Pfarrer Leßmann-Pfeifer zur Ökumene: „In den letzten zwei Generationen hat sich das sehr zum Guten geändert“
Die Ökumene war eines der Themen, die dieses Jahr während eines Bußgottesdienstes zum Reformgedenken angesprochen wurden. Den Gottesdienst zelebrierten Pfarrer Frank Leßmann-Pfeifer von der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde und der Pfarradministrator der deutschsprachigen katholischen Pfarrei in Prag, Martin Leitgöb, vor einigen Wochen am Weißen Berg der tschechischen Hauptstadt. Martina Schneibergová hat mit den beiden Geistlichen nach dem Gottesdienst gesprochen.
Frank Leßmann-Pfeifer: „Ein Beweggrund war der, dass alle, die ernsthaft an diesem Gedenken interessiert sind, darauf hoffen, dass 2017 nicht einfach nur eine Lutherfeier wird, so wie es 1917 der Fall war. Man erwartet vielmehr, dass es da wirklich um das Zentrum des Glaubens an Christus geht. Und das geht in unserer Zeit nur ökumenisch oder gar nicht.“
Warum wurde gerade dieser Ort gewählt?
Martin Leitgöb: „Der Weiße Berg in Prag ist ein sehr geschichtsträchtiger Ort, aber auch ein sehr verwundeter Ort. Es ist ein sehr schöner, ja geradezu paradiesischer Platz, besonders am Abend. Aber es ist eben auch ein Ort, an dem Schreckliches passiert ist in der Geschichte. Ein Ort, an dem Katholiken auf Protestanten losgegangen sind, wo eine große Schlacht stattgefunden hat – eine Schlacht, die Böhmen über Jahrhunderte entzweit hat. Und deswegen ist gerade hier ein sehr sinnvoller Platz, um diesen Bußgottesdienst durchzuführen. Wir wollten sozusagen noch einmal sehr tiefgründig versuchen, diese Wunde aufzuarbeiten, oder zumindest einen Beitrag dazu leisten, diese Wunde zu heilen.“
Sie haben beide sehr schön die Vorurteile herausgestellt, die es über die Katholiken und die Protestanten gegeben hat. Das war, so denke ich, sehr gut und präzise formuliert. Wovon sind Sie dabei ausgegangen?Frank Leßmann-Pfeifer: „Wenn ich es ganz ehrlich sagen soll, so brauche ich da nur an meine Großmutter zu denken, die wirklich viele Vorurteile gegenüber Katholiken hatte. Und das, obwohl ich selber aus einer konfessionsverbindenden – oder damals hieß es wirklich noch konfessionsverschiedenen – Ehe komme. Mein Vater war katholisch, meine Mutter evangelisch, und so habe ich die Vorurteile beider Seiten eigentlich schon von Kindheit an mitbekommen. Auf der anderen Seite aber auch das, was wir jeweils aneinander schätzen können.“
Meinen Sie, dass diese Vorurteile immer noch bestehen, oder ist das ganz unterschiedlich?
Frank Leßmann-Pfeifer:
„Ich glaube, es ist nicht mehr der Fall. Ich glaube vielmehr, das hat sich in den letzten ein oder zwei Generationen sehr stark zum Guten hin verändert. Das liegt meiner Meinung nach auch an der fortschreitenden Säkularisierung, indem man zunehmend empfindet, dass man in einem gemeinsamen Boot sitzt.“Martin Leitgöb: „Natürlich haben wir einen Teil dieser Vorurteile schon überwunden. Aber wie mein lieber Kollege schon gesagt hat, sie sind familiengeschichtlich irgendwie doch da, und auch in der Biographie sind sie vorhanden. Ich darf mich auch an meine Großmutter erinnern. Ich bin ja in Österreich aufgewachsen, wo es ohnehin ganz wenige evangelische Christen gibt. Meine Großmutter hat ihre Vorurteile damals bestimmt nicht in böser Absicht gemeint und ausgesprochen. Doch sie war halt zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgewachsen, in dem Glauben, dass, wer eine Evangelische Kirche betritt, eine schwere Sünde begeht. Aber wenn man sich vor Augen hält, was sich da in den letzten Jahrzehnten verändert hat – und ich durfte das meiner Großmutter auch noch selber ausreden und sie sozusagen eines Besseren belehren – ist das schon großartig.“
Wie ist dazu die Erfahrung, die Sie in den beiden deutschsprachigen Gemeinden in Prag gemacht haben?
Frank Leßmann-Pfeifer: „Da kann ich von Herzen sagen, ich habe ökumenische Verbundenheit noch nie so schön erlebt, wie hier in Prag seit nunmehr neun Jahren. Wir arbeiten hier wirklich eng zusammen und verstehen uns miteinander sehr gut.“Meinen Sie, zum stärkeren Miteinander trägt auch bei, dass die Christen insgesamt doch eine Minderheit sind?
Martin Leitgöb: „Also wir sind ja als deutschsprachige christliche Gemeinden hier in Prag in doppelter Weise eine Minderheit – wir leben in doppelter Weise in der Diaspora. Auf der einen Seite leben wir natürlich als Christen, wie alle anderen Christen auch einschließlich der Tschechischsprachigen, hier in der Diaspora. Aber auf der anderen Seite leben wir natürlich auch als Deutschsprachige in einer Sprach-Diaspora. So sind wir in zweifacher Form eine Minderheit, erleben das da und dort auch im Alltag. Doch das hilft uns natürlich auch dabei, enger zusammenzustehen und besser zusammenzuhalten, und das ist gut so.“