Heilige Ludmila – 1100 Jahre: internationales Projekt zu Ehren der Přemyslidin

Heilige Ludmila

Der 28. September gilt in Tschechien als Staatsfeiertag. Namenstag feiern da alle Männer, die den Namen des wichtigsten böhmischen Landespatrons, des heiligen Václav / Wenzel, tragen. Neben dem St. Wenzels-Tag gilt der 28. September als Tag der tschechischen Staatlichkeit. Die heutige Sondersendung steht im Zeichen von Wenzels Großmutter und tschechischen Landespatronin, der Heiligen Ludmila. Wir laden Sie dabei nach Tetín ein, wo die erste christliche böhmische Herrscherin einen Zufluchtsort fand und 921 einen gewaltsamen Tod starb.

Beroun und Fluss Berounka bei Tetín  (Foto: Martina Schneibergová)
Auf einem hohen Felsen über dem Fluss Berounka steht Tetín. Die Gemeinde ist etwa 40 Kilometer südwestlich von Prag entfernt. Aus der Bezirksstadt Beroun / Beraun sind es nur noch rund drei Kilometer bis in den Ort, in dem sich im Frühmittelalter eine Burg befand. Sie diente zur Überwachung einer Flussfurt auf dem wichtigen Handelsweg, der nach Bayern führte. Im 10. Jahrhundert gehörte Tetín zum Einflussbereich der Přemysliden. Der Ort soll Sagen zufolge in der heidnischen Vorzeit Böhmens nach seiner Begründerin Teta benannt worden sein. Sie war angeblich Priesterin zu der Zeit und vor allem auch die Schwester der legendären Fürstin Libuše / Libussa. Während Teta sowie Libuše nur in den legenden auftreten, ist die Přemyslidin Ludmila eine historische Persönlichkeit. Marie Opatrná ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie leitet das Projekt mit dem Titel „Heilige Ludmila – 1100 Jahre“, das in Tetín entstanden ist.

Heilige Ludmila
„Auf die Idee sind die Gemeinderäte von Tetín 2015 gekommen. 2021 sind 1100 Jahre seit dem Tod der ersten belegten christlichen Přemysliden-Fürstin und ersten böhmischen Heiligen vergangen. Die Stadt wollte sich auf den runden Jahrestag vorbereiten. Darum wurde sie einen Verein mit dem Namen ‚Heilige Ludmila 2021‘ gegründet. Zur Zusammenarbeit im Verein luden die Stadträte auch Vertreter von einigen anderen Gemeinden ein. Dazu gehört die Stadt Mělník, weil dort der Legende nach Ludmila geboren wurde. Auch die Stadt Roztoky bei Prag und die dortige Pfarrei sind Mitglieder des Vereins geworden. Denn auf dem Gebiet des heutigen Roztoky ließ die heilige Ludmila mit ihrem Mann Bořivoj die erste Kirche in Böhmen erbauen. Die Pfarrei von Beroun ist auch mit dabei, weil Tetín zu dieser Pfarrei gehört.“

Der Verein hat inzwischen einige Veranstaltungen organisiert. Zudem trafen die Mitglieder mit Historikern zusammen, die sich mit der Persönlichkeit der Heiligen Ludmila und ihrer Epoche beschäftigen. Über die Fürstin sei nicht viel bekannt, erzählt Marie Opatrná.

Das Fürstenpaar ließ in Levý Hradec die erste Kirche in Böhmen errichten  (Foto: Ondřej Kořínek,  CC BY-SA 3.0)
„Wir wissen, dass sie 921 in Tetín ermordet wurde. Über ihr Leben wird in einigen Legenden erzählt. Die Historiker wissen gut, wie man damit arbeiten soll. In der St. Georgs-Basilika auf der Prager Burg wurde Ludmila bestattet. Die Forscher bestätigten, dass es sich um sterbliche Überreste einer Frau aus dem 10. Jahrhundert handelt, die im Alter von ungefähr 61 Jahren starb.“

Christlicher Glaube im Land nicht akzeptiert

In den Legenden ist von sechs Kindern die Rede, die Ludmila angeblich hatte. In den historischen Quellen werden jedoch nur zwei Söhne erwähnt – Spytihněv und Vratislav. Ob sich Ludmila genauso wie ihr Mann Bořivoj in Mähren taufen ließ oder erst später in Böhmen, sei nicht bekannt, sagt Marie Opatrná.

„Das Fürstenpaar ließ in Levý Hradec die erste Kirche in Böhmen errichten. Sie wurde dem Heiligen Clemens geweiht. Der neue Glaube wurde im Land jedoch nicht akzeptiert. Bořivoj war mit seiner Frau gezwungen, das Land zu verlassen. Die Přemysliden waren aber imstande, ihre Macht wieder zu festigen, und sie kehrten nach Böhmen zurück. Vermutlich aus Dankbarkeit für die Rückkehr ließen sie eine Marienkirche auf der Prager Burg bauen. Bořivoj starb um das Jahr 890. Als Witwe widmete sich Ludmila dann der Erziehung ihrer Söhne und später der Enkelkinder.“

In Tetín ermordet

Ludmila,  Václav und Drahomíra
Als im Februar 921 Herzog Vratislav starb, war sein älterer Sohn Václav / Wenzel etwa 13 Jahr alt. Trotzdem wurde Václav zum Nachfolger von Vratislav ernannt und Ludmila mit seiner Erziehung betraut. Ludmilas Schwiegertochter Drahomíra sah darin vermutlich eine Schwächung ihrer Macht als Regentin. Es kam zu einem Konflikt zwischen den beiden Frauen. Ludmila übergab Drahomíra ihren Enkel und begab sich im Sommer 921 nach Tetín, wo eine der Přemysliden-Burgen stand. Dies reichte Ludmilas Schwiegertochter jedoch nicht.

Kapelle der Hl. Ludmila in der St. Georgs-Basilika  (Foto: Barbora Kmentová)
„Nach Tetín entsandte Drahomíra zwei Männer aus ihrem Gefolge, Tunna und Gomon, die in den alten Legenden als Kämpfer aus dem Norden beschrieben werden. Ludmila soll ihnen gesagt haben: ‚Ich habe mich um euch gekümmert und ihr seid gekommen, um mich zu töten‘. Die beiden Männer haben Ludmila erdrosselt. Es kann sein, dass sie auf Drahomíras Befehl kein Blut vergießen durften, um die Entstehung eines Kults um Ludmila als Märtyrerin zu verhindern. 925 ließ Václav die Gebeine seiner Großmutter von Tetín auf die Prager Burg überführen und dort in der St. Georgs-Basilika bestatten. Damit begann sozusagen das zweite Leben der heiligen Ludmila.“

Ludmila-Kult in der Barockzeit

Einer Legende zufolge konnte Ludmila in der soeben erbauten Kirche nicht bestattet werden, weil das vorbereitete Grab voll Wasser war. Erst nachdem der Sakralbau geweiht worden war, sei das Wasser verschwunden und Ludmila konnte bestattet werden, erzählt Marie Opatrná und fügt hinzu.

Marie Opatrná  (Foto: Martina Schneibergová)
„In den 1980er Jahren wurde das Grab geöffnet. Die Anthropologen und Archäologen erforschten die dort bestatteten sterblichen Überreste. Es wurde bestätigt, dass es sich um eine Frau aus dem 10. Jahrhundert handelt. Die wertvollen Textilfragmente, die dort gefunden wurden, zeugten davon, dass die Frau verehrte wurde. Die Großmutter des heiligen Wenzel wurde unter Karl IV. hoch geschätzt. Ihr Leben schildert ein Gemäldezyklus auf der Burg Karlštejn. In der Barockzeit galt sie als eine der Landespatroninnen und wurde gemeinsam mit den anderen Landespatronen verehrt. Der Kult erlebte einen weiteren Aufschwung im 19. Jahrhundert, in der Zeit der nationalen Wiedergeburt. Damals wurde beispielsweise die St. Ludmila-Kirche im heutigen Stadtteil Vinohrady erbaut.“

Ludmila-Kirche in Iowa

Nicht nur in den Böhmischen Ländern und von den Katholiken wird die Heilige Ludmila angebetet, sagt Marie Opatrná.

Ludmila-Kirche in Cedar Rapids  (Foto: Jesster79,  CC BY-SA 3.0)
„In der orthodoxen Kirche wird Ludmila stark verehrt. Manchmal wissen die Gläubigen jedoch nicht, dass sie Tschechin war und halten sie für eine Russin. Ludmilas Spuren findet man fast in der ganzen Welt. Kirchen, die ihr geweiht sind, gibt es beispielsweise auch in den USA. In der Stadt Cedar Rapids in Iowa wurde 1926 eine Ludmila-Kirche erbaut. Da sie mit ihrer Kapazität der dortigen Gemeinde nicht mehr gereicht hat, wurde im Jahr 2000 eine neue Kirche errichtet, die der Heiligen Ludmila geweiht ist. Sie ist wahrscheinlich die neueste Ludmila-Kirche auf der Welt überhaupt.“

Im Rahmen des Projektes zum 1100. Todestag der heiligen Ludmila suchen die Vereinsmitglieder um Marie Opatrná nach Kirchen und anderen Sehenswürdigkeiten, die mit der böhmischen Landespatronin Ludmila zusammenhängen. Neben Sakralbauten können es auch Statuen oder Institutionen sein, die nach der Přemyslidin benannt wurden. Auf einer Landkarte auf der Webseite des Projektes sind bisher auch zwei Orte in Deutschland gekennzeichnet, die an Ludmila erinnern. In Friesoythe-Gehlenberg in Niedersachsen gibt es eine Kirche, die ihr geweiht ist. Marie Opatrná:

St. Prosper- und St. Ludmilla-Kirche in Friesoythe-Gehlenberg  (Foto: YouTube)
„Es ist eine St. Prosper- und St. Ludmilla-Kirche. Benannt wurde sie nach dem Ehepaar, das den Bau im 19. Jahrhundert finanzierte. Es waren Prosper Ludwig von Arenberg und seine Frau Marie Ludmila Rosa von Lobkowitz. Ihre Vorfahren stammten aus Böhmen.“

Eine weitere Spur Ludmilas in Deutschland, die der Verein gefunden hat, befindet sich in Ostsachsen: In der Stadt Crosswitz gibt es einen Caritasheim St. Ludmila.

Ludmila-Treffen in Tetín

Tetín  (Foto: Aktron,  CC BY-SA 3.0)
Am St. Ludmila-Tag, dem 16. September, veranstaltete der Verein ein Treffen von Frauen, die alle Ludmila heißen, in Tetín.

„Wir wollen mit unserem Projekt nicht nur an die Anfänge des christlichen Glaubens in den Böhmischen Ländern erinnern, sondern mit unseren Veranstaltungen auch die breite Öffentlichkeit ansprechen. Ich bin davon überzeugt, dass das erste Ludmila-Treffen gelungen ist. Insgesamt sind 38 Frauen und Mädchen namens Ludmila nach Tetín gekommen, die jüngste Ludmila saß noch im Kinderwagen. Wir haben mit den Damen vereinbart, dass sie noch weitere Ludmilas ansprechen, damit wir nächstes Jahr noch mehr Teilnehmerinnen hier bei uns begrüßen können.“

10
49.948127110000
14.104385380000
default
49.948127110000
14.104385380000