Nachgefragt: Stereotype zwischen Tschechen und Deutschen
Sie begleiten den Menschen schon seit eh und je: Stereotype. Ob und in welcher Weise diese zwischen Deutschen und Tschechen bestehen - dies fragten sich zwei junge Studentinnen aus Tschechien und Deutschland. Zusammen mit jeweils zehn tschechischen und deutschen Jugendlichen gingen sie dieser Frage auf den Grund. Sara Bartholome unterhielt sich mit Cäcilia Sorger, einer der beiden Organisatorinnen des Projekts:
Bei einem Sommerseminar des Theodor-Heuss-Kollegs der Robert-Bosch-Stiftung lernten sie sich kennen, die tschechische Studentin Kristina Pokorna und die deutsche Studentin Cäcilia Sorger. Sie wurden darauf aufmerksam, dass es in der Region Regensburg viele voreingenommene Meinungen dem tschechischen Nachbarn gegenüber gibt und wollten nun sehen, was wirklich dran ist. Also beschlossen sie, das Projekt "Nachbarn: Fremde oder Freunde" auf die Beine zu stellen. Cäcilia Sorger verriet mir die Idee der Aktion:
"Es geht darum, dass sich deutsche und tschechische, speziell bayrische und tschechische Schüler treffen, und gemeinsam die Geschichte und die Bilder voneinander erkunden. Und das ganz besonders mit der Sicht auf drei Generationen, wie sich das verändert hat."
In Gymnasien der Städte Domazlice/Taus und Regensburg stellten die Leiterinnen ihr Projekt vor. Von den zahlreich interessierten Schülern wählten sie insgesamt zwanzig aus. Im südböhmischen Domazlice trafen sich die 14- bis 19-Jährigen Anfang April zu einem Einführungsseminar. Neben dem ersten Kennenlernen wurden die Schüler über Stereotype und journalistische Fähigkeiten informiert. Aber auch die gemeinsame Geschichte war ein Thema, wobei besonders die Konflikte und das Zusammenleben der Tschechen und Deutschen diskutiert wurden. In den folgenden Tagen gingen die Jugendlichen selbständig in ihren Heimatstädten auf die Suche nach bestehenden Vorurteilen über den jeweils anderen. Dazu führten sie Interviews durch und befragten verschiedene Leute, die mit der Thematik etwas zu tun haben. Und das werden wohl nicht wenige sein, denn die Meinungen über das jeweils andere Nachbarvolk sind nicht immer positiv. Oder doch?
"So ganz pauschal kann ich das nicht sagen, aber die Tendenzen, die wir von den Ergebnissen der Schüler gesehen haben, gingen dahin, dass die ältere Generation, die den Weltkrieg mitgemacht hat beziehungsweise die Vertreibung erlebt hat, trotzdem positiv dem anderen gegenüber eingestellt war. Während die mittlere Generation dem anderen oft skeptisch gegenüber dagestanden hat. Und in der jüngeren Generation wollten wir sehen, ob die Kriegsereignisse oder die Vertreibungsereignisse wirklich noch das Bild vom anderen belasten oder ob es überhaupt keine Rolle mehr spielt. Und in der jungen Generation spielt die Vergangenheit in der geschichtlichen Hinsicht tatsächlich keine Rolle mehr. Sondern da ist dann auf deutscher Seite höchstens die Angst vor Kriminalität."
Jana Noskova, Lehrerin des Domazlicer Gymnasiums, berichtete von der Sicht der tschechischen Jugend:
"Die junge Generation lebt wirklich mit der Gegenwart. Ich glaube, dass es bei uns keinen Schüler gibt, der sagt: 'Das ist ein Deutscher und mit dem spreche ich nicht.' Die Vergangenheit sollte uns nicht so stark beeinflussen. Das, was wir jetzt brauchen ist eine gemeinsame Zukunft. Und ich glaube, dass das auch die Ansicht der Schüler bei uns am Gymnasium ist."
In Regensburg gab's dann Mitte April ein zweites Seminar, das die Schüler dazu nutzten, eine Ausstellung vorzubereiten, in der sie ihre Ergebnisse vorstellten. Diese wird ab dem 20. Mai auch in Domazlice zu sehen sein. Und wird es in Zukunft weitere Aktionen geben? Etwas Neues ist nicht in Planung, aber die Ergebnisse, so hofft Cäcilia Sorger, werden in einer Broschüre zusammengestellt und an Schulen verteilt werden. So können möglicherweise auch nachhaltig die Vorurteile der Jugend abgebaut werden.