Böhmisch-Rixdorf – eine tschechische Insel in Berlin

Foto: Manuel Rommel

Am kommenden Samstag beginnt das alljährliche tschechisch-deutsche Freundschaftsfest „Popráci“ in Rixdorf im Berliner Bezirk Neukölln. Die Hauptattraktion wird wieder das abschließende Strohballenrollen sein. Der Ursprung dieses Festes liegt in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Damals siedelten sich die ersten Böhmen in Rixdorf an. Heute zeugt nur noch wenig von den damaligen tschechischen Exulanten. Dennoch lohnt sich ein Ausflug dorthin.

Straßenschild in Rixdorf  (Foto: Manuel Rommel)
„In Rixdorf ist Musike“ – ein Gassenhauer, der Ende des 19. Jahrhunderts den Berliner Stadtteil bekannt machte. Heute scheint die Zeit dort stehen geblieben zu sein. Wer zum Richardplatz kommt, vermutet kaum, dass er sich in einer modernen Millionenstadt befindet: kleine Steinhäuschen mit ihren angrenzenden Gärten, eine Schmiede und eine Dorfkirche. Straßennamen wie Jan-Hus-Weg, Böhmische Straße und die damalige Malá ulička (zu Deutsch: Kirchgasse) weisen auf vergangene Zeiten und die ehemaligen Bewohner hin – die Böhmen. Norbert Kleemann ist Vorsitzender des Vereins Traumpfad sowie Mitorganisator und Leiter des Festes „Popráci“:

Häuser in Rixdorf  (Foto: Manuel Rommel)
„Das war nach dem Dreißigjährigen Krieg. 100.000 Menschen verloren durch diesen Konflikt in der Mark Brandenburg ihr Leben. Dem König fehlten die Lebensmittel und Einwohner. Er brauchte Bauern und Weber. Vor allem dieses Handwerk brachten die Böhmen nach Rixdorf.“

Ein weiterer Grund war die Verfolgung der Protestanten in Böhmen und Mähren. Durch die Rekatholisierung zu Zeiten der Habsburger Monarchie konnten dort viele Menschen ihren evangelischen Glauben nicht mehr frei ausüben. Sie beschlossen, in der Fremde ein neues Zuhause zu finden. So erlaubte König Friedrich Wilhelm I., dass sich 350 Exulanten im Jahr 1737 in Rixdorf ansiedeln durften.

Denkmal von Friedrich Wilhelm I.  (Foto: Manuel Rommel)
„In Böhmisch-Rixdorf haben die Böhmen ihrem Gönner ein Denkmal gesetzt. Das ist das einzige Denkmal in ganz Berlin von Friedrich Wilhelm I. Um die Statue herum sind Schilder angebracht, auf denen die Geschichte der Böhmen erzählt wird. Zudem sind auf den Tafeln Bilder zu sehen, wie es um 1755 hier aussah. Dabei war das Rixdorf geteilt in Böhmisch-Rixdorf und Deutsch-Rixdorf. Jeder hatte seinen eigenen Schulzen und seine eigene Kirche mit Friedhof. Es war zudem verpönt, dass untereinander geehelicht wurde.“

Durch diese Teilung in Böhmisch-Rixdorf und Deutsch-Rixdorf entstanden oft Missverständnisse, die in handfeste Auseinandersetzungen mündeten. Dem entgegentreten wollten der deutsche Schulze Friedrich Fetzke und sein böhmischer Kollege Bohumil Pachl. Und damit war eine neue Idee geboren. Die Dorfjugend sollte nun in einem Strohballenrollen ihre Kräfte verausgaben. So großen Anklang dieses Fest in ganz Berlin auch fand, im Jahre 1912 wurde dieser Wettkampf verboten. Damit gerieten ebenso die ehemaligen böhmischen Kolonisten in Vergessenheit. Auch später wurde das kleine Dorf inmitten der Großstadt durch Modernisierungen bedroht.

Foto: Manuel Rommel
„In den 70er Jahren sollten alle Häuser abgerissen werden. Doch zum Glück hat sich der Besitzer der Passage, in der sich die Neuköllner Oper befindet, dagegen eingesetzt. Er hat sich mit anderen Eigentümern zusammengeschlossen und politisch drauf gewirkt, dass das Dorf erhalten bleibt. Zudem wurden die Gebäude renoviert. Eigentlich sollten hier Hochhäuser entstehen. Zum Glück ist das nicht passiert.“

So steht Böhmisch-Rixdorf noch immer und ist heute ein Teil von Neukölln. Mit dem Strohballenrollen und dem dazugehörigen tschechisch-deutschen Freundschaftsfest kommen wieder vergangene Zeiten hoch. Frei nach dem Motto „In Rixdorf ist Musike“.

Autor: Juliane Bloch
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