Streit um Schweinefarm auf ehemaligem KZ-Gelände gewinnt neue Brisanz
Seit Jahren kämpfen die tschechischen Roma um eine würdige Gedenkstätte für ihre Holocaust-Opfer. Bislang vergeblich: Auf dem Gelände des früheren Roma-KZ im mährischen Hodonin befindet sich heute ein Erholungszentrum. Und in Lety bei Pisek, dem Standort des zweiten ehemaligen Lagers für Roma im Protektorat Böhmen und Mähren, wird bis heute eine noch von den Kommunisten errichtete und nach 1989 privatisierte Schweinefarm betrieben. Doch damit nicht genug: Von einigen Seiten wird bestritten, ob es in Lety überhaupt jemals ein Konzentrationslager gegeben habe. Zuletzt sorgte der tschechische Präsident Vaclav Klaus durch seine Äußerung zu dem Thema für Empörung. Silja Schultheis ist der Frage nachgegangen, worum es bei dem Streit um die Schweinefarm auf dem ehemaligen Lagergelände eigentlich geht.
"Die öffentliche Meinung bringt nicht entschieden genug zum Ausdruck, dass die Schweinefarm sie stört. Viele Leute zucken immer noch gleichgültig mit den Schultern. Wenn das die Öffentlichkeit stören würde, würde jede Regierung schnell und gerne die Gelder für die Beseitigung der Schweinefarm auftreiben."
Die Kostenfrage wird seit Jahren von unterschiedlichen tschechischen Kabinetten als Argument in dem Streit um das ehemalige Lagergelände angeführt. Ein weiterer Grund für dessen bislang nicht erfolgte Lösung ist die von einigen Seiten in Frage gestellte Geschichte des Lagers Lety. Neuen Sprengstoff hat die Debatte durch den tschechischen Präsidenten erhalten, der am Samstag in einem Gespräch für die Zeitung Lidove noviny behauptete, dass es in Lety "kein Konzentrationslager im eigentlichen Sinne" gegeben habe. Die Europäische Union, die Ende April in einer Resolution die tschechische Regierung zur Beseitigung der Schweinefarm aufgefordert hatte, habe Klaus zufolge kein Recht, sich in diese innertschechische Angelegenheit einzumischen. Zumal die EU-Parlamentarier nichts über Lety wüssten. Für Milan Horacek, der für die deutschen Grünen im Europaparlament sitzt, eine empörende Äußerung:"Das ist ein ungeheurer Schlag ins Gesicht erstmal der Überlebenden, aber auch aller Roma und all derer, die glauben, das so etwas moralisch, politisch und menschlich nicht geht, dass auf einem ehemaligen KZ-Gelände eine Schweinefarm steht."
Horacek hat im Europaparlament eine Ausstellung über die Geschichte des KZ Lety initiiert und hält den Protest der EU gegen die Schweinefarm für dringend geboten:"Einmischung in innere Angelegenheiten ist erwünscht, wenn es um Menschenrechte geht. Und deshalb: wenn das jetzt jemand als Politisierung betrachtet, dann ist es das in gewissem Sinne. Aber wie anders kann man das problematisieren?"
Auch nach Meinung von Katerina Jacques, die sich im Büro des Menschenrechtsbeauftragten der tschechischen Regierung mit dem Problem der Schweinefarm beschäftigt, sind die Politiker jetzt gefragt. Denn für Jacques steht fest:
"dass die Gesellschaft eigentlich roma-feindlicher ist als die Regierung. Da würde ich sagen, ist die Regierung tatsächlich das Vorbild und kann sich nicht auf den Druck der Gesellschaft berufen. Das ist für mich klare Sache, dass wir da gegen die öffentliche Meinung laufen werden und das ist auch richtig so."
Katerina Jacques ist optimistisch, dass eine Lösung des Problems in Aussicht ist. Der neue tschechische Ministerpräsident Paroubek habe von ihrem Büro bereits Unterlagen zu dem Streit um die Schweinefarm angefordert und so hoffe sie, "dass es diesmal vielleicht doch klappt und wir diese Schweine von hier wegkriegen."Für Cenek Ruzicka, Vorsitzender des Komitees zur Entschädigung des Roma-Holocausts, der selber seinen Großvater und seinen Bruder im KZ Lety verloren hat, ist die Schweinefarm auf dem Gelände des früheren Lagers Ausdruck des ungelösten Konflikts zwischen Roma und Tschechen. Ruzicka ist wie Petr Pithart der Auffassung, dass die tschechische Gesellschaft sich für die Beseitigung der Schweinefarm einsetzen müsste. Ob dies in absehbarer Zeit passiert, wagt er jedoch zu bezweifeln. Seine Organisation hat daher am Freitag die Bundesregierung um finanzielle Hilfe ersucht, um Lety endlich zu einem Ort des würdigen Gedenkens an den Roma-Holocaust zu machen:
"das ist für uns ein Mittel, um Druck auf die tschechische Regierung auszuüben. Ich bemühe mich schon seit zehn Jahren erfolglos um eine Lösung in diesem Fall. Ich habe darüber schon graue Haare bekommen, ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen."