EU-Verfassung: Wer entscheidet in Tschechien?
Der Streit um den europäischen Verfassungsvertrag kommt in Tschechien nicht aus den Schlagzeilen heraus. Immer wieder erhält die Auseinandersetzung um Für und Wider neue Nahrung. Zuletzt in Form von neuen Aussagen des Verfassungsgegners Václav Klaus, die international für Aufsehen sorgten, und durch das Tauziehen rund um die Ratifizierung des Vertrags. Gerald Schubert berichtet:
Tschechien ließ in Europafragen bereits des Öfteren aufhorchen. Zuletzt etwa im Januar: Da stimmte das Europaparlament über die Europäische Verfassung ab, die anteilsmäßig meisten Nein-Stimmen kamen von den Abgeordneten der Tschechischen Republik. Die sozialliberale Regierung in Prag, die ist zwar voll auf Europakurs und will auch eine Ratifizierung der Verfassung. Doch bei den Wahlen zum Europaparlament war sie eben von der EU-skeptischen Opposition links und rechts überholt worden.
Nun ist Tschechien abermals in die Rolle des EU-Sonderlings geschlittert: Es ist das letzte Land, in dem noch nicht klar ist, wer eigentlich über die Ratifizierung des Verfassungsvertrags entscheiden soll: Das Volk, oder das Parlament? Die Tschechinnen und Tschechen dürften auf ein etwaiges Referendum derzeit jedenfalls nicht besonders gut vorbereitet sein. Nadezda Horáková vom Meinungsforschungsinstitut CVVM:
"Mehr als die Hälfte der Menschen gibt derzeit an, über die europäische Verfassung gar keine Informationen zu haben, ein Drittel hat nur geringe Informationen. Wirklich gut informiert fühlt sich nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung - es sind ungefähr 4 Prozent."
Dennoch sagen 60 Prozent, dass sie an einem Referendum über die EU-Verfassung teilnehmen würden.
"Hier muss man aber darauf hinweisen, dass die tatsächliche Wahlbeteiligung immer geringer ist als die, die zuvor in den Umfragen deklariert wird", sagt Meinungsforscherin Horáková.
Ob es aber ein solches Referendum geben wird oder nicht, das ist wie gesagt noch alles andere als klar. Zwar sind alle Parteien einhellig der Meinung, dass das Volk über die EU-Verfassung entscheiden sollte. Aber für die Durchführung eines Referendums fehlt nach wie vor das entsprechende Gesetz.
Und dann ist da noch Präsident Václav Klaus, der immer stärkere Worte für seine ablehnende Haltung gegenüber dem EU-Verfassungsvertrag findet. Erst am Dienstag hatte er international wieder für Aufregung gesorgt: Die Verfassung berge die Gefahr, "dass sich Europa von Demokratie und Freiheit löst", so Klaus in einem Interview für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er sei gegen jedwede weitere Vertiefung der Europäischen Union, dafür aber für ihre größtmögliche Erweiterung. Zitat: "Türkei, Marokko, Ukraine, Kasachstan - je mehr desto besser."Überraschen kann das hierzulande nur noch wenige. Denn es gilt ja auch: Je mehr Partner, desto komplizierter die von Klaus gefürchtete europäische Integration.