Ein Wunder für viele: Papstbesuch vor 30 Jahren
Es war ein Besuch, den viele für ein Wunder hielten. Vor genau 30 Jahren kam Papst Johannes Paul II. in die Tschechoslowakei. Kurz nach der Samtenen Revolution haben Präsident Václav Havel und Kardinal František Tomášek den Heiligen Vater nach Prag eingeladen. In der Regel werden derartige Reisen jahrelang geplant, der Papst traf aber nur einige Monate nach der Einladung in Prag ein. Es handelte sich um den ersten Besuch des Oberhauptes der katholischen Kirche in den Böhmischen Ländern. Johannes Paul II. begrüßte die Gläubigen nach seiner Anreise auf Tschechisch:
Auf dem Prager Flughafen begrüßte zuvor Präsident Václav Havel den Papst.
„Ich weiß nicht, ob ich weiß, was ein Wunder ist. Trotzdem erlaube ich mir zu sagen, dass ich in diesem Augenblick an einem Wunder teilnehme. In ein Land, das von der Ideologie des Hasses verwüstet wurde, kommt ein Bote der Liebe. Jahrzehnte lang wurde das Geistliche aus unserer Heimat vertrieben. Ich habe die Ehre, ein Zeuge des Augenblicks zu sein, in dem der Apostel der Geistlichkeit die Erde dieses Landes küsst.“
Gleich am selben Tag zelebrierte der Papst einen Gottesdienst auf der Letná-Anhöhe in Prag. Schon einige Stunden vor Beginn der Messe strömten die Menschen Richtung der Freifläche. Der Papst reiste in ein Land, in dem die Kirche 40 Jahre lang besonders hart verfolgt wurde. Rund 500.000 Gläubige versammelten sich, um Johannes Paul II. live zu erleben.
„Liebe Brüder und Schwestern, das, wonach ihr euch gesehnt habt und worauf ich mich gefreut habe, hat sich erfüllt: Wenigstens eine Weile können wir hier gemeinsam die Eucharistie feiern.“Unter den Gläubigen war auch Alena Filipová. Ihre Eindrücke schilderte sie damals gegenüber dem Tschechoslowakischen Rundfunk:
„Es ist wirklich schön. Was ich vor allem herrlich finde, dass so viele Menschen gekommen sind. Die Begeisterung und eine so spontane Freude ist überall zu spüren.“
Am nächsten Tag reiste Johannes Paul II. nach Mähren. Zum Gottesdienst, der am Wallfahrtsort Velehrad zelebriert wurde, sind rund 350.000 Pilger gekommen. Unter ihnen waren auch Polen, Österreicher und Gläubige aus anderen Ländern. Velehrad wurde lange für die Residenzstadt des Großmährischen Reichs gehalten, von wo aus die heiligen Kyrill und Method das Land missioniert hatten. Der Papst erinnerte dort an die Tradition der beiden Slawenapostel:
„In unserer Zeit, in der Europa und die Kirche gespalten sind, bedeutet die Botschaft der beiden Heiligen eine Aufforderung zur Einheit.“Der Papst wollte mit seiner Reise den Wandel unterstützen, der sich zu jener Zeit in dem Land abspielte. Sein Besuch sei bei weitem nicht nur für die Gläubigen wichtig gewesen, sagt der Priester und Historiker Tomáš Petráček.
„Kurz nach den Novemberereignissen von 1989 und den politischen Änderungen bestätigte der Besuch, dass die Freiheit real ist und dass sich etwas grundlegend wandelte. Es ist ein slawischer Papst gekommen, der die Situation hierzulande sehr gut kannte. Die Visite ermutigte die Gesellschaft, die neue Ära mit Vertrauen und Selbstbewusstsein zu begrüßen.“
Den Besuch in der Tschechoslowakei beendete der Papst in Bratislava. Die selbständige Tschechische Republik besuchte Johannes Paul II. noch zweimal. Im Mai 1995 hat er während eines Gottesdienstes im mährischen Olomouc / Olmütz Jan Sarkander und Zdislava von Lemberk / Lämberg heiliggesprochen. Im Namen aller Katholiken bat er um die Vergebung für all das Unrecht, das an den nicht katholischen Gläubigen verübt worden war. Anlässlich des 1000. Todestags des heiligen Vojtěch / Adalbert besuchte Johannes Paul II. 1997 Tschechien ein letztes Mal.