannte Politologe Rudolf Kucera führt Gross vor Augen, dass die entstandene Situation schon längst nicht mehr seine persönliche Auseinandersetzung mit Christdemokratenchef Miroslav Kalousek sei:
"Ich denke, dass er sich zurzeit noch nicht ganz des völligen Ausmaßes seiner Situation bewusst ist. Einer Situation, wie sie die Gesellschaft sieht, und die weitgehende Auswirkungen hat sowohl für seine Partei als auch für die Koalition. Daher denke ich, wenn sich Gross dessen bewusst werden wird, dann wird er einsehen, dass es sich hier nicht um eine gezielte Kampagne gegen ihn handelt, sondern es leider nur um die Folgen davon geht, was er und seine Familie an Fehlern gemacht haben."
Dem kann der ehemalige Präsident Vaclav Havel nicht ganz zustimmen. Havel ist vielmehr besorgt über das Erscheinungsbild der tschechischen politischen Szene als solcher:"Mich ärgert es natürlich, dass es so bestellt ist um unsere Regierungsriege. Was mich aber vor allem befremdet, ist der Hang zu vielen eigenständigen Kampagnen. Wenn jemand bei uns der populärste Politiker ist, dann wird ihm zum Beispiel vor das Schienbein getreten, egal, ob er etwas getan oder nicht getan hat."
Auf dem für Mittwoch anberaumten Treffen der führenden Koalitionsvertreter wird voraussichtlich eine Entscheidung darüber fallen, ob das Kabinett Gross in derselben Zusammensetzung weiterregieren wird oder ob es strukturelle bzw. personelle Veränderungen innerhalb der Regierungskoalition geben wird.