Damit Stillen zur Normalität wird

Illustrationsfoto: seeseehundhund, Pixaby / CC0
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Wie steht die tschechische Gesellschaft zum Stillen in der Öffentlichkeit? Diese Frage stellt man sich hierzulande nach einem Vorfall in einer Bank, bei dem eine stillende Frau aus den Geschäftsräumen geworfen wurde. Am Montag gab es dazu nun ein kleines Happening.

Illustrationsfoto: seeseehundhund,  Pixaby / CC0

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Ende März will eine junge Mutter am Schalter einer Prager Filiale der Raiffeisenbank Geld abheben. Die Wartezeit ist sehr lang, und ihre einjährige Tochter wird quängelig. Die Frau überlegt nicht lange, setzt sich auf eine Sitzbank, holt ihre Brust raus und stillt das Kind. Die Reaktion des Kreditinstituts war jedoch heftig. Ein Sicherheitsangestellter verwies die Mutter der Filiale, sie solle den Exhibitionismus unterlassen, hieß es.

Die junge Frau machte den Vorfall öffentlich, und es hagelte Kritik von allen Seiten. Unter anderem die NGO „Laktační liga“, auf Deutsch bedeutet das so viel wie „Still-Liga“, bezog auf Facebook Stellung, Zitat:

„Die Bedeutung des Stillens ist in der Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 1991 beschrieben, die Kindern ein Recht auf Muttermilch garantiert und die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtet, geeignete Bedingungen für das Stillen zu ermöglichen. Darüber hinaus hat Tschechien im Jahr 2014 das Projekt ‚Gesundheit 2020‘ ins Leben gerufen, wobei eine der Prioritäten gerade die Ernährung von Kindern mit Muttermilch war. […] Die tschechische Gesellschaft ist dem Stillen gegenüber durchaus tolerant, weshalb das Verhalten des Sicherheitsdienstes in der Raiffeisenbank umso verwunderlicher ist. Vor allem, weil die betroffene Mutter sehr diskret war. Eine Entschuldigung wäre schön, aber das unangenehme Gefühl, das durch die Situation entstanden ist, lässt es einem kalt den Rücken runterlaufen. So etwas sollte gar nicht erst geschehen.“

Still-Guerillera  (Foto: YouTube)
Die Bank entschuldigte sich tatsächlich bei der jungen Mutter und ihrem Kind. Die Debatte war damit jedoch noch lange nicht beendet. Still-Aktivistinnen riefen für diesen Montag zu einem „Feed-In“ in der besagten Bankfiliale auf. Mütter sollten die Geschäftsstelle besetzen und dort öffentlich ihre Kinder stillen. Unter anderem Lucie nahm daran teil:

„Die Reaktion der Bank finde ich überzogen. Mit einer Mutter, die ihrem Kind das Fläschchen gibt, wäre man wohl nicht so umgegangen. Unser Protest ist vielleicht etwas provokativ, aber anders kann man sich wahrscheinlich kein Gehör verschaffen.“

Die Raiffeisenbank hatte das Happening zugelassen und wehrte sich nicht dagegen. Die Sprecherin des Geldinstituts, Petra Kopecká, machte jedoch deutlich:

Kateřina Olivová  (Foto: Brian Kenety)
„Wir waren darum bemüht, dass unsere Kunden so wenig wie möglich von der Aktion betroffen sein sollten. Zum Beispiel konnten Klienten mit vereinbartem Termin ihre Finanztransaktionen in anderen Räumen der Bank abwickeln. Die Mütter konnten ihre Kinder dann in Ruhe versorgen, denn einen anderen Zweck hatte ihr Besuch hier ja nicht. Aufgrund der spezifischen Situation wollten wir die Aktion ermöglichen. Dennoch will ich darauf hinweisen, dass Mütter in unserer Bank ihre Kinder ungestört in besonderen Räumlichkeiten stillen.“

Zum „Feed-In“ kamen am Ende jedoch nur vier Mütter mit ihren Kindern, der Erfolg war also mäßig. Dennoch sei die Aktion sinnvoll gewesen, meint die selbsternannte Still-Guerillera und Organisatorin des Protestes, Kateřina Olivová:

Iva Strnadová  (Foto: Archiv von Iva Strnadová)
„Viele waren wir nicht, immerhin haben wir aber gut in die Räume der Bank gepasst, ohne den Betrieb unnötig aufzuhalten. Insgesamt wünsche ich mir jedoch, dass Mütter bei der Erziehung ihres Kindes unterstützt werden, und zwar egal, wie sie diese gestalten wollen. Es muss einfach mehr gestillt werden, und das sollte zur Norm werden.“

Kateřina Olivová hat in der Vergangenheit ebenfalls negative Erfahrungen gemacht, sie wurde wegen Stillens aus einem Prager Café geworfen. Dass das Stillen in der Öffentlichkeit nach wie vor ein Reizthema ist, weiß auch Iva Strnadová. Die Journalistin beschäftigt sich schon seit langem mit dem Thema. Ein Grund dafür ist, das Stillen lange ein Tabu war in der Tschechoslowakei und Tschechien:

„Die Frauen hierzulande sind es einfach nicht gewöhnt. Auch die jüngste Generation von Müttern hatte nie einen Bezug zum Stillen, bis sie es nicht selbst machen musste. Auch heutzutage sagt kaum jemand, dass Stillen etwas ganz Normales ist.“