Rückkehr zur Sachpolitik? Gross präsentiert "Gesellschaftsvertrag"

Stanislav Gross (Foto: CTK)

Am vergangenen Wochenende hat der krisengeplagte tschechische Regierungschef Stanislav Gross acht Punkte präsentiert, die in der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode auf der Agenda des Kabinetts ganz oben stehen sollen. Dass es diese simple Aufzählung von Regierungsprioritäten am Montag gleich auf die Titelseiten der meisten Tageszeitungen geschafft hat, das liegt wohl an der Benennung dieses Themenkatalogs: "Gesellschaftsvertrag" hat Gross ihn getauft. Mehr dazu von Gerald Schubert:

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Premierminister Gross will die Verschnaufpause offensichtlich nutzen: Wochenlang waren seine Immobiliengeschäfte und die seiner Frau im Mittelpunkt des Interesses gestanden und hatten eine schwere Regierungskrise heraufbeschworen. Erst nach dem Parteitag seiner Sozialdemokraten, der am Osterwochenende im mährischen Brno (Brünn) über die Bühne geht und auf dem inhaltliche und personelle Weichenstellungen erwartet werden, wollen die christdemokratischen Koalitionspartner nun über ihren Verbleib in der Regierung entscheiden. Verständlich also, dass Gross einstweilen endlich wieder sachpolitische Themen aufgreifen will. Ein Gesellschaftsvertrag muss her, so Gross:

"Wir wollen darin die politischen Prioritäten der Regierung auf einige Schlüsselbereiche konzentrieren. Ich sehe hier momentan acht Bereiche, in denen wir Reformen noch in dieser Legislaturperiode zu Ende bringen sollten", sagte Gross am Sonntag in einer Diskussionssendung des Tschechischen Fernsehens.

Diese Prioritäten seien: Die Rentenreform, die Vorbereitungen auf die Einführung des Euro, Reformen im Gesundheitswesen, die Ratifizierung der EU-Verfassung, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, mehr Transparenz, ein gerechteres Sozialsystem und die Entwicklung der Wirtschaft.

Seine Kontrahentin in der TV-Debatte, die stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Miroslava Nemcová, ließ - wenig überraschend - kein Gutes Haar an der Initiative des Regierungschefs:

"Mir ist nicht ganz klar, was das soll. Wenn Ihr Programm weiterhin aufrecht ist, und Sie nur einige Prioritäten benennen, die darin ohnehin bereits enthalten waren, dann ist eine bombastische Bezeichnung wie Gesellschaftsvertrag nicht nötig. Für mich ist das nichts anderes als ein Trick, mit dem die Menschen für dumm verkauft werden."

Ähnliche Reaktionen kamen von Miroslav Kalousek, dem Vorsitzenden der christdemokratischen Regierungspartner von Gross: Die Koalitionskrise sei im Zusammenhang mit undurchsichtigen Geschäften der Familie Gross entstanden, ein "Gesellschaftsvertrag" ändere daran gar nichts.

Gross wollte mit seinem Themenkatalog gewiss staatsmännisches Verantwortungsbewusstsein demonstrieren. Aber er hat Kalousek damit auch ein Forum gegeben, um mit anderen Worten das zu wiederholen, was er schon seit Wochen sagt: Nämlich, dass er Gross als Premierminister nicht mehr akzeptieren will.