Mit Sigmund Freud durch sein Geburtshaus in Příbor

Sigmund Freud

Vor 13 Jahren wurde das Sigmund-Freud-Museum im nordmährischen Příbor eröffnet. Es hat lange gedauert, bis nach Wien und London auch in seiner Geburtsstadt in dieser Weise an den Begründer der Psychoanalyse erinnert wird. Das Museum befindet sich in dem Haus, in dem Freud zur Welt kam.

Sigmund Freud | Foto: Max Halberstadt,  Wikimedia Commons,  public domain

Geburtshaus Freuds in Příbor  (Foto: Jitka Mládková)
Sigmund Freud wurde am 6. Mai 1856 in Příbor / Freiberg geboren. Seine Eltern Jakob und Amalia Freud waren jüdischer Abstammung. Sie waren aus dem österreichischen Galizien, der heutigen Westukraine, nach Mähren gekommen. Der Vater war Wollhändler und ein wichtiges Mitglied der Tuchmacherzunft in Příbor. Die deutschsprachige Familie bewohnte ein Zimmer zur Untermiete. Das Haus, in dem dann auch Sigmund Freud zur Welt kam, gehörte einem privaten Eigner. Dort ist seit 13 Jahren ein Museum des berühmten Begründers der Psychoanalyse eingerichtet. Dank einem Audio Bord absolviert der Besucher den Rundgang durch das Haus in Begleitung der fiktiven Stimme Sigmund Freuds. Miroslav Růžička hat früher das Museum verwaltet und arbeitet mittlerweile beim Infozentrum in Příbor:

„Den ersten Besichtigungsraum nennen wir Audioraum. Mit dem Ticket erhält jeder Besucher gleich am Eingang einen Audio-Guide mit Kopfhörern. Durch das Haus wird man sozusagen von Sigmund Freud selbst geführt. Er erzählt über seine Kindheit und von seinem weiteren Leben. Noch vor Beginn des Rundgangs kann man sich einen ungefähr zehnminütigen Film anschauen, der speziell für unser Museum gedreht wurde.“

Foto: Jitka Mládková,  Radio Prague International
Aus den Kopfhörern lädt dazu der imaginäre Neurologe auch auf Deutsch ein:

„Sie sind wahrscheinlich von Weitem hergereist, und ihre Beine schmerzen. Oder Sie haben Kopfschmerzen. Sie sind müde, haben Probleme. Fühlen Sie sich nicht wohl in ihrer Haut? Trotzdem wünsche ich Ihnen einen angenehmen Tag. Jetzt setzen Sie sich bitte. Ja, so, die Großen und Kleinen, die Hübschen und wir Übrigen…“

Ein Zimmer für die gesamte Familie

Nachdem man sich den Streifen angeschaut hat, führt der Rundgang über Holztreppen hinauf in den ersten Stock:

„Zum Besuch im ersten Obergeschoss lädt wieder Sigmund Freud ein. Der Audio-Guide erkennt den jeweiligen Raum, den der Besucher gerade betreten hat, und ‚erzählt‘ dazu den gespeicherten Inhalt. Auf der oberen Etage befinden sich nur drei recht kleine Zimmer. In einem davon kam Freud zur Welt. In welchem das war, ist allerdings nicht bekannt. Die Familie bewohnte nur einen Raum dort. In den übrigen zwei Zimmern lebten andere Untermieter. Ein Zimmer befand sich auch im Erdgeschoss. Es diente dem Hausbesitzer und seiner Frau als Wohnung wie auch als Schlosserwerkstatt.“

Miroslav Růžička  (Foto: Jitka Mládková)
Sigmund Freud war das erste Kind seiner Mutter und das dritte seines Vaters. Benjamin Freud hatte aus seiner vorherigen Ehe schon zwei Söhne, damals bereits etwa 20 Jahre alt. Der kleine Sigmund verbrachte mit seinen Eltern auch nur drei Jahre in der Stadt. Danach zog die Familie für ein Jahr nach Leipzig und nachfolgend nach Wien. Überall in Freuds Geburtshaus begleiten den Besucher Fotoaufnahmen aus dem Familienalbum:

„Die Fotos wurden uns vom Londoner Sigmund-Freud-Museum zur Verfügung gestellt. Es besitzt die Rechte an den Aufnahmen. In London leben praktisch bis heute alle Nachkommen von Sigmund Freud“, merkt Růžička an.

Einer der drei Räume im Obergeschoss trägt den Namen „Bibliothek“. Man braucht nicht lange zu grübeln, was dort zu sehen ist:

Foto: Jitka Mládková
„Es sind verschiedene Ausgaben von Büchern in Deutsch, Englisch, Tschechisch und anderen Sprachen, die Freud selbst verfasst hat. Außerdem befinden sich dort Werke, die über ihn geschrieben wurden. Des Weiteren haben wir einen kleinen Schrank mit Schubladen aufgestellt. Wenn man sie öffnet, stößt man auf mehrere Zitate von Sigmund Freud. In einigen befinden sich weitere Fotos. In einer Vitrine sind zwei Medaillen ausgestellt, die Freuds Urenkelin Jane McAdam Freud unserem Museum geschenkt hat. Sie ist eine renommierte Bildhauerin und Medaillendesignerin. Zu den ausgestellten Gegenständen gehört auch ein Buch aus dem Privatbesitz von Sigmund Freud. Wir haben es von seinem Urenkel David Freud geschenkt bekommen. Das Buch befasst sich mit Flora und Fauna, sein Urgroßvater erhielt es als Schüler für gute Leistungen im Unterricht.“

Restauriertes Geburtshaus

Bis 2005 befand sich Freuds Geburtshaus immer noch in Privathänden. An der Wende zum Jahr 2006 verkaufte der Besitzer es der Stadt. Danach wurde das Gebäude so restauriert, dass es wieder einem Wohnhaus aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprach. Zum 150. Geburtstag von Freud am 6. Mai 2006 wurde der Umbau vollendet. Und mit einer dreitägigen Feier wurde das Geburtshaus dann am 27. Mai 2006 auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu den Festivitäten kamen auch einige tschechische Spitzenpolitiker, darunter der damalige Staatspräsident Václav Klaus, sowie vier Nachkommen des Jubilars. Die Urenkelin Jane McAdam Freud besucht seitdem regelmäßig Příbor. Sie hat sich mittlerweile sogar am historischen zentralen Platz der Stadt ein Haus gekauft.

Foto: Miroslav Růžička,  Tschechischer Rundfunk
Im Zuge der Umgestaltung von Freuds Geburtshaus zum Museum hatte die Stadt vor, ein ambitioniertes Projekt umzusetzen. Es blieb allerdings nur beim Entwurf – und der ist als eines der Exponate im dritten Besichtigungszimmer zu sehen. Miroslav Růžička:

„Hier stellen wir das multifunktionale Projekt vor, das in der Nachbarschaft unseres Museums gebaut werden sollte. Schon 2005 gab es dafür einen Plan, der aber nicht realisiert wurde. Es fehlte einfach an Geld. Vorgesehen waren eine Galerie, Audiosäle wie auch Räume für unternehmerische Tätigkeit. Ob das Projekt irgendwann doch realisiert wird, ist heute schwer zu sagen. Dieser dritte Raum dient vor allem der Präsentation der Sigmund-Freud-Gesellschaft. Sie hat ihren Sitz in Příbor.“

Birnbaum im Garten  (Foto: Jitka Mládková)
Der Rundgang durch das Freud-Museum führt auch auf eine verglaste Veranda. Von dort ist im Garten ein auf den ersten Blick gewöhnlicher Obstbaum zu sehen. Was hat es mit ihm auf sich?

„Es ist ein Birnbaum. Über ihn wird erzählt, dass an dem Baumstamm der Nachttopf des kleinen Sigmund entleert wurde. Beweise gibt es dafür nicht. Ich hielt das zunächst für einen Scherz beziehungsweise eine überlieferte Legende. Dann habe ich aus Neugier einige Sachkenner gefragt, ob der Birnbaum tatsächlich so alt sein könnte. Was ich erfuhr, hat mich überrascht. Es hieß, der Birnbaum sei sehr alt und hätte daher schon Freud erlebt haben können“, so der Mitarbeiter des Infozentrums.

Couch aus Bronze

Couch aus Bronze | Foto: Jitka Mládková,  Radio Prague International
Originalgegenstände aus den ersten drei Lebensjahren von Sigmund Freud bietet das Geburtshaus natürlich nicht. Aber das ist es auch nicht, was die Besucher erwarten. Und es sind durchaus einige Menschen, die das Museum in der kleinen Stadt sehen wollen.

„Die Besucherzahl beläuft sich auf rund 3000 pro Jahr. Wir führen jedoch keine Statistik darüber, wie viele von ihnen aus dem Ausland kommen. Meinen Schätzungen nach dürften ungefähr 60 Prozent tschechische Touristen sein und 40 Prozent aus anderen Ländern. Hier an der Wand hängt eine Landkarte mit Stecknadeln. Diese bezeichnen die Wohnorte, aus denen unsere Besucher bisher gekommen sind. Es ist praktisch die ganze Welt“, sagt Miroslav Růžička.

Gedenktafel  (Foto: Michal Maňas,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0)
Ein Kunstwerk vor dem Museumsgebäude weist im Übrigen unverkennbar auf den weltbekannten Psychiater hin. Es stellt die berühmte Couch dar, auf der Freuds Patienten lagen, um sich seiner Psychoanalyse zu unterziehen. Das bronzene Abbild des Möbelstücks wurde von einer Schmiede im mittelböhmischen Buštěhrad geschaffen. Als Vorlage diente das Original, das im Londoner Sigmund-Freud-Museum aufbewahrt wird.

Freud selbst kam nur noch einmal später nach Příbor. Als 16-jähriger Gymnasiast besuchte er während der Sommerferien seinen Freund Ignaz Flus. Dessen Vater war Besitzer der Tuchfabrik in der Stadt.

1931 feierte Freud seinen 75. Geburtstag. Aus diesem Anlass wurde eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus angebracht. Der Jubilar bedankte sich dafür beim Bürgermeister der Stadt in einem persönlichen Brief. Darin schrieb er unter anderem, dass er sich nur an Weniges aus seinen ersten Jahren erinnern könne. Trotzdem denke er, so Freud, dass sich tief in ihm das glückliche Kind von Freiberg eingebrannt habe.

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