Drei Nachbarn Tschechiens ratifizieren EU-Verfassung
Die Diskussion um die Europäische Verfassung, die in Tschechien recht stürmisch geführt wird, hat eine neue Facette: Mit Österreich und der Slowakei haben zwei Nachbarländer der Tschechischen Republik am Mittwoch die Verfassung im Parlament abgesegnet, am Donnerstag folgte dann noch Deutschland nach. Was bedeutet das für den Diskussionsprozess in Tschechien? Und worin unterscheidet sich die Europa-Debatte in Tschechien von der in der Slowakei? Gerald Schubert berichtet:
Für Jaromír Levícek, den Sprecher der EU-Kommission in Prag, wurde mit der Ratifizierung in gleich drei Nachbarländern Tschechiens ein wichtiger Schritt im Sinne der europäischen Integration unternommen:
"Die Kommission begrüßt die Ratifizierung der Verfassung in Österreich und der Slowakei. Jetzt haben bereits sieben Staaten, also fast ein Drittel aller EU-Mitglieder, den Verfassungsvertrag ratifiziert und damit seinem In-Kraft-Treten näher gebracht", sagte Levicek am Donnerstagvormittag, kurz bevor auch Deutschland grünes Licht für die Verfassung gab.
Tschechien selbst nimmt in dem Ratifizierungsprozess noch eine Sonderrolle ein: Es ist der einzige EU-Staat, in dem bis jetzt nicht feststeht, ob das Volk oder das Parlament über die Annahme der Verfassung entscheiden wird. Kann sich aber das Ja der Nachbarn auch auf die Diskussion in Tschechien auswirken? Jaromír Levícek, Sprecher der EU-Kommission in Prag:"Natürlich leben wir nicht in einem Informationsvakuum. Die Wähler und auch die Politiker in der Tschechischen Republik werden sich bestimmt für die Ergebnisse in den anderen Ländern interessieren. Man muss aber trotzdem wissen, dass die Ratifizierung in jedem Mitgliedsland nach den eigenen, jeweils durch die nationale Verfassung gegebenen Regeln abläuft, und dass in den einzelnen Staaten auch unterschiedliche Diskussionen geführt werden."
In Österreich stimmte nur eine einzige Abgeordnete gegen die Verfassung. In Deutschland gab es 23 Nein-, gegenüber 569 Ja-Stimmen. Das Ergebnis in der Slowakei: 116 zu 27. Also nicht ganz so glatt wie in Wien und Berlin, aber dennoch recht eindeutig. Gegen die Verfassung waren in der Slowakei die mitregierenden Christdemokraten und die oppositionellen Kommunisten. Für den Regierungschef war die Schlussbilanz jedoch ein Grund zur Freude, sagt unsere Kollegin Lydia Korecká von Radio Slowakei International:
"Premierminister Mikulas Dzurinda zeigte sich sehr zufrieden. Er hatte die Verfassung als annehmbaren Kompromiss bezeichnet und sich nun ausdrücklich bedankt. Sowohl bei den Koalitionsparteien - außer natürlich bei den Christdemokraten, die dagegen stimmten - als auch bei den Oppositionsparteien, besonders bei SMER und bei Meciars Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS)."
Letzteres ließ aufhorchen: Gerade Meciar, der mit seinem autoritären Führungsstil lange Zeit als Politiker galt, der das Land in die Isolation treiben will, sagte nun, er würde eine Entstehung der "Vereinigten Staaten von Europa" begrüßen. Also einen "Superstaat", vor dem in Tschechien Präsident Václav Klaus immer so eindringlich warnt.
Eines sollte man jedoch laut Korecká nicht tun: Nämlich den gelungenen Ratifizierungsprozess in der Slowakei als Zeichen einer Europa-Euphorie interpretieren:
"Ich glaube, die öffentliche Meinung kann man gar nicht beurteilen. Es gab keine Umfragen, die EU-Verfassung wurde gar nicht thematisiert. Bei der Öffentlichkeit war also kein großes Interesse für diese Abstimmung vorhanden, die im Parlament so glatt gelaufen ist."