Tschechiens Basketballer mit neuem Elan nach 37 Jahren bei der WM
Basketball hat es nicht leicht in Tschechien. Nach den beiden Nationalsportarten Eishockey und Fußball rangiert der Korbsport noch hinter Handball erst auf Platz vier der Mannschaftssportarten. Doch das könnte sich schon in diesen Tagen ändern durch die Basketball-WM der Männer in China. An diesem Championat nimmt eine tschechische Auswahl zum ersten Male seit 37 Jahren teil, damals trat man noch zusammen mit den Slowaken an. Und die heutige Truppe nährt sogar Hoffnungen auf eine gute Platzierung unter den 32 Teilnehmern.
„Es ist Klasse, dass wir uns nach so vielen Jahren für eine Weltmeisterschaft qualifiziert haben. Und es ist ebenso toll, dass jetzt auch sehr oft in den Medien über uns berichtet wird. Von daher denke ich, dass der tschechische Basketball von nun an in der Gunst der Sportfans etwas steigen wird.“
Egal ob beim Fototermin an der Moldau, einer Fahrt mit der historischen Straßenbahn durch die Hauptstadt oder aber bei einer Korbwurf-Showeinlage auf einer Schwimmplattform auf der Moldau – überall hinterließen die Basketballer einen lockeren und geschlossenen Eindruck. Und auch Kapitän Pavel Pumprla zeigte sich angetan vom enormen Medien- und Publikumsinteresse:
Vít Krejčí: „Es ist Klasse, dass wir uns nach so vielen Jahren für eine Weltmeisterschaft qualifiziert haben. Und es ist ebenso toll, dass jetzt auch sehr oft in den Medien über uns berichtet wird.“
„Die Aufmerksamkeit, die uns entgegengebracht wird, ist wirklich groß. Das spüren wir nicht nur an den vielen Medienberichten, sondern auch durch die Präsenz der Zuschauer. Immer wieder treffe ich jetzt vor und nach den Spielen auf Menschen, die mich ansprechen und für die WM viel Erfolg wünschen. Sie sagen dann, dass sie jede Partie von uns verfolgen und so auch wüssten, dass die Titelkämpfe in großem Umfang im Fernsehen übertragen würden. Es herrscht also viel Trubel um uns und die WM, die Öffentlichkeitsarbeit scheint also zu funktionieren.“
Doch funktionieren muss vor allem die Leistung. Deshalb bestritt die tschechische Mannschaft vor der WM nicht weniger als neun Testspiele, um sich für die Titelkämpfe in Form zu bringen. Vor dem abschließenden Vorbereitungsturnier in Seoul hatte sie sechs Begegnungen davon absolviert. Die Bilanz lautete: fünf Siege und nur eine Niederlage, es war das 68:87 beim Turnier in Hamburg gegen Gastgeber Deutschland. In Südkorea standen also noch drei Duelle auf dem Programm. Das erste davon war das Match gegen Angola. Gegen den Außenseiter aus Afrika gewannen die Schützlinge des israelischen Trainers Ronen Ginzburg überlegen mit 84:65. Bester Korbwerfer der Tschechen war Ondřej Balvín mit 17 Punkten. Doch der 2,16-Meter-Hüne hatte trotz des Sieges durchaus noch einiges zu bemängeln:
„Ich weiß nicht, ob wir dieses Spiel nun positiv oder negativ einordnen sollten. Wir haben heute etwas ausprobiert und einen etwas anderen Stil an den Tag gelegt als sonst. Jetzt müssen wir es analysieren und so auch einschätzen, was nicht gut gelaufen ist.“Genau mit dieser Einstellung ging das tschechische Team auch in die nächste Partie mit Gastgeber Südkorea. Man wollte die Begegnung nutzen, um einige Dinge zu probieren, andererseits aber um bestimmte Abläufe zu verbessern und zu festigen. Das gelang ganz gut, denn die Tschechen konnten die Hausherren mit 97:89 bezwingen.
Am vergangenen Dienstag stand schließlich die WM-Generalprobe an. Dabei traf Tschechien auf den stärksten Gegner des Turniers und vielleicht auch der gesamten Vorbereitung überhaupt: auf das Team aus Litauen. Bis in die Schlussminuten hinein hielten die Männer um NBA-Spieler Tomáš Satoranský die Partie offen. Drei Minuten vor dem Abpfiff führten sie sogar mit vier Punkten Vorsprung, doch dann verloren sie die Nerven und unterlagen am Ende mit 79:82. Martin Peterka aber trug die Niederlage mit Fassung:
Martin Peterka: „Wir sind gut auf das Turnier vorbereitet. Wir aber haben im Duell mit den Litauern nicht nur mitgehalten, sondern waren ihnen zeitweilig sogar überlegen. Von daher denke ich, dass wir in WM-Form sind.“
„Wir hatten uns auf ein bestimmtes Spielsystem geeinigt und waren auch sehr nah dran am Sieg. Letzten Endes war es jedoch nur ein Testspiel, und die wichtigen Begegnungen kommen erst jetzt.“
Und im nächsten Atemzug richtete der 24-jährige Spieler aus Pardubice bereits den Blick nach vorn:
„Wir sind gut vorbereitet. Litauen ist ein europäisches Spitzenteam und wird bei der WM um eine vordere Platzierung mitspielen. Wir aber haben im Duell mit den Litauern nicht nur mitgehalten, sondern waren ihnen zeitweilig sogar überlegen. Von daher denke ich, dass wir in WM-Form sind.“
Mit sieben Siegen und nur zwei Niederlagen in der Vorbereitung konnte die tschechische Mannschaft das WM-Turnier durchaus optimistisch angehen. Das sieht auch der ehemalige Topspieler Jiří Zídek Junior, der als erster Tscheche in der nordamerikanischen Liga NBA spielte, nicht anders:„Ein sehr positiver Fakt ist der, dass die Vorbereitung gut verlaufen ist und sich die Spielweise der Mannschaft wirklich sehen lassen konnte. Ich denke, die Chance auf das Weiterkommen ist da, doch dieses Ziel haben auch unsere Gruppengegner.“
In der Gruppe E traf beziehungsweise trifft die tschechische Mannschaft nacheinander auf die USA, Japan und die Türkei. Das ist eine ziemlich starke Konkurrenz, sind doch gerade die US-Amerikaner als fünffacher Weltmeister und Titelverteidiger einer der großen Favoriten des Turniers.
Zur Weltmeisterschaft sind die USA allerdings nicht in ihrer stärksten Besetzung angereist. Mehrere der noch aktiven NBA-Stars haben ihre WM-Teilnahme abgesagt, so dass US-Trainer Greg Popovich de facto ein besseres B-Team für die WM nominiert hat. Diese Tatsache verleitete den tschechischen Spieler Vojtěch Hruban unter anderem zu dieser Aussage:
Jaromír Bohačík: „Tomáš Satoranský hat eine starke Partie gemacht und ist in unserem Team vorangegangen. Wir wissen alle, dass er von Jahr zu Jahr immer besser wird. Deshalb können wir uns nur darüber freuen, solch einen Spieler in unserem Land zu haben.“
„Selbstverständlich tut uns dies ein wenig leid. Auf der anderen Seite aber ist es so, dass die Amerikaner damit nicht mehr der haushohe WM-Favorit sind. Daher besteht für uns die Hoffnung, dass wir gegen die USA nicht chancenlos sind.“
Beide Teams standen sich am Sonntag in Shanghai gegenüber. Und wie ist das Duell ausgegangen? Nach einem sehr gutem ersten Viertel der tschechischen Mannschaft, in dem sie zwischenzeitlich auch mit 11:7 führte, setzten sich die US-Amerikaner im Spielverlauf immer mehr durch. Am Ende gewann der Favorit mit 88:67. Dennoch war Tschechiens bester Korbwerfer, Aufbauspieler Tomáš Satoranský, nicht vollkommen enttäuscht:
„Wir können mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden, andererseits aber sehr stolz darauf sein, wie wir dem Favoriten Paroli geboten haben. Im ersten Viertel haben wir beherzt dagegengehalten, doch dann zeigten die Amerikaner ihre individuelle Klasse. Und sie haben auch als Team gut gespielt.“
Der 27-jährige Satoranský, der in der kommenden Saison für die Chicago Bulls spielen wird, ist der einzige NBA-Spieler im Team von Trainer Ronen Ginzburg. Auf dem Parkett ist er ein absoluter Führungsspieler, und das hat er gegen die USA auch gezeigt. Teamkollege Jaromír Bohačík sagt über ihn:„Satoranský hat eine starke Partie gemacht und ist in unserem Team vorangegangen. Wir wissen alle, dass er von Jahr zu Jahr immer besser wird. Deshalb können wir uns nur darüber freuen, solch einen Spieler in unserem Land zu haben.“
In ihrer Gruppe trifft die tschechische Mannschaft nun am Mittwoch auf Japan sowie am Freitag, ebenfalls in Shanghai, auf die Türkei. Für die Zwischenrunde qualifizieren sich die jeweils zwei besten Teams jeder Gruppe. Dann hat sich die Zahl der Turnierteilnehmer, die um den Titel spielen, von 32 Mannschaften auf 16 reduziert. Die sieben besten Teams dieser Weltmeisterschaft lösen automatisch auch das Ticket für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Tokio. Nationalspieler Lukáš Palyza schätzt die Chancen dafür so ein:
„Das ist ein großer Anreiz. Schon die WM-Teilnahme ist für den tschechischen Basketball ein lang gehegter und für unerfüllbar gehaltener Traum. Jetzt aber ist er Wirklichkeit. Gegenwärtig setzt sich die Nationalmannschaft aus Akteuren einer starken Generation zusammen. Es sind Spieler, die keinen Gegner fürchten, also auch nicht den Kampf um das Olympiaticket. Trotzdem wird es schwer, unter die besten sieben Teams der WM zu kommen. Möglicherweise ist dieses Ziel auch unerreichbar angesichts der Qualität der Konkurrenz.“