Vater der Abstraktion: Kupka-Schau in Prag
František Kupka ist einer der bedeutendsten Künstler der abstrakten Welt-Malerei. Sein Bild „Amorpha, Fuge in zwei Farben“ gilt als das überhaupt erste abstrakte Gemälde, das in der Öffentlichkeit ausgestellt wurde. Dazu kam es 1912 beim Pariser Herbstsalon. Im Frühling dieses Jahres stand das blau-rote Gemälde im Mittelpunkt einer großen Kupka-Ausstellung, die im Grande Palais in Paris gezeigt wurde. 230.000 Besucher haben sich dort die Werke des weltweit bekanntesten tschechischen Malers angeschaut. Für die Herbstmonate wurde die Retrospektive nun nach Prag gebracht. Der Generaldirektor der Nationalgalerie Prag Jiří Fajt im Gespräch.
„Die Antwort ist mehrschichtig. Zum einen handelt es sich um ein internationales Projekt, bei dem wir mit Kollegen aus dem Centre Pompidou in Paris zusammenarbeiten. Das ist ein Paradebeispiel dessen, was die Galerie auch künftig machen muss – das heißt, internationale Projekte gemeinsam mit ausländischen Partnern zu entwickeln. Des Weiteren geht es vor allen Dingen um das Schaffen von František Kupka. Wir wissen, welche bedeutenden Werke von ihm stammen. Sie sind nicht nur in Tschechien entstanden, sondern vor allem auch in Frankreich, konkret in Paris, wo er gelebt und gewirkt hat und schließlich 1957 auch gestorben ist. František Kupka war ein Einzelgänger und hat einen eigenen Weg gefunden. Man kann ihn mit seinen Zeitgenossen wie Picasso, Delaunay und Duchamp vergleichen, aber jeder Vergleich scheitert eben daran, wie Kupka seine Sachen im Alleingang entwickelt hat, wie eigenartig seine Sachen dastehen. Und zum Dritten: Die Ausstellung ist für die Nationalgalerie wichtig. Wir erhoffen uns auch eine große Besucherzahl. Ich hoffe, dass die Art, wie die Werke in den intimen Räumlichkeiten der Wallenstein-Reithalle präsentiert sind, die Besucher ansprechen wird. Wir haben hier visuelle Dialoge geschaffen. Das ist bestimmt eine der größten Vorteile gegenüber den monumentalen Räumlichkeiten des Grand Palais, wo die Sachen meiner Meinung nach schon ein bisschen verloren waren.“
Kupka ging seinen eigenen Weg, wie Sie gesagt haben. Er gilt als Begründer der abstrakten Malerei. Kann der Besucher aufgrund der Bilder hier seinen Weg, seine Sicht auf die Form und ihre Darstellung nachverfolgen?„Auf jeden Fall. Wir haben uns bei der Reihenfolge der Kunstwerke an die Chronologie gehalten. Ganz am Anfang der Ausstellung können die Besucher seine figurativen Bilder sehen. Kupka war zunächst eigentlich Mitglied der symbolistischen Bewegung. Wenn man aber tiefer in den Raum der Ausstellung vordringt, stellt man fest, was mit seinem Schaffen passiert ist: Er hat Figuren in abstrakte Formen umgewandelt. Und schließlich sieht man, was er in den letzten beiden Jahrzehnten geschaffen hat, wie er seine Kompositionen der geometrischen Ordnung unterordnet hat. Ich glaube schon, dass man seine Entwicklung hier in der Reithalle gut nachverfolgen kann.“
Die letzte große retrospektive Ausstellung von Kupkas Werken wurde 1989 in Paris gezeigt. Wie unterscheiden sich die beiden Ausstellungen? Wird sein Schaffen heute anders wahrgenommen?„Die Forschung ist in den drei Jahrzehnten vorangeschritten. Den Kollegen, die sich mit der modernen Kunst beschäftigen, ist viel klarer geworden, welche Bedeutung František Kupka hatte. Er war nicht nur Maler, sondern auch ein hoch intellektuell begabter und sehr ausgebildeter Künstler. Er pflegte Kontakte zu geistigen Grüßen wie Apollinaire und Duchamp. Ich glaube, diese komplexe Persönlichkeit von František Kupka kommt jetzt viel mehr zum Tragen als vor drei Jahrzehnten.“
Woher stammen die Bilder, die in der Wallenstein-Reithalle jetzt ausgestellt sind?„Es ist kein Zufall, dass wir uns mit dem Centre Pompidou zusammengetan haben. Denn wir als Nationalgalerie und das Centre Pompidou Paris besitzen den größten Bestand an Kupkas Werken. Der Kern der Ausstellung stammt also aus unseren beiden Sammlungen, aber darüber hinaus haben wir viele Leihgaben aus den Vereinigten Staaten, zum Beispiel aus dem Guggenheim-Museum in New York, aber auch von privaten Sammlern. Daher werden die Besucher hier wahrscheinlich viele Kunstwerke überhaupt zum ersten Mal sehen.“
Mit Kupka startet eine Reihe mehrerer Ausstellungen, die sich auf Frankreich beziehen. Warum diese Gewichtung?
„In diesem Jahr erinnern wir an die Gründung des ersten eigenständigen tschechoslowakischen Staates vor 100 Jahren. Die Identität der ‚Ersten Tschechoslowakischen Republik‘ ist auch aus starken französischen Wurzeln erwachsen. Prag und Paris bildeten eine Achse, auf der nicht nur kulturelle, sondern auch intellektuelle und politische Gedanken ausgetauscht wurden. Das ist der Grund, warum wir uns in der Nationalgalerie im ganzen Herbst 2018 mit diesen tschechisch-französischen Kontakten und Verflechtungen beschäftigen. Wir eröffnen am 23. Oktober eine neue Hängung unserer Kunstsammlung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt auf die Jahre 1918 bis 1938. Das waren die beiden Jahrzehnte, in denen die Erste Tschechoslowakische Republik Bestand hatte. Und als Drittes kommt noch ein Projekt im Kinsky-Palais hinzu, das Mitte November startet. Dabei zeigen wir Werke tschechischer Künstler, die eine gewisse Zeit in der Bretagne verbracht und dort Werke geschaffen haben. Wir zeigen aber nicht nur die Tschechen, sondern auch ihre französischen Kollegen, Freunde und Zeitgenossen.“Die Ausstellung in Prag ist in der Wallenstein-Reithalle auf der Kleinseite in Prag zu sehen, und zwar noch bis 20. Januar 2019. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs bis 20 Uhr.
Die Ausstellung „František Kupka 1871 – 1957“ ist chronologisch geordnet und in thematische Bereiche geteilt, die den Weg des Künstlers darstellen: von den symbolistischen Bildern über expressionistische Porträts bis hin zur abstrakten Malerei. Gezeigt werden Kupkas bekannte einfarbige Vertikalen, seine Bilder, die die Sprache der Formen und Farben ausdrücken, Gemälde im Stil des sogenannten Maschinismus und geometrische Abstraktionen.