Nicht immer die beste Lösung – Verfassungsgericht zu geteiltem Sorgerecht

Illustrative photo: Ned Horton, Horton Web Design / stock.XCHNG

Das tschechische Verfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren mehrfach über das geteilte Sorgerecht entschieden. Die Richtung war dabei eindeutig: Kinder sollten möglichst auch nach der Trennung bei Mutter und Vater aufwachsen. Anfang des Monats haben die Verfassungsrichter in einem Fall eine andere Entscheidung getroffen. Wie ist diese zu bewerten?

Foto: Ned Horton,  Horton Web Design,  freeimages
Es geht um ein achtjähriges Mädchen. Die Grundschülerin war alle 14 Tage zwischen Vater und Mutter gependelt – und zwar 300 Kilometer weit von Olomouc / Olmütz in Mähren nach Česká Lípa / Böhmisch Leipa in Nordböhmen oder andersherum. An jedem der beiden Orte ist sie in die Grundschule gegangen. Doch für das Mädchen war dies Stress – auch weil die Schulen unterschiedliche Lehrmethoden anwenden und die Kleine zudem kränklich ist. Nun hat das Verfassungsgericht in dem Fall entschieden. Verfassungsrichter Jiří Zemánek sagt, geteiltes Sorgerecht müsse nicht immer die beste Lösung:

„Die Gerichte müssen jedes Mal beurteilen, welche Folgen das regelmäßige Umziehen vom einen Ort zum anderen für die Psyche des Kindes hat. In diesem Fall hat das Fachgutachten eindeutig bestätigt, dass die Folgen sehr negativ waren.“

Daniela Kovářová ist Scheidungsanwältin und ehemalige Justizministerin. Sie begrüßt das Urteil:

Daniela Kovářová  (Foto: Luděk Kovář,  CC BY-SA 3.0)
„Der Fall ist extrem, was die Entfernung anbetrifft. Ideal für das geteilte Sorgerecht ist, wenn das Kind die Entfernung zwischen beiden Elternhäusern zu Fuß zurücklegen kann. Dann kann es beispielsweise auch Dinge, die es vergessen hat, am anderen Wohnsitz holen. Das größte Hindernis für das geteilte Sorgerecht sind allerdings familiäre Streitigkeiten. Die Eltern sollten einfach ihren Verstand einschalten und nicht von dem Kind etwas verlangen, was es nicht bewältigen kann.“

Der aktuelle Fall hatte sich seit 2012 hingezogen. Die Mutter war schon vor der Einschulung ihrer Tochter vor Gericht gegangen. 2014 entschied das Verfassungsgericht dann erstmals in der Sache –im Sinne des Vaters, der das geteilte Sorgerecht wollte. Bedeutet das jüngste Urteil, dass die Verfassungsrichter eine neue Richtung einschlagen? Daniela Kovářová:

Illustrationsfoto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich denke nicht, dass das Verfassungsgericht bisher die Tendenz gehabt hat, das geteilte Sorgerecht anderen Lösungen absolut vorzuziehen. Die Tendenz geht eher dahin, dass das Interesse des Kindes im Vordergrund stehen muss. Und das Verfassungsgericht fordert die Eltern auf, sich um Himmels willen abzusprechen.“

Auf der anderen Seite bestätigt Anwältin Kovářová aber auch, dass es hierzulande einen Wandel gibt – hin zum geteilten Sorgerecht.

„Wir stellen fest, dass die Väter mehr Interesse daran bekunden. Das hängt sicher damit zusammen, dass eine neue Generation Väter heranwächst, die von Anfang an daran gewöhnt ist, sich um die Kinder zu kümmern. In Folge dessen entscheiden auch die Gerichte häufiger zugunsten des geteilten Sorgerechts.“