Vor 80 Jahren wurde das Tyrs-Haus in Prag geöffnet

Tyrs-Haus in Prag
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In unseren Sendungen haben wir Ihnen die älteste tschechische Sportorganisation Sokol bereits vorgestellt. Die während der nationalen Wiedergeburt im Jahre 1862 gegründete Turnvereinigung war ein wichtiger Bestandteil der tschechischen Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am vergangenen Wochenende haben die Sokol-Mitglieder ein rundes Jubiläum gefeiert, denn vor 80 Jahren wurde das nach einem der Begründer der Sportorganisation, Miroslav Tyrs, benannte Tyrs-Haus eröffnet, wo die Sportorganisation ihren Sitz hat. In das historische Areal, das sich auf der Prager Kleinseite unweit der Kampa-Insel befindet, laden Sie im folgenden Spaziergang durch Prag Martina Schneibergova und Chris Schmelzer ein.

Tyrs-Haus in Prag
Das Tyrs-Haus befindet sich, wie gesagt auf der Kleinseite in der Straße Újezd. Die ersten Erwähnungen von Bewohnern dieses Ortes stammen aus dem Jahr 1293. Damals hatte hier, wo heute das Palais Michna steht, der Propst des Vysehrader Kapitels Jan gewohnt. Er war der Stiefsohn des böhmischen Königs Premysl Otakar II.. Propst Jan war Stiefbruder der Premyslidin Eliska, die eine Stiftung gründete, die in der Nähe des heutigen Turnplatzes über ein Kloster und eine Kirche verfügt haben soll. Dr. Zdenek Bartunek, Mitarbeiter der Sokol-Organisation, der mich durch das Haus führte, meint:

"Es stimmt schon, dass man hier Fundamente einer Kirche entdeckte, als da im 20. Jahrhundert der Sportplatz der Sokol-Organisation errichtet wurde. Dem Fund wurde damals keine große Aufmerksamkeit geschenkt, weil man die Bauarbeiten nicht verlangsamen wollte."

Schon am Ende des 16. Jahrhunderts gab es dort einen Palastkomplex, der im Besitz der berühmten tschechischen Adeligenfamilie Kinski war. Im Jahre 1626 kaufte Pavel Michna von Vacínov das ganze Areal. Er war ein geschäftstüchtiger Mann, und die Gebäude kaufte er vor allem mit dem Ziel, später daran zu verdienen. Michna von Vacínov versorgte die kaiserlichen Truppen mit Proviant und ist dadurch sehr reich geworden. Nach seinem Tode im Jahre 1631 übernahm sein Sohn Václav den Besitz. Er war im Unterschied zu seinem Vater eher auf die Wohltätigkeit orientiert. Zdenek Bartunek dazu:

"Er initiierte die Gründung der Maria Magdalena-Kirche. Diese wurde später in eine Polizeikaserne umgewandelt. Heute befindet sich in diesen Räumlichkeiten das Museum der Musik. Václav Michna starb um das Jahr 1667. Mit ihm starb die Familie Michna in der männlichen Linie aus. Das Schicksal des Areals ist dann kompliziert. Lange bewohnten Soldaten das Areal. Im Michna-Palais begann die Armee Waffen herzustellen. Das ganze Areal wurde durch die Anwesenheit der Militärtruppen stark beschädigt. In den unteren Räumlichkeiten des Palais befand sich sogar eine Schmiedewerkstatt."

Um das Jahr 1921 wurde das Areal von der Tschechischen Sokol-Gemeinde gekauft. Sie bezahlte dafür damals fast 3 Millionen tschechoslowakische Kronen. Sie hatte vor, es zu renovieren und in den Sitz der Sokol-Organisation umzubauen. Dr. Bartunek dazu:

"Die Sokol-Gemeinde kaufte das Objekt und ließ dort die architektonischen und archäologischen Untersuchungen durchführen. Der Umbau des ganzen Areals wurde in den Jahren 1923 bis 1925 verwirklicht. Am 28. Oktober 1923 wurden die Grundsteine für den großen Turnsaal gelegt. Der neue Sitz der Sokols wurde am 24. Mai 1925 unter Teilnahme des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomás Garrigue Masaryk feierlich geöffnet."

Präsident Masaryk besuchte das Haus mehrmals noch vor der Eröffnung, er interessierte sich sehr für den Verlauf der Bauarbeiten. Auf dem Areal wurde auch die sog. Karásek-Galerie geöffnet. Die Familie Karásek von Lvovice schenkte ihre ganze Kunstsammlung sowie die Galerie der Sokol-Organisation. Das Areal wurde nach dem Entwurf des Architekten Frantisek Krásný umgebaut. Seine Pläne waren für die damalige Zeit mehr als großzügig. Zdenek Bartunek betont:

"Seine Vorstellungen umfassten nicht nur die Errichtung einer 50 Meter langen Schwimmhalle, sondern auch eines Schwimmbeckens draußen. Der Turnsaal war 60 Meter lang und 18 Meter breit und damit größer als der damals populäre Lucerna-Saal. Eine so große Schwimmhalle gab es damals jedoch nirgendwo in Mitteleuropa. Über der Halle wurde der Turnsaal eingerichtet und über dem Turnsaal gab es Unterkunftsräume. Ganz oben auf dem Dach gab es das Sonnenbad. In den aus den dreißiger Jahren stammenden Zeitschriften kann man über den Betrieb des ganzen Areals mehr erfahren. Man findet darin z. B. Fotos von Sokol-Mitgliedern, die in der Sonne liegen sowie Fotos von Präsident Masaryk, der die Treppe hinauf zum Sonnenbad geht. Alle diese Fotos kann man in Zeitschriften aus dieser Zeit finden."

Nachdem mit dem Bau der Schwimmhalle begonnen worden war, stürzte eine der Wände ein. Danach mussten Ausgrabungen bis in die Tiefe von elf Metern durchgeführt werden, es wurde eine Art Schiff aus Beton geschaffen und erst in diese Form wurde das Schwimmbecken eingepasst. Dank den Komplikationen wurde nur ein 20 Meter langes Schwimmbecken gebaut, das erst 1956 um fünf Meter verlängert wurde.

Der Turnsaal wurde so - wie es der Architekt ursprünglich verlangte - erbaut. Ursprünglich sollte der Saal in zwei Hälften geteilt werden, aber als die Sokol-Vertreter den großen Raum sahen, wollten sie ihn doch nicht in zwei Teile trennen. Das ganze Areal verfügte über seinen eigenen Brunnen. Der Umbau des historischen Areals stand damals im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Man hatte u. a. Befürchtungen, dass das Gebäude beim Blick vom anderen Moldauufer Richtung Hradschin störend wirken würde. Diese Befürchtungen haben sich aber nicht bestätigt. In der Zeit, als die Sokol-Organisation ins Tyrs-Haus umzog, erfreuten sich die Sportaktivitäten von Sokol einem großen Interesse. Zdenek Bartunek dazu:

"Die Zahl der Mitglieder ist in dieser Zeit von 360.000 auf mehr als eine Million gestiegen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Tyrs-Haus in ein Lazarett für deutsche Soldaten umgewandelt, die hierher vor allem von der russischen Front gebracht wurden. Nach dem Krieg durften die Sokol-Mitglieder wieder in ihren Sitz zurückkehren. Im Jahre 1948 wurde mit viel Begeisterung das XI. Sokol-Treffen - das regelmäßige Sportfest - vorbereitet. Es fand jedoch schon nach dem kommunistischen Putsch statt, und mehrere von den Teilnehmern wandten beim Turnen ihre Köpfe von der Haupttribüne, auf der der kommunistische Präsident Gottwald saß, aus Protest ab."

Die Sokol-Organisation wurde dann von den Kommunisten aufgelöst, mehrere Sokol-Aktivisten wurden ins Gefängnis geschickt. Im Tyrs-Haus hatte seit den fünfziger Jahren die Fakultät für Körpererziehung und Sport der Karlsuniversität ihren Sitz. Nach der Wende von 1989 durfte die Sokol-Organisation seine Tätigkeit wieder aufnehmen und auch wieder in das Tyrs-Haus übersiedeln. Während der Hochwasserkatastrophe im August 2002 wurden das Schwimmbecken sowie der Turnsaal beschädigt. Nach einer Renovierung konnte der historische Saal in diesem Jahr wieder geöffnet werden.

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs angelangt, es bleibt nur noch die übliche Quizfrage zu stellen, für deren richtige Beantwortung Sie eine CD gewinnen können. Am Anfang des Spaziergangs erwähnten wir den berühmten böhmischen König Premysl Otakar II., falls Sie wissen, in welchem Jahr er starb, können Sie es uns schreiben. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.