Forschungsprojekt „In der Lawine verschüttet“

Foto: Archiv der Technischen Hochschule in Prag

In den vergangenen Wochen war nicht nur in den Alpen, sondern auch in den tschechischen Mittelgebirgen die Lawinengefahr sehr hoch. Wie ergeht es einem aber, wenn man von den Schneemassen verschüttet wird? Daran forschen derzeit Wissenschaftler von der Technischen Hochschule in Prag.

Foto: Archiv der Technischen Hochschule in Prag

Lawine  (Illustrationsfoto: Henk Monster,  Panoramio,  CC BY 3.0)
Es ist die Horrorvorstellung für alle, die im Winter abseits der Pisten unterwegs sind: dass man in eine Lawine gerät. Wie sich die Atmung verändert, wenn man unter Schnee ist, das erforscht derzeit Karel Roubík von der Technischen Hochschule in Prag mit seinem Team. Er ist Professor an der Fakultät für biomedizinische Technik.

Mit dabei ist Probandin Anna. Sie wird an ein Atemgerät angeschlossen. Das aber hilft nicht dabei, mehr Luft zu bekommen, sondern im Gegenteil, wie Karel Roubík erläutert:

„Sie wird jetzt in einem ähnlichen Umfeld atmen müssen, wie wenn sie in Schnee eingeschlossen ist. Dabei wird Anna immer weniger Sauerstoff erhalten, und der Kohlenmonoxid-Gehalt in ihrem Blut steigt. Wir messen sowohl alle physiologischen Werte, als auch den Luft-Austausch im Schnee. Damit wollen wir herausfinden, was letztlich in einer Lawine am hilfreichsten ist.“

Foto: Archiv der Technischen Hochschule in Prag
Anna atmet in einen Schlauch. Am Ende ist ein großer Trichter mit so etwas wie Granulat – konkret ist es Perlit, wie es zum Beispiel zum Dämmen beim Wohnungsbau verwendet wird. Wenn man Perlit einweiche, würden seine Eigenschaften denen von Pressschnee entsprechen, erläutert Roubík.

Probandin Anna liegt auf dem Bauch. Sie hat nun eine Klammer auf der Nase und darf nur noch durch den Mund atmen. Die Ärztin Lenka Horáková wacht über das Experiment und beobachtet die medizinischen Geräte.

„Wir hören, wie sich der Herzschlag erhöht. Für Anna ist schon der Beginn des Experiments leicht stressig.“

Zwei Minuten und 50 Sekunden hält es Anna aus. Dann bittet sie darum, befreit zu werden. Kurze Zeit später schildert die Probandin ihren Zustand:

„Mir ist schwindlig geworden, und ich habe etwas Nebel um mich herum gesehen. In der Realität wäre es wohl noch viel schlimmer gewesen.“

Auch das zeigt: Nur wenige Minuten können über Leben und Tod entscheiden.

Karel Roubík  (Foto: Archiv der Technischen Hochschule in Prag)
Mitte Januar kamen ein Mann und sein Sohn aus Tschechien am Ankogel in Kärnten in eine Lawine. Der 24-jährige Sohn wurde mitgerissen. Obwohl die Rettungskräfte schnell da waren und beide Tourengeher die richtige Ausrüstung hatten, kam die Hilfe zu spät. Die erste Viertelstunde unter Schnee überleben zwar 90 Prozent der Verschütteten, die nächste aber weniger als 30 Prozent. Karel Roubík kann mit seiner bisherigen Forschungsreihe bestätigen, was seit einiger Zeit daher auch die Bergrettungsdienste empfehlen:

„Eine Atemhöhle, die man sich schafft, verhilft nicht zu mehr Luft. Entscheidend ist vielmehr, ob die Atemwege bei einem verschütteten Menschen frei sind. Sie dürfen nicht direkt von Schnee umschlossen sein, dann kann man auf jeden Fall nicht mehr atmen.“

Foto: Archiv der tschechischen Bergwacht
Die tschechische Bergwacht begrüßt, dass diese These nun auch wissenschaftlich belegt wird. In einer Empfehlung heißt es: Wird man von einer Lawine erfasst, sollte man mit beiden Armen und Händen das Gesicht und den Brustkorb schützen. Gemeint ist damit eine Haltung der Arme wie bei Boxern in der sogenannten Doppeldeckung.

Die Wissenschaftler haben neben der Testreihe noch eine Umfrage gestartet. Von Menschen, die schon einmal von einer Lawine verschüttet wurden, wollen sie wissen, was sie durchstehen mussten.