Maroni und viel Schnee: Weihnachten vor 150 Jahren
Weihnachten im Prag des 19. Jahrhunderts ist das Thema einer neuen Ausstellung im Schloss Ctěnice.
Im Schloss Ctěnice war vor einigen Jahren eine Dauerausstellung über die Geschichte der Handwerkerzünfte seit dem Mittelalter bis zur Gegenwart gezeigt. In einer neuen Ausstellung werden nun die Traditionen und das Handwerk in der Weihnachtszeit beschrieben. Vom Schlosseingang geht es über den Hof in die Säle, aus denen Weihnachtsmusik erklingt. Radka Šamanová vom Prager Stadtmuseum ist Kuratorin der Schau.
„Wir beschäftigen uns in Ctěnice hauptsächlich mit der Volkskultur und dem Handwerk. Darum konzentrieren wir uns auch in dieser Schau auf die Handwerker während des Advents und der Weihnachtszeit. Dazu gibt es aber noch einen breiteren Rahmen. Gezeigt wird zudem, wie das Weihnachtsfest in einer Prager Bürgerfamilie am Ende des 19. Jahrhunderts gefeiert wurde.“
Anfang Dezember wurde auf dem Altstädter Ring der Nikolaus-Markt eröffnet. Bis zum Heiligen Abend sei er ein Zentrum des Weihnachtsgeschehens ind der tschechischen Hauptstadt gewesen, sagt die Kuratorin:„Schon am Morgen haben dort die Verkäufer gebratene Maroni und Kartoffeln verkauft. In den Ständen wurde Spielzeug aus Holz, Papier und Teig angeboten. Zudem konnte man Puppentheater, Marionetten oder Teufelsfiguren an den Buden erstehen, gerade die waren am Nikolaustag sehr gefragt. Zudem gab es verschiedene Delikatessen, vor allem exotisches Obst. Natürlich wurden dort auch Christbäume und in der letzten Adventwoche auch Karpfen verkauft.“
Im langen Rock über Schneeberge
Laut Zeitzeugenberichten habe in Prag oft schon Ende November Schnee gelegen, so die Kuratorin. Die weiße Pracht haben die Straßenfeger mit dem Besen nur von einer Seite der Straße auf die andere gefegt. An den Bordsteinen bildeten sich große Schneehaufen, erzählt die Kuratorin.„Wenn ein Prager auf die andere Seite gehen wollte, musste er diese Berge überwinden. Vor allem Damen in langen Röcken hatten ihre Probleme damit. Es lag damals wirklich viel Schnee in der Hauptstadt. Die Moldau war zugefroren, und es war üblich, Schlittschuh auf dem Fluss zu laufen. Die Kinder bauten überall Schneemänner.“
Einer der Ausstellungsräume wurde in einen Salon aus dem 19. Jahrhundert verwandelt, erzählt Radka Šamanová.
„Dort sieht man, wie die Familie den Heiligen Abend verbrachte. Ende des 19. Jahrhunderts wurden bestimmt schon Weihnachtsbäume in den Prager Haushalten geschmückt. Dieser Brauch verbreitete sich in den Böhmischen Ländern gegen Anfang des 19. Jahrhunderts. Den Weihnachtsschmuck hat man damals meistens aus Naturmaterial gebastelt: der Baum wurde mit Nüssen, Trockenfrüchten sowie mit kleinen Lebkuchen verziert. In den 1920er Jahren kamen Glaskugeln und Weihnachtsschmuck aus Glasperlen hinzu.“
Zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken gehörten Pfeifen und Tabakbeutel für die Männer oder Stoffe und Muffe für die Frauen. Kinder in den ärmeren Familien bekamen Spielzeug, das aus Holz und getrockneten Früchten gebastelt wurde. In den reicheren Familien lagen Schaukelpferde, Marionetten, Puppen und Zinnsoldaten unterm Christbaum.Kalender vom Bäcker
Nicht nur der Salon einer bürgerlichen Familie wurde im Schloss nachgebaut, sondern auch eine zeitgemäße Küche. Jeden Samstag wird darin eine Hausfrau in Kleidung aus dem 19. Jahrhundert hinterm Herd stehen, erzählt Radka Šamanová.
„Sie wird dort Weihnachtsplätzchen backen. Das ist erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliebt geworden. Dies hängt damit zusammen, dass es damals schon in den Haushalten relativ moderne Backöfen gab. Zudem waren zu der Zeit mehrere der Zutaten erschwinglicher als zuvor. Dies gilt vor allem für Zucker und Gewürze. Die Hausfrauen haben in der Regel zwei Weihnachtskuchen gebacken, den dritten bekamen sie meist gratis vom Bäcker. Damit bedankten sich die Meister bei ihren Kundinnen dafür, dass sie das ganze Jahr lang bei ihnen eingekauft haben.“
Alle Exponate in der Ausstellung stammen aus den Sammlungen des Prager Stadtmuseums, das das Schloss seit fünf Jahren verwaltet. Einige der Gegenstände werden zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Kuratorin:„Dazu gehören beispielsweise die historischen Schlittschuhe, die ,šlajfky‘ genannt wurden. Hier ist auch eine Kerze zu sehen, die traditionell am 2. Februar – dem Maria Lichtmess-Tag - gesegnet wurde. Im Volksmund hieß sie ,hromnička‘.“
Weihnachtsgruß aus Bronze
Zu sehen sind zudem mehrere Weihnachtskrippen, Heiligenbilder sowie alte Kalender und Weihnachtskarten. Schon im 19. Jahrhundert schickte man solche Grüße an Freunde und Verwandte, erzählt die Kuratorin:
„Nicht alle Weihnachtskarten waren aus Papier. Es gab auch Neujahrsglückwünsche aus Bronze. Wir zeigen hier zwei Bronzeplaketten, die aus diesem Anlass verschickt wurden. Sie wurden in der Werkstatt des renommierten Medailleurs Franta Anýž hergestellt.“
Zu den Kuriositäten der Ausstellung gehört ein ganz besonderer Kalender. Radka Šamanová:
„Kalender wurden auch von Zünften und Vereinen herausgegeben. Wir stellen hier einen herrlichen Wandkalender der Prager Stubenmädchen aus. Wenn man die Titelseite hebt, sieht man eine Landkarte Böhmens. Unter der Landkarte gibt es einen Stadtplan von Prag und unter dem Stadtplan verbirgt sich noch ein Herbar. Jede Hausfrau hatte im 19. Jahrhundert schon vor Jahresende einen neuen Kalender zu Hause. Darin fand man meist auch praktische Ratschläge und Kochrezepte, Witze oder kurze Geschichten. Im 19. Jahrhundert herrschte ein regelrechter Kalender-Boom. Die ersten gab es aber schon im 16. Jahrhundert.“
Mehr über das Begleitprogramm der Ausstellung finden Sie unter www.muzeumprahy.cz. Die Schau heißt „Das weihnachtliche Prag – Traditionen und Handwerk vom Advent bis Maria Lichtmess“. Sie ist im Schloss Ctěnice bis 4. Februar 2018 zu sehen. Das Schloss ist täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, am Wochenende ist es bis 18 Uhr zugänglich. Das Schloss befindet sich im Stadtteil Vinoř im neunten Prager Stadtbezirk und ist mit dem Bus Nr. 302 von der U-Bahn-Haltestelle Palmovka zu erreichen.