In Ostböhmen abgestürzt – der Bomberabschuss im März 1945

Zahlreiche Teile des Flugzeuges (Foto: Martina Bílá)

Die Boeing B-17 war der wichtigste Bomber der amerikanischen Luftstreitkräfte im Zweiten Weltkrieg. Im März 1945 unternahm ein Geschwader dieser Flugzeuge einen ungewöhnlich langen Flug, um die Daimler-Werke in Berlin zu bombardieren. Beim Rückflug aber kamen die Flugzeuge über Nordböhmen unter das Feuer deutscher Flaks. Einer der Bomber stürzte dann ab. Im Folgenden mehr über diesen Vorfall und das Schicksal der Besatzung.

Foto: ČT24
Vier Motoren hat die Boeing B-17. Sie ist als Flying Fortress bekannt geworden, als fliegende Festung. Diesen Namen trägt der Bomber nicht zu Unrecht. Denn auch schwer getroffen, gilt er noch als flugfähig. Das zeigte sich im gewissen Sinn auch bei der B-17, die am 24. März 1945 in Ostböhmen abstürzte.

Der Hobbyforscher Libor Pařízek hat sich seit vielen Jahrzehnten immer wieder mit dem Fall beschäftigt. Er stammt aus der Gegend des Absturzes. Pařízek hat auch erwirkt, dass vor wenigen Wochen Archäologen den Absturzort untersucht haben. Sie fanden zahlreiche Teile des Flugzeuges.

Von Italien nach Berlin

Libor Pařízek  (Foto: Archiv von Libor Pařízek)
Der 24. März 1945 ist ein ausgesprochen schöner Frühlingstag in Mitteleuropa. Am Morgen startet von der US-Basis Cellone bei Foggia in Italien ein Bombergeschwader. Libor Pařízek:

„Insgesamt 150 Flugzeuge vom Typ B-17 flogen nach Berlin, um dort vor allem die Mercedes-Benz-Werke zu bombardieren. In der Fabrik wurden Panzermotoren für die Wehrmacht hergestellt. Interessant ist, dass es der wohl längste Flug eines amerikanischen Bombergeschwaders im Zweiten Weltkrieg war. Es waren 1500 Kilometer hin und genauso viele zurück.“

Zu dem Zeitpunkt ist die Wehrmacht im Prinzip schon geschlagen. Angriffe durch deutsche Jagdflugzeuge drohen praktisch nicht mehr. Aber die Nationalsozialisten versuchen, die letzten Kräfte in der Flugabwehr einzusetzen. Dazu werden selbst Jugendliche herangezogen, die sogenannten Schülersoldaten.

Zahlreiche Teile des Flugzeuges  (Foto: Martina Bílá)
Für Bombergeschwader ist daher der Flug über Ballungsräume weiterhin gefährlich. Deswegen umfliegt die US-Luftwaffe diese Gegenden. Doch am 24. März geht etwas schief.

„Auch wenn das nie jemand zugeben wollte, hat der Hauptnavigator wohl einen Fehler begangen. Der Verbund flog auf jeden Fall kurz vor Mittag auf dem Rückweg von Berlin über die nordböhmische Stadt Most, damals Brüx. Dort gab es eine Raffinerie für Benzin, und diese wurde von Flaks geschützt. Das Geschwader wurde angegriffen, wobei insgesamt fünf Flugzeuge getroffen wurden. Eines davon stürzte sofort zu Boden, und die Besatzung kam dabei ums Leben“, so Pařízek.

Zwei Motoren setzen aus

Foto: Martina Bílá
Zu den anderen vier Flugzeugen gehört auch der Bomber mit dem Namen Laetitia, benannt nach der Mutter des leitenden Piloten. Bei dieser Maschine ist der dritte Motor getroffen. Wie Libor Pařízek erläutert, muss der Motor unmittelbar nach dem Treffer bereits ausgesetzt haben:

„Die Besatzung warf deswegen alle Fliegerbomben ab. Als dann der zweite Motor auch noch aussetzte, meldete sich die Laetitia aus dem Geschwader ab, um den Verband nicht zu stören. Denn der Besatzung war klar, dass ihr Flugzeug nicht die Höhe erreichen würde, um die Alpen zu überfliegen. Zu dem Zeitpunkt des Krieges bestand allerdings ein heute kaum noch bekanntes Übereinkommen zwischen der Sowjetunion und den USA über gegenseitige Hilfe. Die Maschine drehte also auf der Höhe von Prag nach Osten ab, um hinter die Ostfront zu gelangen. Man flog über Poděbrady und Hradec Králové. Als das Adlergebirge bereits in Sicht war, brannte aber bereits die ganze Maschine.“

Beim Ort Černíkovice arbeiten Bauern gerade auf den Feldern, als sie das viermotorige Flugzeug in Flammen sehen. Es verliert schnell an Höhe und droht in das örtliche Schloss zu stürzen. Da taucht der erste Fallschirm auf, der zweite, der dritte – alle zehn Besatzungsmitglieder springen ab. Ihr Flugzeug fällt nun in Richtung des örtlichen Weihers. Rund 50 Meter vor dem Aufprall explodiert es. Die Teile fliegen durch die Gegend und werden über die Felder verstreut.

In deutscher Gefangenschaft

Gedenktafel in Černíkovice  (Foto: Martina Beková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Den Verlauf des Absturzes hat Libor Pařízek genau recherchiert. Bereits in den 1960er Jahren begann er, sich für das Unglück zu interessieren. Seinen Aussagen nach hat er seitdem über 70 Augenzeugen befragt. Und Pařízek kennt auch das Schicksal der Flugzeugbesatzung. Denn nach der politischen Wende von 1989 begann er, die ehemaligen US-Soldaten ausfindig zu machen. Nach vielen Jahren spürte er drei von ihnen auf: den zweiten Piloten Defro Tossey, den unteren Schützen Weaver Doyle und den oberen Schützen Malcolm Walker.

„Zum Glück konnten sich damals alle Zehn retten und erlitten nur leichte Verletzungen. Die Besatzungsmitglieder haben uns bestimmte Details geschildert, die wir noch nicht gekannt hatten. Zum Beispiel, dass das Flugzeug schon innen brannte, als sie absprangen. Und dass sie aus geringer Höhe sprangen. Auf dem Boden versuchten sie dann nicht zu fliehen, sondern ließen sich festnehmen. Sie wussten, dass der Krieg sich dem Ende zuneigte und dass sie die Rechte von Kriegsgefangenen haben würden“, so Libor Pařízek.

Kirche in Gars am Inn  (Foto: Renardo la vulpo,  CC BY-SA 4.0)
Die Deutschen bringen die Amerikaner mit einem Lastwagen zunächst nach Kostelec nad Ohří / Adlerkosteletz und unterziehen sie einem Verhör. Danach geht es per Zug nach Prag:

„Vom Hauptbahnhof gingen sie dann zu Fuß zum Bahnhof Prag Mitte, dem heutigen Masaryk-Bahnhof. Es war herrliches Wetter. Die Passanten winkten ihnen alle zu, weil die Amerikaner noch ihre Uniformen anhatten. Aus Prag fuhren sie nach Deutschland, konkret ins Kriegsgefangenenlager Oflag 13B in Hammelburg bei Frankfurt am Main. Die Offiziere kamen allerdings ins Konzentrationslager Buchenwald. Im April wurden sie in einen der Todesmärsche gezwungen. Dieser endete in Gars am Inn. Dort hatten sie in der Kirche übernachtet, am Morgen war aber die deutsche Wachmannschaft verschwunden. Wenig später trafen ihre amerikanischen Kameraden mit Panzern und Jeeps ein. Die Bomberpiloten kehrten dann zunächst auf ihre Basis in Cellone zurück. Von dort wurden sie nach und nach in ihre Heimat gebracht.“

In den USA nehmen sie dann allesamt zivile Berufe an, einer wird beispielsweise Automechaniker, ein anderer Chef-Wasserwirtschaftler der Stadt Darlton.

Erst die Recherchen von Libor Pařízek bringen drei von ihnen zurück an den Ort des Kriegsgeschehens. Nach über 50 Jahren. Im August 1996 erhalten sie in Černíkovice die Ehrenbürgerschaft.

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Autor: Till Janzer
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