Kurbauten, Barock-Orgel und ein Turm – Wettbewerb um die „Historische Stadt“
Seit 1995 wird in Tschechien die Historische Stadt des Jahres gewählt. Die Auszeichnung erhält die betreffende Stadt am Internationalen Denkmaltag. Zuvor aber wird ein Wettbewerb auf Kreisebene durchgeführt. Und die Sieger dieser Runde haben sich am Dienstag im Kulturministerium präsentiert, das Ressort ist auch an der Veranstaltung des Wettbewerbs beteiligt.
„Seinen Ruf hat Karlsbad erst allmählich gewonnen. Wir sind keine historische Stadt in dem Sinne, dass wir Sehenswürdigkeiten aus dem Mittelalter hätten. Denn Karlsbad wurde in der Vergangenheit mehrfach von Hochwassern heimgesucht und durch Brände oder Explosionen von Thermalquellen beschädigt. Das Goldene Zeitalter für den Kurort begann erst Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Epoche prägt das Stadtbild bis heute. Auch wenn unter dem kommunistischen Regime einige wertvolle Bauten abgerissen wurden, ist Karlsbad eine Art Dauerausstellung von Juwelen der Kurarchitektur. Wir wollen uns auch um die Eintragung in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes bemühen.“
Karlsbad hat rund 50.000 Einwohner und ist stolz auf 120 Kulturdenkmäler. Diesem Vergleich kann Mšeno mit seinen 1400 Einwohnern eigentlich nicht standhalten. Im Wettbewerb repräsentiert der Ort den mittelböhmischen Kreis, in dem sich Mšeno gegen die bedeutend größere Bezirksstadt Kolín durchsetzte. Martin Mach (Grüne) ist Bürgermeister von Mšeno. Er betont, man habe in den vergangenen zehn Jahren viel für die Revitalisierung von Grünflächen gemacht. Aber nicht nur das:„Unsere Stadt ist unter den Finalisten etwas atypisch, weil es bei uns nicht viele historische Baudenkmäler gibt. Aber etwa 80 Prozent der Stadt stehen unter Denkmalschutz. Sehenswürdigkeiten gibt es jedoch in den Dörfern in der Umgebung der Stadt, das sind alles Beispiele der Volksarchitektur. Eine Besonderheit ist, dass vor jedem Haus im Stadtzentrum ein anderes Pflastermuster benutzt wurde. Dieses Pflaster entstand während der Ersten Republik, und wir haben es vor kurzem instand gesetzt.“
Vom Rabbinerhaus zur Orgel
Einige der Städte, die sich um den Titel der Historischen Stadt bewerben, haben schon früher den Wettbewerb gewonnen. Dies ist bei Prachatice in Südböhmen der Fall, bei Šternberk in Mähren und bei Polná auf der Böhmisch-Mährischen Höhe. Jindřich Skočdopole (parteilos) ist Bürgermeister der Stadt Polná, die rund 5000 Einwohner hat.„Wir sind 2006 Historische Stadt des Jahres geworden. Wir restaurieren auch weiterhin unsere Baudenkmäler. Bei uns sind 81 Gebäude als Denkmäler eingetragen. In Polná stehen vier Kirchen, ein Rabbinerhaus und eine Synagoge. Es gibt zudem einen jüdischen Friedhof. Seit zwei Jahren wird die Orgel in der Mariä-Himmelfahrtskirche restauriert. Es handelt sich um das größte erhaltene Werk des Barock-Orgelbauers Johann David Sieber auf dem Gebiet Tschechiens. Die Sehenswürdigkeiten, die wir restaurieren, sind lebendige Orte, an denen viele Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden. Obwohl wir eine kleine Stadt sind, investieren wir viel in die Baudenkmäler.“
Der Wettbewerb sei jedoch nicht der Grund für die sorgfältige Denkmalpflege, sagt Jindřich Skočdopole:„Wir wollen einfach das Kulturerbe aufrechterhalten. Unser diesjähriger Sieg im Kreis Vysočina stellt eine Anerkennung für all diejenigen dar, die sich seit vielen Jahren um die Sehenswürdigkeiten kümmern. Es klingt zwar wie ein Klischee, aber die Denkmalpflege ist eine endlose Geschichte: Ein Haus nach dem anderen wird in Stand gesetzt, dann schaut man, wie das historische Gebäude weiter genutzt werden könnte.“
Katakomben und Grünflächen
Stadt Klatovy / Klattau siegte im Kreis Plzeň / Pilsen. Der Grund sei die langjährige systematische Denkmalpflege, meint der Bürgermeister der westböhmischen Bezirksstadt, Rudolf Salvetr (Bürgerdemokraten).
„Jedes Jahr investieren wir nicht nur in die bekanntesten Touristenziele wie die Katakomben oder das Areal des Jesuitenkollegs, das zum Großteil bereits restauriert ist. Sondern wir bemühen uns auch, kleinere Bauten und Sakraldenkmäler instand zu setzen. Nicht zuletzt konzentrierten wir uns in den vergangenen Jahren darauf, die Parks und Grünanlagen neu zu gestalten. Sie dienen sowohl den Bewohnern als auch den Besuchern als attraktive Erholungsorte.“Im Fokus stehen bei weitem nicht nur die Gebäude im Stadtzentrum. Bürgermeister Salvetr:
„Zu erwähnen ist beispielsweise die Kirche im südlichen Stadtteil Luby, die allmählich restauriert worden ist. Im vergangenen Jahr haben sich die Anwohner dort vor allem über die Erneuerung des Glockenturms und eine neue Glocke gefreut. Aber wir haben in den vergangenen Jahren auch insgesamt zur Rettung der Friedhofskirche samt ihrer wertvollen Fresken beigetragen.“
Traditionelle Architektur unter der „Trúba“
Ein Neuling unter den Bewerbern ist Štramberk / Stramberg. Das malerische Bergstädtchen im Vorland der Beskiden hat nur 3500 Einwohner. Das ganze Stadtzentrum steht unter Denkmalschutz, denn es handelt sich um einen Komplex von Gebäuden traditioneller Architektur aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Über der Stadt erhebt sich die Ruine der Burg Strahlenberg mit einem zylindrischen Turm, der „Trúba“. Štramberk ist der Sieger des Wettbewerbs im Mährisch-Schlesischen Kreis. Bürgermeister David Plandor (parteilos):„Wir nehmen zum ersten Mal am Wettbewerb teil. Das heißt aber nicht, dass wir zuvor die Baudenkmäler vernachlässigt hätten. Meine Vorgänger im Amt hatten vermutlich nicht die Ambition, am Wettstreit mitzumachen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es Sinn hat, unsere Arbeit im Bereich der Denkmalpflege auch anderen vorzustellen und damit auch für unsere Stadt zu werben.“
David Plandor erläutert, was das Bild der Stadt ausmacht. Der Bürgermeister beginnt aber mit einer weiteren Sehenswürdigkeit:„In der Höhle Šipka wurde im 19. Jahrhundert ein Teil des Unterkiefers eines Neandertalerkindes gefunden. Das kennen die Schüler aus dem Geschichtsunterricht. Aber natürlich besonders wertvoll ist der Komplex von Blockhäusern, die sich unter dem Burgturm Trúba befinden. Es handelt sich um eine einzigartige Verbindung von mittelalterlicher Kultur der Burg mit mährisch-walachischer Volksarchitektur. Die Häuser sind jedoch kein Freilichtmuseum, sondern sie sind bewohnt. Noch in den 1980er Jahren überwog der Trend, aus den Holzhäusern wegzuziehen. Sie boten nicht den üblichen Komfort: Die Räume sind dunkel, die Decken niedrig. Heutzutage entdecken aber viele Menschen den Zauber dieser Architektur wieder.“
Die 14 Städte in der Endrunde des Wettbewerbs sind im vergangenen Jahr auch vom Kulturministerium gefördert worden. Sie hatten insgesamt rund 26 Millionen Kronen (960.000 Euro) an Fördergeldern beantragt, um restaurieren zu können. Am 18. April wird bekannt gegeben, wer die Historische Stadt des Jahres ist. Der Sieger erhält neben dem Titel auch eine Million Kronen (40.000 Euro) für die weitere Denkmalpflege.