Gespalten und zunehmend unideologisch: Extremismus in Tschechien

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Das tschechische Innenministerium hat in dieser Woche seinen Extremismusbericht veröffentlich. Demnach bewegt sich die Zahl der politisch motivierten Straftaten auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Dennoch ist die Szene dynamisch und im Wandel.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Demonstrationen, Konzerte, aber auch Gewalttaten – diese Phänomene politisch motivierter Aktion hat das Innenministerium in seinem Extremismusbericht bewertet. Insgesamt 91 Fälle von extremistischer Aktivität zählten die Experten des Ministeriums von April bis Juni dieses Jahres. Davon zählen 45 als Straftaten.

Die extremistische Szene von links und rechts hat jedoch an innerer Einheit verloren, wie Miroslav Mares von der Masaryk-Universität Brünn feststellt:



Miroslav Mareš  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
„Immer noch besteht eine Neonazi-Szene. Diese wird aber kleiner zugunsten von neugebildeten antiislamischen Gruppierungen. Dort engagieren sich auch Menschen, die keinen festen ideologischen Hintergrund haben. Auf der linken Seite sind immer noch Militante aus dem autonomen Spektrum aktiv. Diese mobilisieren sich vor allem zur Unterstützung ihrer inhaftierten Mitstreiter. Auch die dogmatische marxistisch-leninistische Szene existiert noch, obwohl sie nicht mehr wirklich in Erscheinung tritt. Was insgesamt seit vergangenem Jahr ein neuer Trend ist, sind paramilitärische Vereinigungen. Diese haben sich zum Ziel gesetzt, unabhängig von den Staatsorganen für die innere Sicherheit zu sorgen.“

Besonders die rechtsextreme Szene ist stark gespalten in Tschechien. Sie teilt sich vor allem in die radikale Arbeiterpartei DSSS und in die Partei „Nationale Demokratie“. Zwar haben sie eine gemeinsame ideologische Grundlage, sie kooperieren aber nicht. Diese Parteien sehen sich nun einer immer größeren Konkurrenz im ausschließlich antiislamischen Spektrum gegenüber. Doch die Gegner von Islam und Zuwanderung sind zerstritten. Das äußert sich vor allem in auch juristischen Querelen zwischen dem Block gegen den Islam von Martin Konvicka und der Partei Morgenröte – Nationale Koalition. Auf das Konto dieser beiden rechtsradikalen Strömungen gehen laut Innenministerium 48 Aktionen.

Prager Sozialzentrum Klinika  (Foto: Veronika Hlaváčová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Das linksextremistische Milieu ist dahingehend ruhiger. 43 Aktionen zählte das Ministerium im zweiten Quartal dieses Jahres. Das linke Spektrum beschränkte sich aber demnach auf konkrete Themen, wie zum Beispiel das Prager Sozialzentrum Klinika. Hier fielen den Experten insbesondere die Autonomen auf. Sie schafften es, insgesamt die meisten Menschen für ihre Veranstaltungen zu mobilisieren. Beim linken Extremismus steht jedoch die Frage im Raum, ob er wirklich als so gefährlich angesehen werden kann, wie der rechte. Gerade in Bezug auf das Sozialzentrum Klinika oder die Aktivistin Kateřina Krejčová ist die Polizei wegen überzogenen und unverhältnismäßigen Handelns in die Kritik gekommen. Oft hat es den Anschein, als ob mit zweierlei Maß gemessen würde.

Foto: Dave Kellam,  CC BY-SA 2.0
Ein Faktor, der rechtsradikale Extremisten beeinflusst, sind Geschehnisse aus dem Ausland. Darunter fallen islamistische Anschläge in Westeuropa, aber auch Ereignisse wie das Ja zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. Miroslav Mares:

„Zum Beispiel der Brexit zählt dabei als Mobilisierungsthema sowohl bei rechten als auch bei linken Extremisten. Sie könnten den Brexit als Vorbild für einen Czexit nehmen und sich ebenfalls um ein Referendum zu einem EU-Austritt Tschechiens bemühen.“

Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk
Beim Kampf gegen den Extremismus sieht Miroslav Mares vor allem die etablierte Politik in der Verantwortung. Nur durch richtiges Handeln der politisch Verantwortlichen könne die Radikalisierung eingeschränkt werden, so der Politikwissenschaftler:

„Man muss den Extremisten entschieden den Wind aus den Segeln nehmen. Die Politik darf die bestehenden Probleme nicht bagatellisieren und muss zeigen, dass Lösungen da sind in der schwierigen sicherheitspolitischen Lage. Nichts darf unter den Teppich gekehrt werden, damit sich die Extremisten nicht der ungelösten Probleme annehmen.“