Die älteste tschechische Sportorganisation Sokol ist kein üblicher Turnverein. Die während der nationalen Wiedergeburt im Jahre 1862 gegründete Turnvereinigung war mit ihrer nationalen Orientierung ein wichtiger Bestandteil der tschechischen Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am kommenden Wochenende werden die Sokol-Mitglieder ein rundes Jubiläum feiern. Denn vor 80 Jahren wurde das nach einem der Begründer der Sportorganisation, Miroslav Tyrs, benannte Tyrs-Haus eröffnet, wo die Sportorganisation heute wieder ihren Sitz hat. Aus diesem Anlass veranstalteten die Sokol-Vertreter hier am Dienstagvormittag eine Pressekonferenz. Martina Schneibergova war dabei.
Tyrs-Haus
Das Tyrs-Haus ist mit der Geschichte der Turnvereinigung Sokol eng verbunden. Denn in der Zeit, als es eröffnet wurde, erlebte die Sokol-Bewegung sozusagen ihr goldenes Zeitalter. Ihr Sitz war für die damaligen Verhältnisse sehr modern ausgestattet. Bewundert wurde einst insbesondere der dort eingerichtete größte Turnsaal Europas. Im Tyrs-Haus befand sich auch das erste Prager Hallenbad. Während der Nazi-Okkupation war die Tätigkeit von Sokol verboten, mehr als 3000 Sokol-Mitglieder haben ihr Leben im Widerstandskampf geopfert. Eine kurze Zeit der Wiederbelebung erfuhr die Sportorganisation nach dem Krieg. Nach dem kommunistischen Putsch von 1948 wurde ihre Tätigkeit erneut verboten und der Sitz der Vereinigung, das Tyrs-Haus, wurde beschlagnahmt. Erst 1990 wurde das historische Gebäude den Sokol-Mitgliedern wieder zurückgegeben und die Sokol-Vereinigung durfte ihre Tätigkeit nach 40 Jahren wieder aufnehmen. Heute hat Sokol ca. 180.000 Mitglieder in der ganzen Tschechischen Republik.
Für das nächste Jahr bereiten die Sokol-Mitglieder ihr XIV. Sokol-Treffen vor, das im Tschechischen "Slet" genannt wird. Zu diesem großartigen Sportfest werden auch Interessenten aus den zahlreichen Sokol-Organisationen aus dem Ausland nach Prag eingeladen. Sie sind während des kommunistischen Regimes von den im Exil lebenden tschechoslowakischen Sokol-Anhängern gegründet worden. Nach der Teilnahme der ausländischen Mitglieder am nächsten Sokol-Treffen in Prag fragte ich die Obfrau der tschechischen Sokol-Gemeinde, Jarina Zitná:
Jarina Zitná (Foto: Autorin)
"Sokol-Vereine gibt es in ganz Europa, vor allem in großen Städten, wohin viele Tschechoslowaken in der Vergangenheit emigriert sind. So sind große Sokol-Vereine z. B. in Paris, in London und in Malmö tätig. Traditionell gibt es die stärksten Sokol-Organisationen in der Schweiz und in Österreich. Sokol-Vereine sind ebenso in Polen und in Slowenien aktiv. Die ausländischen Vertreter kommen zu unserem Treffen und turnen mit uns gemeinsam im Rosicky-Stadion auf dem Strahov-Berg. Denn sie sind so zersplittert, dass sie kaum ihre eigenen Turnkompositionen richtig einüben können. Sie organisieren aber auch ihre eigenen Veranstaltungen. Wir nahmen z. B. 1992 an einem ´Slet´ in Paris teil. Seitdem wurden alle ausländischen Sokol-Treffen in Übersee organisiert."
Jarina Zitna zufolge sind die Sokol-Organisationen in den USA sowie in Kanada sehr aktiv. Bei ihren Vorbereitungen auf das Turnfest in Prag arbeiten die ausländischen Sokol-Vereine mit den Sokol-Mitgliedern in Tschechien zusammen.