Magischer Moment und Strategischer Dialog

Heiko Maas und Tomáš Petříček (Foto: ČTK / Ondřej Deml)

Der deutsche Außenminister Heiko Maas war am Montag zu Besuch in Prag. Genau 30 Jahre nach Genschers berühmter Balkonrede in der Prager Botschaft wurde er von tschechischen Politikern empfangen.

Heiko Maas und Tomáš Petříček  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Am Nachmittag war Heiko Maas bei seinem tschechischen Amtskollegen Tomáš Petříček. Auf der anschließenden Pressekonferenz ging der Bundesaußenminister unter anderem auf das Jahr 1989 ein:

„Ich bin heute auch hier, weil auf den Tag genau vor 30 Jahren der vielleicht – neben dem 9. November – magischste Moment der deutschen Wiedervereinigung stattgefunden hat. Nämlich die Rede von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der deutschen Botschaft, in der er den DDR-Flüchtlingen mitteilen konnte, dass ihre Ausreise unmittelbar bevorsteht. Ich glaube, es gibt niemanden in Deutschland, den das damals nicht sehr berührt hat.“

Außenminister Maas betonte dabei auch den bilateralen Aspekt des Ereignisses:

DDR-Flüchtlinge  (Foto: ČT24)
„Dass sich damals die Dinge in Richtung Freiheit entwickelten, dafür waren auch die Solidarität und der Mut vieler Pragerinnen und Prager ganz entscheidend. Sie teilten die gleiche Sehnsucht nach Freiheit. Und wir Deutschen werden das nicht vergessen.“

Tomáš Petříček sagte, die Erinnerung an die DDR-Flüchtlinge und ihre Ausreise nach Westdeutschland biete auch die Gelegenheit, um über die künftigen tschechisch-deutschen Beziehungen nachzudenken. Die Außenminister verständigten sich darauf, den strategischen Dialog ihrer Staaten fortzusetzen. Dazu unterzeichneten beide Sozialdemokraten eine entsprechende Vereinbarung für die kommenden zwei Jahre. Unter anderem soll der Spracherwerb gefördert werden, wie Petříček erläuterte:

Illustrationsfoto: ID 4941,  Pixabay / CC0
„Im Rahmen des Strategischen Dialogs wollen wir zum Beispiel den Tschechisch-Unterricht in Deutschland ausweiten. Wir wollen auch unsere Zusammenarbeit bei der Drogenprävention verstärken und uns bei der Energiepolitik besser koordinieren.“

Gerade Letzteres ist eines der Themen, bei denen in Berlin und Prag unterschiedliche Ansichten herrschen. So hat Deutschland den Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022 beschlossen, wohingegen Tschechien neue Reaktoren plant.

Noch stärker prallen die Gegensätze aber bei der Flüchtlingspolitik aufeinander. Auch dies kam bei dem Treffen zur Sprache, wie beide Minister versicherten. Denn beim Strategischen Dialog gehe es gerade darum, selbst dann miteinander zu reden, wenn man verschiedene Meinungen vertrete, hieß es. Heiko Maas betonte aber in Prag:

Quelle: United Nations Photo,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.0
„Wir sind der Auffassung – und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern –, dass alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der Verantwortung sind, wenn es darum geht, geflüchtete Menschen in der Europäischen Union aufzunehmen. Jeder hat dort gewisse Verpflichtungen. Die Diskussion und diese Position werden wir aufrechterhalten. Wir sehen aber, dass es im Moment keine Zustimmung gibt in diversen Staaten der Union.“

Wie Heiko Maas weiter sagte, freue er sich daher über die freiwilligen Zusagen von Frankreich, Italien und Malta. Diese drei Länder haben zusammen mit Berlin vor kurzem beschlossen, aus Seenot gerettete Flüchtlinge unter sich aufzuteilen.

Heiko Maas  (Mitte) und Andrej Babiš  (rechts) auf dem Balkon der Botschaft in Prag. Foto: ČTK / Ondřej Deml
Tomáš Petříček erläuterte noch einmal die tschechische Position. Demnach trägt das Land auf andere Weise zur Lösung der Flüchtlingskrise bei – vor allem durch Projekte vor Ort, die die Fluchtursachen bekämpfen sollen. Ins Land lassen will Tschechien die Schutzsuchenden aber nicht, wie Petříček auf Nachfrage erneut bestätigte:

„Für so etwas bräuchte es eine klare Übereinkunft quer durch das politische Spektrum. Diese sehe ich hierzulande aber nicht, deswegen steht das Thema nicht auf der Tagesordnung.“

Vor allem die Ano als größere der beiden tschechischen Regierungsparteien fährt in der Flüchtlingsfrage einen kompromisslosen Kurs. Ihr Chef, Premier Andrej Babiš, traf sich ebenfalls mit Bundesaußenminister Heiko Maas. Danach gab es zwar keine Pressekonferenz, doch der Ministerpräsident äußerte sich später nach der Kabinettssitzung zu Maas‘ Vorschlag freiwilliger Quoten.

„Ich habe Minister Heiko Maas gesagt, dass die Tschechische Republik solche Ideen ablehnt. Wir haben uns schon früher mehrfach gegen Quoten ausgesprochen, weil diese keine systematische Lösung bieten“, so Babiš.

Außenminister Petříček hatte zuvor noch betont, dass Tschechien ein offenes Land sei. Mittlerweile kämen fünf Prozent der Bevölkerung aus fremden Staaten, hieß es. Die offiziellen Zahlen zeigen aber auch, dass zuletzt nie mehr als 160 Flüchtlinge pro Jahr hierzulande einen Aufenthaltsstatus erhielten.