Albtraum Eigenheim

Foto: ČTK / Ondřej Deml
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Für ihre Wohnung haben sie gleich zweimal bezahlt. Nun müssen sie diese innerhalb eines Monats räumen.

Foto: ČTK / Ondřej Deml
Man müsse ihn in Handschellen rausführen. Freiwillig werde er nicht gehen, sagt ein Mann aus Horoměřice. Seine Nachbarin stellt die Frage, wo man innerhalb von 30 Tagen ein neues Dach über dem Kopf finden könne. Und warum auch? Sie habe niemandem etwas genommen. Es sei doch ihr Heim.

So haben die Bewohner von 60 Wohnungen in dem Prager Vorort Horoměřice auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs reagiert. Es handelt sich um ehemalige Kunden des Bauunternehmens H-System. Dieses hat in den 1990er Jahren unter dem Werbeslogan „Träume deinen Traum“ den Bau billiger Wohnungen und Einfamilienhäuser in der Umgebung von Prag versprochen. Tatsächlich handelte es sich aber um ein Schneeballsystem, und die Firma ging pleite. Rund 1000 Kunden verloren insgesamt rund eine Milliarde Kronen (3,86 Millionen Euro).

Zdeněk Krčmář  (Foto: ČTK / Jan Tomandl)
Der Gründer des insolventen Bauunternehmens hat seine zwölfjährige Haftstrafe inzwischen abgesessen. Für einige der Kunden, die um ihre Ersparnisse und Häuser gebracht wurden, geht die Causa aber weiter. Kurz nach dem Bankrott von H-System gegründeten die geprellten Häuslebauer die Wohngenossenschaft Svatopluk. Sie investierten noch einmal und bauten ihre Wohnungen und Häuser selbst fertig – allerdings ohne Zustimmung des Insolvenzgerichts. Dies wäre nötig gewesen, denn die Grundstücke befanden sich immer noch im Besitz des bankrotten Unternehmens. Nun müssen die Bewohner ihre Wohnungen und Häuser laut dem Urteil des Obersten Gerichtshofes räumen, und das nach 20 Jahren. Der Vorsitzende der Gerichtssenats, Zdeněk Krčmář, gab der Klage des jetzigen Insolvenzverwalters statt. Krčmář zufolge hat das Gericht die beste von vielen schlechten Lösungen gewählt:

Foto: ČTK / Ondřej Deml
„Das Gericht hat keine Sittenwidrigkeit festgestellt. Denn der derzeitige Insolvenzverwalter hat unserer Meinung nach nicht die direkte Absicht, die Angeklagten zu beschädigen.“

Das insolvente Unternehmen H-System wird von Josef Monsport abgewickelt. Dieser begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Seiner Aussage nach können nun alle Gläubiger gerecht entschädigt werden.

„Ich muss das gemeinsame Interesse aller Gläubiger verteidigen, nicht nur einige Dutzend Familien in Horoměřice. Insgesamt liegt die Zahl der Geschädigten bei 1000 oder noch mehr.“

Monsport plant, die Wohnungen in Horoměřice zu verkaufen und das Geld unter allen Geprellten zu verteilen.

Martin Junek  (Foto: ČTK / Jaroslav Beneš)
Die Wohngenossenschaft Svatopluk will sich gegen die Entscheidung wehren. Ihr Vertreter Martin Junek sagte dem Tschechischen Rundfunk, es sei sinnlos, die Menschen zur Räumung ihrer Wohnung zu zwingen:

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen innerhalb eines Monats umziehen werden. Sie haben keine andere Bleibe.“

Die Genossenschaftsmitglieder haben noch die Chance, sich an das Verfassungsgericht zu wenden, wie Justizminister Jan Kněžínek (Ano) bestätigte:

Miloš Zeman und Jan Kněžínek  (Foto: ČT24)
„Möglich ist eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Grundrechte. In diesem Fall käme etwa der Artikel 11 der Grundrechtecharta zum Tragen, das heißt der Eingriff in das Besitzrecht.“

Die Gerichtsentscheidung wurde von mehreren Politikern kritisiert. Das Urteil im Betrugsfall um die Immobilien-Firma H-System wecke Zweifel an der Qualität und Menschlichkeit der tschechischen Gerichtsbarkeit. So kommentierte Staatspräsident Miloš Zeman den Rechtsspruch. Bereits vorher hatte Premier Andrej Babiš (Partei Ano) das Urteil als Unrecht bezeichnet. Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) kündigte an, den Menschen finanzielle Hilfe und provisorische Unterkünfte anzubieten.

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