Ackermann-Gemeinde: Solidarität und Austausch wichtig für gemeinsames Europa

Die Jahreskonferenz der Vereinigung 'Ackermann-Gemeinde' (Foto: Martina Schneibergová)

Solidarität ist heutzutage ein wichtiges Thema in Tschechien wie in Deutschland. Welche Rolle hat die Familie als die kleinste Zelle des Zusammenlebens beim Erlernen der Solidarität, wie wichtig ist sie für die ethische Entwicklung der Gesellschaft? Mit diesen Fragen befasste sich die Jahreskonferenz der tschechischen ökumenischen Vereinigung „Sdružení Ackermann-Gemeinde“, die am Wochenende in Prag stattfand.

Die Jahreskonferenz der Vereinigung 'Ackermann-Gemeinde'  (Foto: Martina Schneibergová)
Vorträge hielten unter anderem der Philosoph Eike Bohlken von der Universität Tübingen, der tschechische Soziologe Libor Prudký von der Karlsuniversität und der Begründer des Zentrums für Familie in Brno / Brünn, der Psychologe Josef Zeman. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten zudem die Möglichkeit, die Solidarität in der Praxis zu erleben. Am Samstagnachmittag konnten sie an einer Führung durch Prag mit einem Obdachlosen teilnehmen und das Zentrum für alleinstehende Mütter mit Kindern besuchen. Zudem gab es ein Treffen mit der Initiative „Generace 21“, die die Übersiedlung christlicher Iraker nach Tschechien organisiert. Unter den Diskussionsteilnehmern war auch der Generalsekretär der Tschechischen Bischofskonferenz, Tomáš Holub, der vor kurzem von Papst Franziskus zum Bischof von Plzeň / Pilsen ernannt wurde. Er und der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, Matthias Dörr, standen nach der Konferenz zu einem Gespräch für Radio Prag bereit:

Monsignore Holub, worin sehen Sie die Wurzeln der Solidarität?

Tomáš Holub  (Foto: Martina Schneibergová)
„Für uns Christen bedeutet Solidarität, in unseren Nächsten, die in Not sind, Christus zu sehen. Für die christliche Identität zur Solidarität ist es wichtig, vom Evangelium auszugehen.“

Sie haben an der Konferenz der Ackermann-Gemeinde teilgenommen, die sich schon Jahre lang im Bereich der tschechisch-deutschen Beziehungen engagiert. Bald werden Sie in das Amt des Bischofs von Pilsen eingeführt. Wie werden Sie sich in dieser Position für die Annäherung der beiden Völker einsetzen?

„Für die Diözese Pilsen ist eine enge Zusammenarbeit mit den deutschen Diözesen von grundsätzlicher Bedeutung. Während der noch kurzen Geschichte der Pilsener Diözese ist diese Kooperation zur Tradition geworden. Bei meiner Ernennung zum Bischof habe ich gesagt, dass diese Zusammenarbeit eine meiner Prioritäten ist. So freue ich mich bereits auf das Treffen mit dem Bischof von Regensburg, Rudolf Vorderholzer, der an meiner Bischofsweihe teilnehmen wird. Ich habe vor, mit verschiedenen Organisationen in den deutschen Diözesen zu kooperieren – darunter auch mit der Ackermann-Gemeinde, von der ich mehrere Vertreter persönlich kenne. Ich freue mich auf diese künftige Zusammenarbeit.“


Matthias Dörr  (Foto: Offizielle Web-Seite der Vereinigung 'Ackermann-Gemeinde')
Herr Dörr, Sie nahmen als einer der Gäste von Seiten der deutschen Ackermann-Gemeinde an der Konferenz in Prag teil. Wie ist es Ihrer Meinung nach gelungen, auf die Wurzeln der Solidarität einzugehen?

„Es wurde sehr deutlich, dass alles im Kleinen beginnt, aber aus dem Kleinen auch die Gemeinschaft mit erwächst und die Gesellschaft mit geprägt wird. Zudem wird durch eine frühe Prägung in der Familie und eine verantwortungsvolle Erziehung, die auf Moral aufbaut, ein ganz wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur gesellschaftlichen Entwicklung geleistet. Das ist in den Vorträgen und Diskussionen sehr deutlich geworden.“

Während der Diskussion wurde auch auf bestimmte Unterschiede zwischen der Situation hierzulande und der in Deutschland aufmerksam gemacht, beispielsweise, was die Solidarität der Menschen anbelangt. Wie sehen Sie das?

Die Jahreskonferenz der Vereinigung 'Ackermann-Gemeinde'  (Foto: Martina Schneibergová)
„Natürlich sehe ich Unterschiede zwischen Deutschland und Tschechien, man spürt das Erbe der kommunistischen Zeit. Es sind nur etwas mehr als 25 Jahre seit der Wende vergangen. Das kommunistische Regime hat versucht, die Menschen umzuformen und das hat spürbare Auswirkungen hinterlassen, die bis heute nachwirken. Es gibt aber auch viele positive Anzeichen, dass aus den Erfahrungen, die in der kommunistischen Zeit in der Dissidentenbewegung oder in der Kirche gemacht wurden, Dinge erwachsen und immer mehr Früchte tragen. Es ist ebenso zu sehen, dass sich die heutige Generation neu orientiert und stärker einbringt. So gesehen ist auch der Austausch wichtig, weil jeder unterschiedliche Erfahrungen mitbringt, aber doch für die Entwicklung Europas gemeinsam verantwortlich ist.“