In München: Havel, bilaterale Beziehungen und Erinnerungskultur
Erinnerung, Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die Folgen für die Gegenwart. Das Programm des Tschechischen Zentrums München für den Februar steht im Zeichen des Zurückblickens und der Debatten. Mehr über die Themen in einem Interview mit dem Leiter des Zentrums, Ondřej Černý.
„Ich bin sehr froh, dass Michal Žantovský zugesagt hat, das Gespräch mit mir zu führen. Für mich ist er eine sehr wichtige Persönlichkeit des intellektuellen Diskurses in Tschechien. Žantovský ist ein erfahrener ehemaliger Diplomat und Politiker, aber auch ein Mann, der mit den Gedanken von Václav Havel eng verknüpft ist. Die Veranstaltung ist als Finnisage der Ausstellung ‚Václav Havel – Politik und Gewissen‘ konzipiert. Wir wollen über den Dramatiker und Dissidenten sprechen, über die Nachhaltigkeit seiner Gedanken, darüber, was er in den europäischen Diskurs eingebracht hat und was davon jetzt noch aktuell ist. Ein anderes Thema, das für mich in diesen Januar-Tagen wichtig ist, ist die Charta 77. Ich will Michal Žantovský fragen, was die Charta 77 für ihn vor 40 Jahren bedeutet hat. Er war damals kein Unterzeichner, aber von Anfang an ein Sympathisant der Charta 77.“
„Verlorenes Gedächtnis“ heißt eine Ausstellung zum Thema NS-Zwangsarbeit in den böhmischen Ländern. Sie war bereits in Prag und an weiteren Orten zu sehen. Nun kommt die Ausstellung nach München, und auch ihr Autor wird vor Ort sein, der Historiker Alfons Adam, sowie weitere Gäste. Im Tschechischen Zentrum sind dazu gleich zwei Begleitveranstaltungen geplant, die eine im Rahmen der Vernissage, die andere etwas später…„Diese Ausstellung ist für uns ein Teil des Nachdenkens über das deutsch-tschechische Verhältnis im 20. und 21. Jahrhundert. Es geht nicht nur darum, was in der Vergangenheit passiert ist, sondern auch um unsere Erinnerungen. Eben der Vergleich der Erinnerungskultur auf beiden Seiten ist ein Thema der Veranstaltungen zu dieser Ausstellung. Sie zeigt 18 Orte im heutigen Tschechien, wo während des Zweiten Weltkriegs es Zwangsarbeitslager gab. Wir werden auch mit einem Zeitzeugen, Herrn Kukula, der heute in Regensburg lebt, über seine Erinnerungen an das Lager sprechen. Die zweite Veranstaltung ist sehr repräsentativ: Ich bin sehr froh, dass wir mehrere Institutionen, die sich mit der Erinnerungskultur beschäftigen, zur selben Zeit an einen Ort bringen können. Es handelt sich dabei um unsere erste Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum in München. Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass wir von der tschechischen Seite klar zeigen, dass es für uns wichtig ist, die Ereignisse in Tschechien und die sozusagen schwarzen Seiten der deutsch-tschechischen Beziehungen zu verarbeiten und mit der Erinnerungskultur zu verknüpfen.“
Mit einem ungewöhnlichen Namen lockt eine Veranstaltung am 9. Februar. Sie heißt „Böhmisches. Allzuböhmisches? oder Verwischte Lebensbilder.“ Um welche Lebensbilder handelt es sich?„Unser Gast wird Kateřina Kovačková sein. Sie ist Autorin und Mitarbeiterin der Ackermann-Gemeinde. Diesen Abend wird das Thema prägen, wie die Vertriebenen heute die deutsch-tschechischen Beziehungen betrachten. Ein wichtiges Thema für die Vertriebenen hießt auch: Was ist die Heimat? Kann Heimat bleiben, was früher Heimat war, oder kann man die neue Heimat als die einzige Heimat wahrnehmen?“
Unter dem Motto 20 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung finden derzeit zahlreiche Diskussion und Veranstaltungen statt. Am 23. Februar gibt es auch einen Diskussionsabend in München. Wen haben Sie eingeladen? Über welche Themen soll diskutiert werden?
„Die ersten Monate des Jahres sind im Tschechischen Zentrum München stark gesellschaftlich-politisch geprägt. Natürlich darf dabei auch der 20. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung nicht fehlen. Wir haben uns mit dem Haus des deutschen Ostens geeinigt, zwei Menschen einzuladen, die mit ihrer Arbeit wichtig für die deutsch-tschechischen Beziehungen sind. Mit ihnen wollen wir über die Bedeutung der Erklärung und über die Zukunft der bilateralen Beziehungen im Geiste der Erklärung sprechen. Es sind Martin Kastler, ein deutscher CSU-Politiker, der mit der Ackermann-Gemeinde und der Hans-Seidler-Stiftung eng verknüpft ist, und Tomáš Kafka, der Leiter der Abteilung für Zentraleuropa im tschechischen Außenministerium. Er ist nicht nur ein erfahrener Diplomat auf dem Gebiet der deutsch-tschechischen Beziehungen, sondern auch ein Gesprächspartner, der sehr innovative Gedanken in eine Diskussion bringen kann.“