„Hass ist ein Mangel an Fantasie“ – Lesung in der Prager Maisel-Synagoge erinnert an KZ Theresienstadt
Am 6. September hat die Maisel-Synagoge zusammen mit der Organisation Elysium eine abendliche Lesung veranstaltet. Vorgestellt wurden Dichter wie Ilse Weber, Leo Strauss und Paul Aron Sandfort. All diese Literaten verbindet ein schreckliches Band – das KZ Theresienstadt.
„Die über 70 Jahre alten Texte, die wir zu hören bekommen, haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Im Gegenteil, sie zeigen wohin verblendeter Hass führen kann. Das ist leider eine zeitlose Erfahrung.“
So dachte sich das auch die Organisation Elysium – between two continents. Elysium hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe von Kunst, Musik und Literatur gegen Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und Hass anzukämpfen. Durch Michael Lahr und Gregorij von Leïtis wurde dieser Abend in Prag ermöglicht. Michael Lahr schilderte seine Beweggründe:„Wir – Eysium between two continents – haben vor über 20 Jahren angefangen, Musik aus Theresienstadt in New York und später in anderen Städten Europas zu präsentieren. Seither stellt sich mir immer wieder die Frage, wie diese Menschen, denen man alles genommen hatte, überhaupt die Kraft aufgebracht haben, künstlerisch und schöpferisch tätig zu sein. In der Tat grenzt es an ein Wunder, dass die in Theresienstadt Gefangenen nach 10 stündiger schwerster Zwangsarbeit und trotz permanenten Hungers in der Lage waren, zu dichten, zu musizieren, Kabarett zu machen, zu komponieren und Theater zu spielen.“
Aus dieser Kraft heraus wurden Texte und Gedicht für die Nachwelt verfasst. Eine bemerkenswerte Dichterin war Ilse Weber, die im Jahr 1903 in Vítkovice/ Witkowitz in der Nähe von Ostrava / Ostrau geboren wurde. Bevor Sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Jahr 1942 nach Theresienstadt kam, arbeitete Ilse für den tschechoslowakischen Rundfunk und schrieb für Kinderzeitschriften. In ihrer Zeit im Konzentrationslager verfasste sie über 60 Gedichte und war als Krankenschwester auf der Kinderkrankenstation tätig. Sie und ihr Sohn überlebten den Holocaust nicht. Nur ihr Mann konnte durch viel Aufwand die Poesie seiner Frau retten und später veröffentlichen. Dasselbe erlitt Leo Strauss, der im Jahre 1897 in Teplice/ Teplitz das Licht der Welt erblickte. Er versuchte mit Kabarettprogrammen sein Schicksal und das von den anderen Internierten erträglicher zu machen. Gregorij von Leïtis las aus seinem Gedicht „Als ob“:
„Ich nenn's die Stadt Als-ob,
nicht alle Leute dürfen
in diese Stadt hinein,
es müssen Auserwählte
der Als-ob- Rasse sein. Die leben dort ihr Leben,
als ob's ein Leben wär,
und freun sich mit Gerüchten,
als ob's die Wahrheit wär. Die Menschen auf den Straßen
laufen im Galopp,
auch wenn man nichts zu tun hat,
tut man doch so als ob.“