120 Jahre Gefängnis in Uherské Hradiště (2.Teil)
Die Gestapo und die kommunistische Staatssicherheit (StB) hatten beim Umgang mit den Gefangenen einiges gemeinsam. Beispiele findet man auch in Uherské Hradiště.
Folterungen und andere grausame Vernehmungsmethoden sowie Todesurteile gab es allerdings schon in den vorausgegangenen Jahren, als dort die nationalsozialistische Gestapo das Sagen hatte. Vieles weiß Pavel Portl, Historiker und Kurator einer Ausstellung, die das örtliche Museum der Mährischen Slowakei im diesjährigen Frühjahr eröffnete. Übrigens die allererste landesweit.
„Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hat sich das Regime im Gefängnis von Uherské Hradiště grundsätzlich verändert. Die Anstalt wurde zum Hauptquartier der Gestapo und diente als eine Untersuchungshaft für die Festgenommenen. Ihre Zahl verdoppelte sich fortlaufend. Sie blieben in der Regel nur einige Tage, höchstens aber ein paar Wochen, und wurden dann anderswohin abtransportiert. Meistens ins ehemalige Studentenheim Kaunice in Brünn, wo die Vernehmungen fortgesetzt wurden. Oder auch in ein Konzentrationslager. Die Fluktuation war enorm. Es handelte sich um über 12.000 Menschen, die im Laufe des Zweiten Weltkriegs in diesem Gefängnis eigesperrt waren.“
Unter den Insassen waren nach wie vor gewöhnliche Kriminelle. Für diese war immer noch das Kreisgericht zuständig, das seit den 1850er Jahren seinen Sitz in der Stadt hatte. Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzung wurden aber schnell zur Mehrheit unter den Insassen. Insbesondere Mitglieder der größten und bekanntesten Widerstandsorganisation ‚Obrana národa‘. Hinzu kamen auch Mitglieder der Untergrundorganisation der kommunistischen Partei, die in der Umgebung von Uherské Hradiště operierte.
Ins Gefängnis kamen aber auch Menschen, die den Freiheitskämpfern nur indirekt halfen. So auch den tschechoslowakischen Fallschirmjägern im Dienst der britischen Krone, die 1942 im Protektorat Böhmen und Mähren ausgesetzt wurden. Einige landeten auch in der Region Südmährens. Zwei wurden bald nahe von Uherské Hradiště von der Gestapo entdeckt:„Einer von ihnen erschoss sich selbst, nachdem er in seinem Versteck umzingelt wurde. Der andere wurde von der Gestapo getötet. Danach begann eine massive Fahndung nach den Helfern. 1943 fällte ein Sondergericht aus Brünn, das in Uherské Hradiště tagte, insgesamt 21 Todesurteile. Die Hinrichtungen fanden in Wien statt, wo die Opfer in einem Massengrab in Leopoldstadt verscharrt wurden.“
Helden und Verräter
Die Unterstützung der Bevölkerung für den Widerstand sei während des Krieges groß gewesen, so Pavel Portl. Auf der anderen Seite habe es auch Verräter gegeben. Im Fall eines der Fallschirmjäger habe man in der Stadt gemunkelt, dass dessen Vater selbst ein Verräter gewesen sei.
Trotz all dem, was während des Zweiten Weltkriegs im Gefängnis von Uherské Hradiště über die Bühne ging, betrachtet der Historiker die Zeit des Kommunismus als ein besonders unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Strafanstalt. Insbesondere die stalinistischen 1950er Jahre.
Ein Vorspiel dazu kam jedoch bereits kurz nach Kriegsende. Aufgrund des sogenannten großen Retributionsgesetzes, unterzeichnet am 19. Juni 1945 von Staatspräsident Edvard Beneš, wurden landesweit außerordentliche Volksgerichte einberufen. Ihre Aufgabe war „die Verfolgung und Verurteilung von Nazi-Verbrechern, Verrätern und ihren Helfershelfern“, wie es damals hieß. Pavel Portl:
„Innerhalb von etwa drei Jahren wurden in Uherské Hradiště 1216 Menschen vor das Volksgericht gestellt. Es war eine hohe Zahl, weil es sich ebenso um Bewohner der umliegenden Gerichtsbezirke handelte. Jedes einzelne Verfahren wurde protokolliert. Heutzutage werden alle Dokumente im Mährischen Landesarchiv in Brünn aufbewahrt. Das Volksgericht in Uherské Hradiště fällte insgesamt 46 Todesurteile. Nicht bei allen ist der Ort der Hinrichtung belegt. Fest steht, dass neun Menschen im Innenhof des hiesigen Gefängnisses hingerichtet wurden. Es war zum ersten Mal in der Geschichte der Anstalt.“Die Hinrichtungen fanden damals ein bis zwei Stunden nach dem Urteilsspruch statt. Es gab dadurch praktisch keine Möglichkeit zur Berufung. Die Kompetenzen des Gerichts zeugten von seiner bedeutenden Position in der Justiz jener Zeit.
Zeit der Hysterie und des Grauens
In den 1950er Jahren wurde das Gefängnis zum Sitz der Ermittlungsabteilung der gefürchteten Geheimpolizei „StB“ – „Staatssicherheit“. Eine gewisse Zeit zuvor führte man die Festgenommenen in Handschellen vom damaligen StB-Hauptquartier durch die Stadt ins Gefängnis. Zu Fuß, obwohl die StB über ein Auto verfügte. Ihr Umgang mit den Menschen – generell gesehen ist in die Geschichte des Justizvollzugs hierzulande eingegangen. Stichwort „elektrische Schuhe“. Pavel Portl:
„‚Elektrische Schuhe‘, auch Elektroimpulsgerät genannt, waren eine ganz besondere Vernehmungstechnik im Gefängnis von Uherské Hradiště. Der ‚Erfinder‘ dieses Foltergeräts soll Ludvík Hlavačka gewesen sein, er war ab 1949 der erste Chef der StB-Kreiskommandantur. Es handelte sich um spezielle Metalleinlagen in den Schuhen, die durch Drähte miteinander verbunden und während der Vernehmung ans Stromnetz angeschlossen wurden. Diese Methode, die Verbrennungen und Krämpfe zur Folge hatte, wurde bei besonders bedeutenden Persönlichkeiten angewendet.“Übrigens war es gerade Ludvík Hlavačka, der nach seiner Beförderung zum Chef des Grenzschutzes die Stacheldraht-Barriere an der Grenze zu Österreich und der Bundesrepublik Deutschland installieren ließ.
Im Gefängnis von Uherské Hradiště bediente man sich einer ganzen Reihe von Zwangsmethoden, um Schuldbekenntnisse zu erpressen.
„Insbesondere Frauen wurden oft psychisch unter Druck gesetzt. Sie sollten mit Drohungen eingeschüchtert werden, ihren Familienangehörigen, vor allem Kindern, könnte etwas Böses passieren. Nicht selten bekannten sich etliche von ihnen auch zu Dingen, die sie nicht getan und von denen sie nichts gewusst hatten. Die meisten Vernehmungen verliefen nach einem festen Szenario mit bereits vorher festgelegtem Ausgang.“
Noch Anfang der 1950er Jahre fanden Gottesdienste in der Gefängniskapelle statt.
„Sie waren jedoch fingiert. StB-Männer begleiteten gläubige Häftlinge im Priestergewand zum Beichtstuhl. Ziel war es, beim üblichen Sündenbekenntnis auch wichtige Informationen zu bekommen. Diese sollten der jeweiligen Person dann zur Last gelegt werden. Die Mehrheit der politischen Gefangenen war katholisch und kannte die Liturgie gut. Für sie war es kein Problem zu erkennen, wenn ein Priestergewand vom Typ oder der Farbe her nicht zu einer konkreten Kirchenfeier passte. Nachdem sich dies im Gefängnis herumgesprochen hatte, wollte niemand mehr zur Beichte gehen. Für die StB-Beamten war es ein absolutes Fiasko. Die Gottesdienste wurden abgeschafft.“Im Strafvollzug blieben bis in die 1950er Jahre auch einige Regeln bestehen, an die man sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg gehalten hatte. Es galt nach wie vor, dass diejenigen, die zum Freiheitsentzug bis zu einem Jahr verurteilt wurden, die Strafe vor Ort absitzen konnten. Es handelte sich dabei um „gewöhnliche“ Kriminelle. Die anderen hingegen, und das war die Mehrheit der Verurteilten, schickte man in andere Strafanstalten. Ihre Freiheitsstrafen betrugen oft 15 oder 20 Jahre, oder sogar noch mehr. Nicht nur in Uherské Hradiště, wohl gemerkt. Von dort wurden die politischen Gefangenen am häufigsten in die berüchtigten Haftanstalten in Pilsen-Bory oder in Prag-Pankrác gebracht. Oder aber für die Zwangsarbeit in einem Uran- oder Kohlebergwerk eingesetzt. Viele Frauen kamen ins Gefängnis im ostböhmischen Pardubice.
Eine der wenigen noch lebenden politischen Gefangenen aus den 1950er Jahren ist Anna Honová (1926). Sie lebt in Uherské Hradiště und ist Mitbegründerin der tschechischen Konföderation politischer Häftlinge. Im Gefängnis von Uherské Hradiště verbrachte sie 19 Monate in der Untersuchungshaft. In einem Videogespräch mit Aleš Durďák, einem freien Mitarbeiter des Internetportals „Slovácký gen“, erzählte sie ausführlich über die herrschenden Haftbedingungen. Hier eine kurze Zusammenfassung eines Teils ihrer Erinnerungen:
Erinnerungen einer letzten Zeitzeugin
Die Haft begann für sie in einer Zelle für zwei Personen, zwei mal vier Meter groß. Danach in einer Zelle für zehn bis 15 Frauen. Fünf Uhr in der Früh war Weckzeit. Die Doppelstock-Liegen mit Decken aus Pferdhaaren mussten präzise zurechtgemacht werden – der Kommandant sei Soldat gewesen und habe streng auf Ordnung geachtet. Zweimal pro Tag gab es etwas zu Essen. Meistens war das jedoch ungenießbar. Zu Mittag am häufigsten große Hefeteigklöße übergossen mit Sirup, verdünnt mit Wasser. Das zweite Tagesgericht oft Gehacktes aus älteren Fleischresten. Im Gefängnis sei sie für neun Tage in Hungerstreik getreten.Die freie Bewegung im Spazierhof, falls nicht verboten, war auf 10 Minuten reduziert. Dass eine Hinrichtung stattfand, habe man am lauten Hundegebell in den frühen Morgenstunden erkannt. Drohungen, vulgäre Schimpfworte oder Prügel waren bei den Vernehmungen kein Tabu. Gegen sie persönlich – so Honová – seien die Ermittler Holub und Říha nie handgreiflich geworden. Einem von ihnen habe sie gleich offen gesagt:
„Ich glaube, dass unsere Leute von der Staatssicherheit so etwas nicht machen, da es nur die Nazis gemacht hatten.“
Ihre Eltern konnte Anna Honová erst zwei Jahre nach ihrer Verhaftung zum ersten Mal sehen. Bis heute spricht sie vom psychischen Stress im Gefängnis, der viel schlimmer als der Hunger gewesen sei. Nach ihrer Verurteilung wurde sie aus Uherské Hradiště in die Justizvollzugsanstalt „Cejl“ im südmährischen Brünn gebracht.