Ecken und Kanten mit Stil – Das Grand Café Orient
Es ist eines der außergewöhnlichsten Kaffeehäuser in Prag – das Grand Café Orient. Rundungen sucht man hier nämlich vergeblich, sogar bei den klassischen Mehlspeisen. Dabei hat das Orient keine wirklich erfolgreiche Vergangenheit hinter sich. Der Bericht startet eine mehrteilige Serie über die schönsten und traditionsreichsten Kaffeehäuser in Prag.
Und das hat auch einen Grund: Das Grand Café Orient ist ein Juwel des Kubismus in der tschechischen Hauptstadt. Und das einzige seiner Art weltweit. Rudolf Břínek leitet das Cafe:
„Kubistische Architektur gibt es eigentlich nur auf tschechischem Boden. Das macht diesen Stil auch so einzigartig. Kubistisch gestaltete Häuser findet man nur an einigen Orten eben hierzulande.“
Das „Haus zur Schwarzen Muttergottes“ mit dem Grand Café Orient wurde um 1911 vom Architekten Josef Gocar entworfen. Seine Büste dominiert deshalb auch eine der Wände des Cafés. Ursprünglich war in dem Gebäude ein Einkaufspalais, das damalige Kaffeehaus befand sich im Souterrain. Nach nur zehn Jahren musste das Cabaret Orient, wie das Café damals hieß – der Kubismus hatte sich überlebt und alles Orientalische war nicht mehr en vogue. Bis zur Revolution von 1989 waren Büros im „Haus zur Schwarzen Muttergottes“, zuletzt wurde dort das kulturelle Leben der kommunistischen Tschechoslowakei organisiert.Neu eröffnet wurde das Grand Café Orient nach einer weiteren Jahrhundertwende im Jahr 2004, diesmal im ersten Stock des „Hauses zur Schwarzen Muttergottes“. Rudolf Břínek nahm sich damals dieser Aufgabe an. Leicht war das nicht, denn das gesamte Gebäude wurde in den 1990er Jahren entkernt und aller Spuren des Kubismus bereinigt.
„Ich wohnte ein Stück weit von diesem Kaffeehaus entfernt und sah es jeden Morgen, wenn ich meine Kinder zur Schule brachte. Zu der Zeit habe ich viel Kunst gesammelt, vor allem Stücke aus der Zeit des Kubismus. Beim Kaffeehaus dachte ich mir, dass es schade sei, es in diesem Zustand zu belassen. Ich habe dem Kulturministerium geschrieben, dass ich das Café gerne wieder aufbauen wolle. Das Ministerium trat mit mir in Kontakt und eröffnete eine Ausschreibung, bei der ich der einzige Bewerber war. Das lag auch daran, dass außer mir keiner an das Projekt geglaubt hat.“Rudolf Břínek achtete genau darauf, dass das Grand Café Orient auch zeitgemäß kubistisch eingerichtet wurde. Und das mit stilgerechten Möbeln. Das Original-Interieur konnte der Kubismus-Begeisterte Břínek jedoch nicht mehr verwenden. Es war nämlich im ehemaligen Prager Invalidenheim im Stadtteil Karlín eingelagert und fiel deshalb dem Jahrhunderthochwasser von 2002 zum Opfer.
Das Grand Café Orient finden Sie im „Haus zur Schwarzen Muttergottes“ am sogenannten Obstmarkt (Ovocný trh 2), unweit des Platzes der Republik. Das Café hat werktags von 9 bis 22 Uhr geöffnet und an Wochenenden von 10 bis 22 Uhr.
„Eigentlich hatten wir nichts für den Wiederaufbau. Wir haben dann Kopien von Fotos in die Hände bekommen sowie Blaupausen zur Bar und zu den Lüstern. Das waren dann auch unsere Vorlagen für den Umbau. Obwohl das Café nicht ganz dem Original entspricht, haben wir trotzdem die Stimmung der damaligen Zeit hinbekommen. Diese kann man nicht von vornherein projektieren. Entweder entwickelt sich eine entsprechende Atmosphäre – oder eben nicht.“
Heute gilt das Grand Café Orient als eines der schönsten Kaffeehäuser in Prag. Und einen guten Ruf hat es auch im Ausland, zum Beispiel in Deutschland:
„Wir wurden vom deutschen Wochenmagazin Focus unter die sieben schönsten Cafés in Europa gewählt. Es ist schön, wenn das eigene Haus in einem Atemzug zum Beispiel mit dem Kaffeehaus Sacher genannt wird. Das hat schon etwas von einem Michelin-Stern.“